Leitsatz (amtlich)
Die Gewährleistungsregelung der VOB/B kann in einem Bau- oder Bauträgervertrag formularmäßig „isoliert” zumindest insoweit nicht vereinbart werden, als damit die Gewährleistungsfrist des § 638 BGB verkürzt wird.
Normenkette
AGBG § 11 Nr. 10 Buchst. f., § 23; VOB/B § 13
Verfahrensgang
OLG Celle (Urteil vom 25.10.1984; Aktenzeichen 14 U 2/84) |
LG Hannover (Urteil vom 22.11.1983; Aktenzeichen 15 O 287/83) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 25. Oktober 1984 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte hat am Hause des Klägers Fassadenarbeiten ausgeführt. Den Auftrag dazu hatte der Kläger am 10, August 1978 auf einem von der Beklagten verwendeten Formular erteilt, das die Klausel „Gewährleistung gemäß Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB)” enthielt.
In der folgenden Zeit aufgetretene Mängel ließ die Beklagte im Jahre 1980 beheben. Im Frühjahr 1983 traten erneut Schäden an der Fassade auf. Als der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung wieder zur Mängelbeseitigung aufforderte, berief sie sich auf Verjährung.
Mit der am 9. August 1983 eingereichten und demnächst zugestellten Klage hat der Kläger 17.556 DM nebst Zinsen als Schadensersatz verlangt. Auf die Einrede der Beklagten, daß die Forderung verjährt sei, hat er behauptet, daß die Klausel, derzufolge die Beklagte nur gemäß VOB/B Gewähr zu leisten habe, bei Auftragserteilung gestrichen worden sei. Das hat die Beklagte bestritten.
Das Landgericht hat die Klage wegen Verjährung abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat sie dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und die Sache zur Entscheidung über die Höhe der Klageforderung und über die Kosten der Berufung an das Landgericht zurückverwiesen.
Mit der – zugelassenen – Revision, um deren Zurückweisung der Kläger bittet, erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht läßt offen, ob die Parteien die Klausel „Gewährleistung gemäß Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB)” bei Erteilung des Auftrags durchgestrichen haben. Da sie nicht die Geltung der VOB/B „als Ganzes” vereinbart hätten, sei die Klausel gemäß § 11 Nr. 10 f AGBG insoweit unwirksam, wie sie die nach § 638 Abs. 1 BGB für Arbeiten bei Bauwerken maßgebliche gesetzliche Gewährleistungsfrist von fünf Jahren verkürze. Damit sei der entweder nach § 635 BGB oder nach § 13 Nr. 7 Abs. 1 VOB/B zu beurteilende Anspruch auf Schadensersatz nicht verjährt.
Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg. Dem Berufungsgericht ist darin zuzustimmen, daß die „isolierte” Vereinbarung der Gewährleistungsregelung der VOB/B in einem Formularvertrag zumindest insoweit unwirksam ist, wie dadurch die gesetzliche Gewährleistungsfrist verkürzt wird.
1. Die Frage, ob die Gewährleistungsregelung der VOB/B in einem Bau- oder Bauträgervertrag formularmäßig „isoliert” vereinbart werden kann, ist im Schrifttum lebhaft umstritten. Im wesentlichen geht es dabei darum, ob in einem solchen Falle § 23 Abs. 2 Nr. 5 AGBG eingreift. Nach dieser Vorschrift findet § 11 Nr. 10 f AGBG – demzufolge in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Bestimmung unwirksam ist, durch die bei Verträgen „über Lieferung neu hergestellter Sachen und Leistungen” die gesetzlichen Gewährleistungsfristen verkürzt werden – keine Anwendung auf Leistungen, für die die VOB Vertragsgrundlage ist.
a) Ein Teil des Schrifttums bejaht diese Frage, und zwar vor allem mit Blick auf den Bauträgervertrag (vgl. die Hinweise in Ingenstau/Korbion, VOB, 10. Aufl., Teil A § 10 Rdn. 60 a). Hierfür spreche zunächst der Wortlaut des § 23 Abs. 2 Nr. 5 AGBG, der auf „Leistungen”, nicht etwa auf „Verträge” abstelle. Demgemäß sei die Vorschrift für das hier interessierende Verbot in § 11 Nr. 10 f AGBG so zu lesen, daß es keine Anwendung findet „für die Gewährleistung, für die die VOB Vertragsgrundlage ist” (so z. B. Brambring, NJW 1978, 777, 780). Außerdem sei der Gesetzgeber davon ausgegangen, daß die Gewährleistungsregelung der VOB/B einen in sich ausgewogenen und angemessenen Ausgleich der beiderseitigen Interessen enthalte (so zuletzt Schmidt, BauR 1981, 119, 127). Selbst wenn die Gewährleistungsregelung nicht voll ausgewogen sei, so fehle es doch an der unangemessenen Benachteiligung des Vertragspartners im Sinne des § 9 AGBG (vgl. Hensen in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz, 4. Aufl., Anh. §§ 9 – 11 Rdn. 905).
