Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, welche rechtlichen Grenzen sich für Rundfunkanstalten aus der langjährigen Übung, festangestellten Sportreportern Hörfunkreportagen für andere Anstalten besonders zu vergüten, für die vergütungsmäßige Einbeziehung dieser „Fremdreportagen” in das Gehalt des Reporters ohne seine Zustimmung ergeben.
Normenkette
BGB § 611; GG Art. 5 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Stuttgart (Urteil vom 19.08.1981) |
LG Stuttgart |
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 19. August 1981 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Revision fallen dem Beklagten zur Last.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist seit 1963 festangestellter Sportredakteur beim H. R. Er ist hauptsächlich als Sportreporter für den Hörfunk tätig und berichtet vorwiegend von Sportereignissen im Sendegebiet des H. R., insbesondere von Spielen der Fußballbundesliga im F. Waldstadion. Die Reportagen, die für eine Ausstrahlung durch den H.-… Rundfunk bestimmt sind (Hausreportagen), aber auch von den anderen ARD-Anstalten kostenlos übernommen werden können, spricht er nach einem zuvor festgelegten Zeitplan. Außerdem hat jede ARD-Anstalt die Möglichkeit, für den Teil der Sendezeit, für die eine Hausreportage nicht eingeplant ist, Reportagen zu bestellen, die vom Kläger zur Ausstrahlung durch den bestellenden Sender gesprochen werden (Fremdreportagen). Für jede vom Beklagten bestellte und vom Kläger gesprochene Fremdreportage hat der Beklagte dem Kläger seit Jahren bis Ende 1977 jeweils eine Vergütung überwiesen, deren Höhe sich im Jahre 1977 je nach zeitlichem Umfang der Reportage zwischen 60,– und 110,– DM bewegte. In derselben Weise wurde auch bei der Bestellung und Vergütung von Fremdreportagen anderer Sportreporter aus den Sendegebieten sämtlicher ARD-Anstalten durch jeweils andere ARD-Anstalten seit spätestens 1969 verfahren.
Am 14./15. September 1977 beschloß die Konferenz der Intendanten der in der ARD zusammengeschlossenen Sendeanstalten, zunächst probeweise für das Jahr 1978 eine Empfehlung der Hörfunk-Programmdirektoren vom 17./18. August 1977, die auf Vorschläge der Arbeitsgruppe Honorare und Lizenzen von 1975 zurückging, anzuwenden. Danach sollten „Haus-” und „Fremdreportagen” des Reporters von seiner Heimatanstalt als „Flächenauftrag” vergeben werden und „Fremdreportagen” durch das Gehalt des Reporters abgegolten sein. Als Auswirkung dieses Beschlusses, der in der Folgezeit in teilweise abgeänderter Form auf die Jahre 1979 und 1980 erweitert wurde, erhielt der Kläger die weiterhin von ihm gesprochenen und vom Beklagten ausgestrahlten Fremdreportagen nicht mehr gesondert vergütet.
Mit seiner Klage verlangt der Kläger vom Beklagten als Vergütung von 30 Fremdreportagen, die er von 1978 bis 1980 für den Hörfunk des Beklagten gesprochen hat, insgesamt 3.100 DM.
Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage stattgegeben.
Mit seiner zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat der Beklagte dem Kläger die infrage stehenden 30 Hörfunk-Sportreportagen aus den Jahren 1978 bis 1980 aufgrund vertraglicher Abmachung zu vergüten.
