Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsverhältnis zwischen Vorerben und Nacherben bei Girovertragsverhältnis des Erblassers
Leitsatz (amtlich)
In ein Girovertragsverhältnis des Erblassers, das vom Vorerben fortgeführt wurde, tritt beim Nacherbfall der Nacherben nicht ein. Die Frage, wer Inhaber eines bei Eintritt des Nacherbfalls etwa vorhandenen Konto-Guthabens ist, richtet sich nach den Regeln des § 2111 BGB.
Normenkette
BGB §§ 675, 2111
Verfahrensgang
OLG Nürnberg |
LG Nürnberg-Fürth |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 19. Mai 1994 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger verlangt als Nacherbe seines verstorbenen Vaters von der beklagten Bank aus einem von ihr geführten Girokonto die Zahlung von 10.569,89 DM nebst Zinsen und begehrt die Feststellung, daß er seit dem Eintritt des Nacherbfalls alleiniger Kontoinhaber sowie alleiniger Gläubiger der Kontoguthaben sei. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Vater des Klägers, E. W., errichtete 1971 zusammen mit seiner zweiten Ehefrau F. ein gemeinschaftliches Testament. Darin setzten die Eheleute einander als befreite Vorerben ein sowie als Nacherben des Ehemannes den Kläger und als Nacherben der Ehefrau deren Schwester, ersatzweise die Abkömmlinge der Schwester. Am 23. Oktober 1972 verstarb E. W., am 27. Februar 1989 F. W.
E. W. unterhielt bei der Beklagten ein Girokonto als Erträgniskonto für sein bei ihr geführtes Wertpapierdepot. Das Girokonto, für das F. W. Kontovollmacht hatte, wies beim Tod des E. W. ein Guthaben von 686 DM aus. Danach wurde das Konto auf den Namen der F. W. umgeschrieben und von ihr für den Bezug ihrer Sozialversicherungsrenten sowie für den Zahlungsverkehr ihrer Geschäfte des täglichen Lebens, wie Lastschriften wegen Wohnungsmiete, Strom, Versicherungsbeiträgen und Tageszeitung, benutzt. Bei ihrem Tod betrug das Guthaben 3.733,40 DM.
Nachdem die Beklagte das Konto mit verschiedenen Beträgen im Umfang von insgesamt rund 7.000 DM belastet hatte, schrieb sie es auf Verlangen des Klägers im Mai 1989 auf dessen Namen um. Der Kläger überwies zum Ausgleich des entstandenen Soll-Saldos 2.000 DM auf das Konto. Später schrieb die Beklagte das Konto auf den Nachlaß F. W. um und begründete das gegenüber dem Kläger damit, daß die Konto-Umschreibung auf ihn zu Unrecht erfolgt sei. Nachdem bis Juni 1992 ein Konto-Guthaben von 25.544,74 DM entstanden war, überwies die Beklagte dem Kläger 21.911,34 DM.
Der Kläger behauptet, die Konto-Umschreibung auf die Vorerbin F. W. sei von dieser nicht und insbesondere nicht unter Berufung auf die Kontovollmacht verlangt, sondern von der Beklagten wegen des Erbrechts der Vorerbin vorgenommen worden. Er ist der Ansicht, die Umschreibung habe an der Zugehörigkeit des Kontos zum Nachlaß seines Vaters nichts geändert und die von der Beklagten nach Eintritt des Nacherbfalls vorgenommenen Konto-Belastungen seien ihm gegenüber unwirksam; er könne daher neben der Feststellung seiner alleinigen Berechtigung an dem Konto auch die Auszahlung des Betrags verlangen, der sich aus der Differenz zwischen dem Kontostand vom Juni 1992 und dem ihm von der Beklagten bereits überwiesenen Betrag sowie aus der Rückgängigmachung der von der Beklagten zu Unrecht vorgenommenen Konto-Belastungen ergebe.
Die Klage blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos. Mit der – zugelassenen – Revision verfolgt der Kläger seine Klageansprüche weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers bleibt ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat das klageabweisende Urteil des Landgerichts mit Recht bestätigt.
I.
Das Berufungsgericht verneint die alleinige Inhaberschaft des Klägers an dem umstrittenen Girokonto sowie einen Zahlungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte. Zur Begründung führt es im wesentlichen aus:
1. Der Kläger sei nicht alleiniger Inhaber des strittigen Kontos, weil er nicht Alleininhaber des bei Eintritt des Nacherbfalls vorhandenen Konto-Guthabens geworden sei. Bei einem Bankkonto komme es nämlich für die Kontoberechtigung stets auf die Inhaberschaft bezüglich der Einlageforderung an.