Daß es genüge, „wenn die in sich geschlossenen Gewährleistungsbestimmungen der VOB/B allein zum Gegenstand eines Bauvertrages gemacht worden sind, um die Verkürzung der Verjährung … von fünf auf zwei Jahre zu ermöglichen”, meint denn auch die Revision.
b) Der überwiegende Teil des Schrifttums verneint dies jedoch (eingehend: Korbion, aaO mit Nachw.; ferner Bunte, BB 1983, 732, 735; von Craushaar, BauR Heft 6/79, „baurecht aktuell”; Dittmann/Stahl, AGB, Rdn. 528; Horn in Wolf/Horn/Lindacher, AGB-Gesetz, § 23 Rdn, 246; Kaiser, ZfBR 1984, 15, 17; Keilholz, Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. 3, S. 241, 324; Riedl in Heiermann/Riedl/Schwaab, aaO, Einf. zu B § 13 Rdn. 7 f; Schwender in Fischer-Dieskau/Pergande/Schwender, Wohnungsbaurecht, II. WoBauG § 54, S. 47; Usinger, NJW 1984, 153; Vygen, Bauvertragsrecht nach VOB und BGB, Rdn. 140). Nach dieser Ansicht kann die Gewährleistungsregelung der VOB formularmäßig wirksam nur vereinbart werden, wenn die VOB „als Ganzes” Vertragsgrundlage geworden ist. Das ergebe sich aus dem Wortlaut des Gesetzes, wie er aus dem Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu verstehen sei, und sei auch allein sachgerecht. Die durch § 13 Nr. 5 Abs. 1 Satz 2 VOB/B ermöglichte Verlängerung der Gewährleistungsfrist durch schriftliches Verlangen des Auftraggebers nütze nichts, wenn – was gerade bei schweren Baumängeln vorkomme – diese Mängel erst nach Ablauf von zwei Jahren seit der Abnahme erkennbar würden.
2. Höchstrichterlich ist die Frage noch nicht entschieden. Die Oberlandesgerichte Saarbrücken (Urt. vom 28. März 1984 – 1 U 112/82), Nürnberg (Urt. vom 8. November 1984 – 2 U 2923/81 = BauR 1985, 320), Hamm (Urt. vom 13. Dezember 1984 – 6 U 159/84) und wohl auch Stuttgart (Beschl. vom 4. März 1985 – 12 W 13/85 = BauR 1985, 321) sowie das Landgericht Düsseldorf (NJW 1985, 500 mit Anm. Bunte in EWiR § 23 Abs. 2 Nr. 5 AGBG 1/85) haben die „isolierte” Vereinbarung der Gewährleistungsregelung der VOB/B und die damit verbundene Verkürzung der gesetzlichen Gewährleistungsfrist in Formularverträgen allerdings schon als unwirksam behandelt (anders dagegen Oberlandesgericht Nürnberg, Urt. vom 28. Oktober 1983 – 6 U 910/83).
3. Dem ist auch zuzustimmen.
a) Dabei kann offen bleiben, ob der in § 23 Abs. 2 Nr. 5 AGBG verwendete Begriff „Leistungen” unklar und deshalb hinsichtlich der Gewährleistung so zu verstehen ist, wie das die vorerwähnten Vertreter der Gegenmeinung für richtig halten. Denn daraus folgt noch nicht, daß die Verkürzung der gesetzlichen Gewährleistungsfrist schon dann zulässig ist, wenn allein die Gewährleistungsregelung der VOB/B formularmäßig vereinbart ist. „Vertragsgrundlage” ist die Verdingungsordnung für Bauleistungen nur, wenn sie ohne ins Gewicht fallende Einschränkungen übernommen worden ist (Senatsurteil BGHZ 86, 135, 142). Die bloße Übernahme der Gewährleistungsregelung reicht dafür nicht aus. Die VOB/B enthält nurim ganzen einen auf die Besonderheiten des Bauvertragsrechtseinigermaßen ausgewogenen Ausgleich der beteiligten Interessen (Senat aaO, S. 141). Für die Gewährleistungsregelung – „isoliert” betrachtet – gilt das keineswegs.
b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens; dieser Verlauf bestätigt vielmehr die Ansicht des Senats.