Es erwägt: Solche exklusiv für die anfordernde Anstalt gesprochenen Fremdreportagen seien nicht von der Reportagetätigkeit umfaßt gewesen, die der Kläger als Hausreporter des H. Rundfunks aufgrund des zu diesem bestehenden Dienstvertrags habe erbringen müssen. Das folge aus der seit 1969 von allen Sendeanstalten der ARD geübten Praxis, jeweils in jedem Einzelfall diese Reportagen dem Reporter durch die bestellende Anstalt gesondert zu vergüten. Die Übung, Fremdreportagen nicht den aus dem Anstellungsvertrag mit seiner Heimatanstalt vergüteten Aufgabendes Sportreporters zuzurechnen, sei nach den Grundsätzen über die rechtliche Bindungswirkung einer betrieblichen Übung Inhalt des Dienstvertrags des Klägers mit dem H. Rundfunk geworden und grenze die Pflichten des Klägers aus diesem Vertrag negativ aus. Eine Vertragsänderung nach Maßgabe des Beschlusses der Konferenz der Intendanten der in der ARD zusammengeschlossenen Sendeanstalten vom 14./15. September 1977, der die Aufgabe dieser Praxis zugunsten einer Regelung angestrebt habe, nach der ab 1978 solche Fremdreportagen als Teil der von den Anstalten der ARD gegenseitig zu erbringenden Programmhilfe ohne besondere Vergütung in die durch das Gehalt abgegoltene Tätigkeit der festangestellten Reporter einbezogen sein sollten, habe weder durch einseitige Erklärung des Hessischen Rundfunks gegenüber dem Kläger noch durch eine – weil unzulässige – Teilkündigung des Arbeitsvertrags, sondern nur aufgrund entsprechender Vereinbarung mit dem Kläger erreicht werden können; daran fehle es hier.
Demgemäß habe der Kläger davon ausgehen müssen, daß der Beklagte aufgrund der auch ihm bekannten allgemeinen Übung bei der Bestellung von Fremdreportagen in unmittelbaren rechtlichen Kontakt mit ihm getreten sei. Ersichtlich sei sein jeweils über die Sportredaktion des H. Rundfunks geleiteter Auftrag als „Erklärung, an wen es angeht” an den jeweils für das infrage stehende Sportereignis vom H. Rundfunk eingesetzten Reporter gerichtet gewesen. Auch der Beklagte sei zumindest bis Ende 1977 von einer vertraglichen Bindung zwischen den Parteien ausgegangen; deshalb habe der Kläger auf Anweisung der Sportredaktion des Beklagten stets für jede Fremdreportage eine Abrechnung erhalten, die fett- und großgedruckt die Überschrift „Vertrag” mit einer fortlaufenden Vertragsnummer enthalten habe. Da diese Praxis seit 1978 unverändert fortgesetzt worden sei, habe der Kläger davon ausgehen dürfen, daß sich der Beklagte mit seinen Aufträgen für Fremdreportagen über Bundesligaspiele, bei denen der Kläger als Hausreporter des H. Rundfunks tätig geworden sei, entsprechend bisheriger Übung unmittelbar an ihn habe wenden wollen. Zwar habe der Kläger seit November 1977 von dem Beschluß der Intendantenkonferenz vom 14./15. September 1977 Kenntnis gehabt. Er habe deshalb auch ohne ausdrücklichen Hinweis des Beklagten davon ausgehen müssen, daß dieser ab 1978 für die von ihm bestellten Fremdreportagen nichts mehr habe bezahlen wollen. Umgekehrt sei dem Beklagten aus der langjährigen und auch nach 1977 anhaltenden ARD-internen Diskussion bekannt gewesen, daß der Kläger wie auch seine Kollegen für solche Fremdreportagen eine entsprechende Vergütung gefordert hätten. Da trotz dieser beiderseits offenkundigen Differenzen die Fremdreportagen weiterhin bestellt und auftragsgemäß gesprochen worden seien, müsse nach der Interessenlage angenommen werden, daß die Parteien eine verbindliche Vereinbarung über die Fremdreportagen unter Vorbehalt einer späteren rechtlichen Klärung der Vergütungsfrage hätten treffen wollen. Nach der sonach für die Vergütung maßgebenden gesetzlichen Regelung – sei es des § 612 BGB oder des § 632 BGB – könne der Kläger deshalb die übliche Vergütung für die infrage stehenden Fremdreportagen verlangen. Diese entspreche dem vom Landgericht zugesprochenen Betrag.
II.
Im Ergebnis haben die Angriffe der Revision gegen diese Ausführungen keinen Erfolg.