Das beim Tod des Erblassers vorhandene Konto-Guthaben von 686 DM sei zwar in den Nachlaß gefallen, an dem dem Kläger bereits ein Nacherben-Anwartschaftsrecht zugestanden habe. An der dadurch begründeten Rechtsstellung des Klägers habe sich durch die Umschreibung des Kontos auf die Vorerbin – unabhängig davon, auf wessen Initiative und mit welcher Begründung die Umschreibung vorgenommen worden sei – zunächst nichts geändert.
Das Konto-Guthaben zur Zeit des Nacherbfalls in Höhe von 3.733,40 DM habe jedoch nicht zum Nachlaß des Vaters des Klägers gehört. Da das Girokonto im Kontokorrent geführt worden sei und daher im Wege der Saldierung jeweils die Einzelansprüche durch einen neuen Saldoanspruch ersetzt worden seien, könne das Endguthaben angesichts der zahlreichen inzwischen erfolgten Buchungen nicht mehr auf die zum Nachlaß gehörende Anfangsforderung von 686 DM zurückgeführt werden. Auch lasse sich nicht feststellen, daß das Endguthaben Surrogat eines zum Nachlaß des E. W. gehörenden Rechts sei oder aus Nachlaßmitteln erworben worden sei und deshalb nach § 2111 BGB zu diesem Nachlaß gehöre. Surrogation scheide aus sowohl hinsichtlich der dem Konto gutgeschriebenen Sozialversicherungsrenten der Vorerbin als auch hinsichtlich der Erträge des zum Nachlaß gehörenden Wertpapierdepots, die der Vorerbin als freies Vermögen zugestanden hätten. Für den Fall einer Veräußerung oder Einlösung von Wertpapieren komme zwar eine Surrogation im Sinne von § 2111 BGB in Betracht. Es sei jedoch weder ersichtlich noch vom Kläger behauptet worden, daß das Endguthaben auf einen solchen Vorgang zurückzuführen sei.
2. Der vom Kläger geltend gemachte Zahlungsanspruch habe die alleinige Konto-Inhaberschaft des Klägers zur Voraussetzung. Da diese nicht gegeben sei, müsse auch der Zahlungsanspruch verneint werden.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand.
1. Der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach es für die Kontoberechtigung stets auf die Inhaberschaft bezüglich der „Einlageforderung” ankomme, trifft allerdings nicht zu. Das Giroverhältnis zwischen einer Bank und einem Kunden ist ein Geschäftsbesorgungsverhältnis, das durch dienstvertragliche Elemente geprägt ist (Senatsurteil vom 11. Dezember 1990 – XI ZR 54/90 = WM 1991, 317, 318 m.w.Nachw.). Es begründet für die Beteiligten ein Bündel von Rechten und Pflichten, zu denen auch die Pflicht der Bank gehört, für den Kunden ein Girokonto zu führen, in das dessen Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber der Bank eingestellt und regelmäßig saldiert werden. Ein Haben-Saldo des Kunden stellt eine Forderung aus unregelmäßiger Verwahrung nach § 700 BGB i.V.m. §§ 607 ff. BGB dar (Senatsurteil vom 15. Juni 1993 – XI ZR 133/92 = WM 1993, 1585, 1586). Diese Konto-Forderung kann im Einzelfall andere Wege gehen als die mit der Stellung als Partner des Girovertrages verbundene Konto-Inhaberschaft des Kunden. So führt die Abtretung des Anspruchs auf Auszahlung des Tagesguthabens nicht dazu, daß der Zessionar Konto-Inhaber wird (Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Aufl., Rdn. 149).
2. Konto-Inhaberschaft und Konto-Guthaben müssen daher unterschieden werden. Das Berufungsgericht hat sowohl den Zahlungsanspruch als auch den Feststellungsanspruch des Klägers im Ergebnis mit Recht verneint, weil der Kläger durch den Nacherbfall weder Inhaber des Girokontos noch Forderungsberechtigter bezüglich des Konto-Guthabens geworden ist.
a) Das Giroverhältnis zwischen der beklagten Bank und dem Erblasser E. W. und damit auch dessen Inhaberschaft an dem Girokonto ging zwar mit dem Tod des Erblassers auf die Vorerbin über. Als diese das Girokonto für ihren eigenen Zahlungsverkehr benutzte, trat sie jedoch in eine eigene Rechtsbeziehung zu der Beklagten, die es rechtfertigt, die mit dem Giroverhältnis verbundenen Rechte und Pflichten fortan ausschließlich der Vorerbin persönlich und nicht mehr dem Nachlaß zuzuordnen.