Schon in der Begründung des dem Bundesrat zugeleiteten Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 30. Mai 1975 (BR-Drucks. 360/75) wird zwar die Verkürzung der Gewährleistungsfrist „für Leistungen, für die die Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) Vertragsgrundlage ist”, damit gerechtfertigt, daß „die rechtliche Stellung des Bestellers durch die VOB/B gegenüber dem Werkvertragsrecht des BGB in einigen Punkten verstärkt” wird. Außer auf die Möglichkeit, die Verjährung durch einfache schriftliche Rüge zu unterbrechen, und auf die Festlegung einer selbständigen weiteren Verjährungsfrist von zwei Jahren für die Mängelbeseitigung (§ 13 Nr. 5 VOB/B) wird dort aber auch und an erster Stelle auf die Einwirkungsmöglichkeiten verwiesen, die dem Auftraggeber bereitsvor der Abnahme des Werks zustehen (aaO, S. 42). Diese sich vor allem aus § 4 VOB/B ergebenden Einwirkungsmöglichkeiten gehören nicht zum eigentlichen Gewährleistungsrecht. Sie können im Einzelfall immerhin bewirken, daß schwere und erst nach mehr als zwei Jahren auftretende Baumängel vermieden werden (vgl. auch das im Auftrag des Innenministers von Nordrhein-Westfalen im Mai 1973 von Prof. Dr.-Ing. Sch sowie seinen Mitarbeitern O und R fertiggestellte Gutachten „Bauschäden im Wohnungsbau, Teil I”, S. 68, wonach erst eine 5jährige Gewährleistungsfrist als ausreichend zu betrachten ist, Schäden aber noch innerhalb von 7 Jahren zu erwarten sind). Zwar war, wie es in der amtlichen Begründung ferner heißt, die Verjährungsregelung der VOB von den im Deutschen Verdingungsausschuß für Bauleistungen vertretenen Fachkreisen „insgesamt … als ausgewogen und den heutigen Gegebenheiten im Bauwesen angemessen betrachtet” worden. Es war aber durchaus folgerichtig, daß der Regierungsentwurf sich nicht hiermit begnügte, vielmehr die Ausnahme von der gesetzlichen Gewährleistungsfrist „zum Schutze des Bestellers … nur dann (zulassen wollte), wenn die VOB als Ganzes dem Vertrag zugrunde gelegt wird” (aaO, S. 42).
Daran hat sich auch später nichts geändert.
Die Stellungnahme des Bundesrats vom 11. Juli 1975 geht auf den hier erörterten Fragenkreis nicht ein. Die dem Bundestag am 6. August 1975 vorgelegte Begründung des Regierungsentwurfs (BT-Drucks. 7/3919) stimmt mit der bisherigen Begründung wörtlich überein (aaO, S. 42). Auf Vorschlag des Rechtsausschusses ist später auch die fingierte Abnahme von Bauleistungen (§ 12 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B) privilegiert worden. Im übrigen hat der Ausschuß betont, daß das Verbot der Verkürzung von gesetzlichen Gewährleistungsfristen durch AGB dann nicht gerechtfertigt ist, „wenn die VOB als ganzes einem Vertrag zugrunde gelegt wird, da die VOB zum Teil die Stellung des Kunden stärkt” (BT-Drucks. 7/5422, S. 14). Damit hat der Rechtsausschuß, der den Wortlaut des Gesetzentwurfs zur Privilegierung der VOB hinsichtlich der Gewährleistungsfrist nicht geändert hat, nur verdeutlicht, daß die VOB als Ganzes demVertrag zugrunde gelegt werden müsse, wenn die Verkürzung der Gewährleistungsfrist wirksam werden solle.
4, Auf die Frage, ob die „isoliert” vereinbarte Gewährleistungsregelung der VOB in Formularverträgen zu einer unangemessenen Benachteiligung des Vertragspartners im Sinne des § 9 AGBG führt, kommt es angesichts der in § 11 Nr. 10 f AGBG getroffenen Entscheidung des Gesetzgebers nicht mehr an. Im übrigen hat der Senat schon in seinem Urteil NJW 1982, 169, 170 ausgesprochen, daß die Gewährleistungsregelung nach der VOB/B keinen angemessenen Ausgleich für die gesetzliche Gewährleistungsfrist bietet (vgl. allgemein zum Verbot der Abkürzung von Verjährungsfristen in AGB für Arbeiten bei Bauwerken auch im kaufmännischen Verkehr BGHZ 90, 273). Mit Recht ist daher Reithmann (MittBayNot 1981, 225 ff) entgegengehalten worden, daß eine formularmäßige Abkürzung der Gewährleistungsfrist nicht die Zustimmung des Bundesgerichtshofs finden werde (Stumpp, MittBayNot 1982, 114).
5. Die Revision ist nach alledem mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
Unterschriften
G, D, B, O, Q
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 10.10.1985 durch Henco, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 512633 |
BGHZ |
BGHZ, 129 |
NJW 1986, 315 |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1985, 1493 |
DNotZ 1986, 17 |
JZ 1986, 148 |