1. Mit dem Berufungsgericht ist davon auszugehen, daß der Kläger für sog. Fremdreportagen, die er auf Anforderung einer anderen Anstalt als des H. Rundfunks, bei dem er fest angestellt war, „exklusiv” für diese zu sprechen hatte, jedenfalls bis 1978 jeweils eine besondere Vergütung von der anfordernden Anstalt zu beanspruchen hatte.
Dabei kann offen bleiben, ob die dahingehenden Abmachungen als Dienst- oder Werkvertrag zu qualifizieren sind, ob zwischen den Parteien ein Dauerrechtsverhältnis bestanden hat oder jeweils von Fall zu Fall Einzelverträge geschlossen worden sind und ob und inwieweit der H. Rundfunk, über dessen Sportredaktion die Bestellung von Fremdreportagen abgewickelt wurde, in die Vertragsbeziehungen eingeschaltet war. Zumindest die Annahme des Berufungsgerichts, daß nach dem Willen aller Beteiligten der Kläger für solche Fremdreportagen einen eigenen Honoraranspruch gegen die bestellende Anstalt erwerben sollte, ist eine revisionsrechtlich nicht zu beanstandende Auslegung der dafür maßgebenden rechtsgeschäftlichen Erklärungen.
a) Nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts haben alle in der ARD zusammengeschlossenen Sendeanstalten seit 1969 mindestens bis 1978 solche Fremdreportagen, ohne deren Inanspruchnahme den Anstalten eine ausreichende Berichterstattung insbesondere über Fußballspiele der Bundesliga nicht gewährleistet erschien, dem dafür eingesetzten Reporter selbst, nicht dessen Heimatanstalt besonders vergütet. So sind auch der Beklagte und der H. Rundfunk bis 1978 stets verfahren. Demgemäß hat der Beklagte bis zu diesem Zeitpunkt dem Kläger seine Fremdreportagen stets besonders honoriert. Regelmäßig hat er – ebenso wie den anderen Reportern von „Fremdreportagen” – diesem persönlich als „Vertrag” überschriebene Abrechnungen erteilt, in denen der Kläger unter einer „Mitarbeiter-Nummer” geführt, beim Bestimmungsgrund für die Honorare der Zusatz: „Reportervertrag” aufgenommen und ferner – vorgedruckt – u.a. der Hinweis enthalten war: „Dieser Vereinbarung liegen die üblichen Honorarbedingungen des S. Rundfunks … zugrunde …”.
b) Erfolglos macht die Revision geltend, die Zahlungen seien nicht in Betätigung eines vertraglichen Bindungswillens erfolgt, da die Honorarabteilung nach der internen Zuständigkeitsverteilung zu Vertragsabschlüssen nicht bevollmächtigt gewesen sei. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind die Zahlungsanweisungen auf Anordnung der Sportredaktion des Beklagten versandt worden, die nach dem eigenen Vortrag des Beklagten hierfür Vollmacht hatte. Entscheidend ist, daß dem Beklagten diese Praxis – nach der auch für Fremdreportagen seiner eigenen festangestellten Sportreporter verfahren wurde – jahrelang bekannt war, ohne daß er dagegen eingeschritten wäre; das hat er in den Vorinstanzen auch nie in Abrede gestellt. Schon deshalb kann sich der Beklagte nach Treu und Glauben heute nicht darauf berufen, die Honorarzahlungen an den Kläger seien ohne Rechtsgrund erfolgt.