Das Giroverhältnis als auf Dauer angelegtes Geschäftsbesorgungsverhältnis hat Dienste höherer Art zum Gegenstand, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen (Senatsurteil vom 11. Dezember 1990 aaO). Wer als Erbe in ein solches Vertragsverhältnis eintritt und es sodann fortführt, tritt in eine eigene persönliche Rechtsbeziehung zu der Bank. Die aus der Fortführung des Giroverhältnisses sich ergebenden Rechte und Pflichten sind nur noch dem Erben persönlich und nicht mehr dem Nachlaß zuzurechnen, nicht anders, wie wenn der Erbe das alte, vom Erblasser übernommene Konto aufgelöst und ein neues Girokonto bei derselben Bank eröffnet hätte. Der Umstand, daß das Giroverhältnis ursprünglich vom Erblasser begründet worden war, steht dem deshalb nicht entgegen, weil der Rechtsstellung, die man als Partner eines Girovertrags hat, für sich allein – das heißt, ohne Berücksichtigung eines gesondert zu betrachtenden Konto-Guthabens oder einer Konto-Verbindlichkeit – kein meßbarer Vermögenswert zukommt. Ungeachtet der großen Bedeutung, die der Besitz eines Girokontos heute für die Abwicklung zahlreicher Geschäfte des täglichen Lebens hat, kann einer solchen Kontoverbindung kein eigener Vermögenswert beigemessen werden, weil einerseits jeder in geordneten Verhältnissen lebende Mensch bei nahezu jeder Bank oder Sparkasse ein Girokonto erhalten und andererseits jedes Giroverhältnis von beiden Seiten jederzeit gekündigt werden kann (vgl. dazu Senatsurteil vom 11. Dezember 1990 aaO).
Die Richtigkeit dieser Einordnung eines vom Erben weiterbenutzten Girokontos zeigt sich insbesondere in Fällen.der Vor- und Nacherbschaft. Es würde zu unzuträglichen Ergebnissen führen, ein vom Vorerben – vielleicht jahrzehntelang – weiterbenutztes Girokonto nur deshalb dem Nacherben anfallen zu lassen, weil es ursprünglich einmal vom Erblasser begründet worden war. Insbesondere in den Fällen, in denen der Nacherbfall bereits zu Lebzeiten des Vorerben eintritt, wäre es unsinnig und würde erhebliche Komplikationen im Zahlungsverkehr der Beteiligten zur Folge haben, wenn die vom Vorerben laufend benutzte Kontoverbindung plötzlich auf den Nacherben überginge.
Da das von der Vorerbin F. W. weiterbenutzte Girokonto ihr persönlich und nicht dem Nachlaß des E. W. zuzuordnen war, fiel es bei ihrem Tod im Jahre 1989 ihren eigenen Erbinnen und nicht dem Kläger als Nacherben an.
b) Was das beim Tod des Erblassers E. W. im Jahre 1972 vorhandene Konto-Guthaben von 686 DM betrifft, so gehörte es zu dem mit dem Nacherben-Anwartschaftsrecht des Klägers belasteten Nachlaß. Daran änderte sich auch durch die Weiterbenutzung des Girokontos seitens der Vorerbin F. W. zunächst nichts. Das genannte Guthaben war jedoch bei deren Tod am 27. Februar 1989 nicht mehr vorhanden. Das an diesem Tag bestehende Konto-Guthaben von 3.733,40 DM stünde nur dann – ganz oder teilweise – dem Kläger zu, wenn es auf das beim Tod des Erblassers vorhandene Guthaben von 686 DM oder auf zwischenzeitliche Zuflüsse, die nach den Regeln des § 2111 BGB dem Nachlaß zuzurechnen sind, zurückgeführt werden könnte. Das Berufungsgericht hat jedoch beides verneint. Das wird von der Revision nicht angegriffen und läßt im übrigen auch keine Rechtsfehler erkennen.
Fundstellen
Haufe-Index 609826 |
BGHZ 131, 60 |
BGHZ, 60 |
BB 1995, 2606 |
BB 1996, 400 |
NJW 1996, 190 |
ZEV 1996, 62 |
ZIP 1995, 1886 |
ZIP 1995, 1981 |
ZBB 1996, 59 |