c) Ebensowenig steht der Annahme eigener Vergütungsansprüche des Klägers gegen den Beklagten entgegen, daß dieser die Fremdreportagen jeweils bei der Sportredaktion des H. Rundfunks und nicht bei dem Kläger selbst bestellt hat. Dieses Verfahren lag in der Natur der Sache: Sprechen sollte die Reportage der von dem H. Rundfunk am Ort des Sportereignisses eingesetzte Reporter in seiner von der Hausreportage nicht in Anspruch genommenen „freien Zeit”. Dazu war eine Koordination nötig, die der zuständigen Sportredaktion übertragen werden mußte. Daß die Auswahl des Reporters für die „Fremdreportagen” der Sportredaktion der Heimatanstalt überlassen blieb, spricht ebenfalls nicht gegen den Willen der Beteiligten, dem eingesetzten Reporter einen eigenen Honoraranspruch gegen die bestellende Anstalt einzuräumen. Auf diesem Wege sind die Bestellungen von Fremdreportagen bei allen Sendeanstalten der ARD immer abgewickelt worden. Maßgebend ist auch in diesem Zusammenhang, daß alle Anstalten Fremdreportagen als für die Heimatanstalt des Reporters „fremde”, „exklusiv” für die bestellende Anstalt ausgeübte Reportagetätigkeit behandelt haben, über die von jener Anstalt mit dem Reporter persönlich besonders abzurechnen war. Gerade diese Handhabung hat die verantwortlichen Gremien zu den Überlegungen geführt, wie die Kostenlast solcher Fremdreportagen für die Sendeanstalten verringert werden konnte.
2. Das Berufungsgericht konnte ohne Verstoß gegen Auslegungsgrundsätze (§§ 133, 157 BGB) zu der Auffassung gelangen, daß diese Vergütungsregelung auch für die seit 1978 vom Kläger für den Beklagten gesprochenen Fremdreportagen maßgebend geblieben ist.
a) Allerdings ist es zumindest mißverständlich, wenn das Berufungsgericht ausführt, die Praxis der Bestellungen von Fremdreportagen sei von dem Beklagten auch nach 1977 unverändert fortgesetzt worden. Dagegen spricht schon der auch vom Berufungsgericht hervorgehobene Umstand, daß der Beklagte für die von ihm bestellten Reportagen ab 1. Januar 1978 nichts mehr bezahlen wollte und dies allen Beteiligten klar war, jedenfalls erkennbar gewesen ist. Zwar hat sich am Bestellungsverfahren und am Charakter der bestellten Reportage als einer Berichterstattung „exklusiv” für den Beklagten auch nach 1977 nichts geändert. Aber die Auftragserteilungen mußten die Beteiligten nunmehr im Licht der Beschlüsse und Empfehlungen der Konferenz der Hörfunk-Programmdirektoren vom 17./18. August 1977 und der Konferenz der Intendanten der in der ARD zusammengeschlossenen Sendeanstalten vom 14./15. September 1977 sehen, die nach Maßgabe von Vorschlägen der Arbeitsgruppe Honorare und Lizenzen vom 23. Oktober 1975 eine Einbeziehung der Fremdreportagen in die Aufgaben der von den festangestellten Reportern ihrer Heimatanstalt geschuldeten Produktionshilfe für andere Anstalten der ARD, insbesondere ihre Abgeltung durch das von der Heimatanstalt bezahlte Gehalt anstrebten.
Die Arbeitsgruppe Honorare und Lizenzen hatte unter Punkt 2 ihres Arbeitspapiers vom 23. Oktober 1975 zu diesem Fragenkreis folgendes vorgeschlagen:
„Der Auftrag zur Berichterstattung über ein Sportereignis hat sowohl an fest angestellte wie an freie Mitarbeiter so umfassend zu erfolgen, daß die gesamte Berichterstattung über dieses Sportereignis unabhängig
sowohl für die eigene auftraggebende Anstalt als auch für andere Anstalten, die Exklusiv- Beiträge anfordern, darunterfällt und mit der gezahlten Vergütung (Gehalt, Honorar) abgegolten ist (sog. „Flächenauftrag”). Die Zahlung von Exklusiv-Honoraren anläßlich der Berichterstattung über ein Sportereignis entfällt. Die Redaktion der auftraggebenden Anstalt hat das Recht, nicht mehr zumutbare Exklusiv-Beiträge bei übergroßer Belastung des einzelnen Berichterstatters abzulehnen (Anforderungen über die Dispositionen der Heimatanstalt).
- Für den Festangestellten ist die Vertragslage mit seiner Heimatanstalt maßgebend. Gegebenenfalls ist dieser Vertrag entsprechend zu ergänzen … Im Regelfall kann man jedoch davon ausgehen, daß die Festangestellten bei der Erfüllung von Exklusiv-Wünschen anderer Anstalten anläßlich der Berichterstattung über ein Sportereignis im Rahmen der Produktionshilfe tätig werden, die ihre Heimatanstalt gewährt. Die Übernahme von Beiträgen oder Exklusiv-Beiträgen durch andere Anstalten sind bei Festangestellten durch das von der Heimatanstalt gezahlte Gehalt abgegolten. Reisekosten und Spesen werden über die Heimatanstalt abgerechnet.
Für die freien Mitarbeiter ist der Auftrag zur Berichterstattung über ein Sportereignis entsprechend umfassend festzulegen ….
Um für die Verpflichtung zur umfänglichen Berichterstattung (incl. Erfüllung von Exklusiv-Wünschen anderer Anstalten, auch für Magazinsendungen) einen angemessenen und gerechten Ausgleich zu schaffen, kann die auftraggebende Anstalt auf das übliche Honorar einen Zuschlag bis zu 100 % vornehmen. Mit dieser Gesamtvergütung ist – wie beim Gehalt des Festangestellten – die gesamte Berichterstattung abgegolten. Reisekosten und Spesen werden über die den Honorarvertrag abschließende Anstalt abgerechnet.
Punkt 3: Kostenverrechnung:
Die mit dem „Flächenauftrag” erreichte Verfahrensweise mag zu einer gewissen Kostenmehrbelastung derjenigen Anstalten führen, in deren Bereich eine Häufung von Sportereignissen erfolgt. Da aber andererseits eine klare verwaltungsmäßige Abwicklung und eine Doppel- oder Mehrfach-Honorierung (für Exklusiv- und Magazin-Beiträge) vermieden wird, wird empfohlen, entsprechend dem Grundgedanken der Kostenverrechnungsrichtlinien unter dem Gesichtspunkt der Produktionshilfe von einer Kostenverrechnung unter den Anstalten abzusehen und auftretende Mehrbelastungen im Interesse einer Gesamtlösung hinzunehmen. …”
Unter Bezugnahme auf diese Vorschläge hatte die Hörfunk-Programmkonferenz vom 17./18. August 1977 folgendes beschlossen:
„Punkt 4:
1) Die Hörfunk-Programmkonferenz ist einverstanden, die Vorschläge vom 23.10.1975 über die Honorierung von Sport-Reportagen ab 1.1.1978 anzuwenden.
2) …
3) „Festangestellte” sollen grundsätzlich über die Veranstaltung, zu der sie entsandt sind, ähnlich dem Beispiel der Auslandskorrespondenten, zu umfassender Berichterstattung verpflichtet sein. Exklusiv-Wünsche von Anstalten, die zu einer unzumutbaren Belastung des Reporters führen würden, können zurückgewiesen werden.
4) Es soll danach versucht werden, nach Möglichkeit die derzeit gesondert und mit vollem Satz honorierten Exklusiv- Beiträge wesentlich einzuschränken. Es wird jedoch darauf hingewiesen, daß in begründeten Ausnahmefällen Exklusivbeiträge im regionalen Senderihteresse möglich sein müssen.”
Auf dieser Grundlage hatte die Intendantenkonferenz vom 14./15. September 1977 folgenden Beschluß gefaßt:
„Festangestellte sollen grundsätzlich, ähnlich dem Beispiel der Auslandskorrespondenten, zu umfassender Berichterstattung über die Veranstaltung, zu der sie entsandt sind, verpflichtet sein. Exklusiv-Wünsche von Anstalten, die zu einer unzumutbaren Belastung des Reporters führen, können zurückgewiesen werden. Pur Einzelheiten wird auf Ziffer 4 des Protokolls der Konferenz (der Hörfunk- Programmdirektoren) verwiesen.”
Aus alldem ergibt sich, daß die bisherige Praxis für Fremdreportagen nach den Vorstellungen der Anstalten ab 1. Januar 1978 dahin geändert werden sollte: Grundsätzlich sollte den Wünschen nach „Exklusiv-Beiträgen” über von der Heimatanstalt dem Reporter erteilte „Flächenaufträge”, die Haus- und Fremdreportagen umschließen sollten, entsprochen werden. Für festangestellte Reporter sollte damit die Fremdreportage zu einer als Produktionshilfe von ihrer Heimatanstalt der anfordernden Anstalt geleisteten Berichterstattung werden, die sie ihrer Heimatanstalt aufgrund des Anstellungsvertrages zu erbringen hatten und die mit ihrem Gehalt abgegolten war. Von einer Belastung mit Kosten der Berichterstattung sollte die anfordernde Anstalt freigestellt bleiben. Nach diesen Vorstellungen, die sich der Beklagte offensichtlich zu eigen gemacht hat, sollte die Abwicklung von Fremdreportagen ab 1978 demnach sehr wohl geändert werden. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger vom Beschluß der Intendantenkonferenz vom 14./15. September 1977 seit November 1977 Kenntnis gehabt.
b) Gleichwohl konnte das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler davon ausgehen, daß für die nach 1977 von dem Beklagten bestellten früheren Fremdreportagen die Frage, ob der Kläger für die Reportagen eine besondere Vergütung beanspruchen konnte oder nicht, einer rechtlichen Klärung vorbehalten bleiben sollte. Für solche Regelung sprach insbesondere die Interessenlage.
aa) Die zuständigen Gremien waren in ihren Empfehlungen und Beschlüssen davon ausgegangen, daß „im Regelfall” von den festangestellten Reportern ohne Änderung ihrer Anstellungsverträge die Erfüllung von Fremdreportagen umfassenden „Flächenaufträgen” ohne zusätzliche Vergütung verlangt werden konnte. Erforderlichenfalls sollte der Anstellungsvertrag entsprechend ergänzt werden. Offengeblieben war, wie von den Anstalten verfahren werden sollte, wenn auf diesem Weg die Überführung von Fremdreportagen in eine Berichterstattung ohne zusätzliche Vergütung nach der Vertragslage nicht möglich war; jedenfalls war diese Fallgestaltung in den zur Kenntnis gebrachten Protokollen nicht hinreichend deutlich angesprochen. Diesen ließ sich insbesondere nicht entnehmen, daß in einem solchen Fall – etwa in Anlehnung an die für freie Mitarbeiter vorgesehene Regelung – eine notwendige Anhebung des Gehalts der festangestellten Reporter etwaigen Absprachen zwischen diesen mit ihrer Heimatanstalt überlassen und die Heimatanstalt mit den Kosten belastet bleiben sollte. Wenn hieran gedacht worden wäre, hätte das sicher Erwähnung gefunden, zumal eine Fallgestaltung betroffen war, die das erklärte Ziel der Beschlüsse, Kosten für Fremdreportagen einzusparen, in Gefahr brachte. Auch die Revision beruft sich auf solchen Lösungsweg nicht.
bb) Dem Beklagten und den anderen Sendeanstalten der ARD war, wie das Berufungsgericht unangegriffen feststellt, bekannt, daß die Sportreporter nicht gewillt waren, freiwillig auf eine besondere Vergütung von Fremdreportagen in Zukunft zu verzichten. Für alle Beteiligten ersichtlich stand deshalb als Schlüsselfrage im Raum, ob nach der Vertragslage die Aufgabe der bisherigen Praxis auch gegen den Willen der Reporter von den Anstalten einseitig durchgesetzt werden konnte. Zu dieser Rechtsfrage war in den Beschlüssen, obwohl in ihnen die Vertragslage als maßgebender Ausgangspunkt ausdrücklich hervorgehoben worden war, keine klare Stellung bezogen worden. Die dort vertretene Ansicht, im Regelfall könne man davon ausgehen, daß Fremdreportagen der vom Anstellungsvertrag erfaßten und durch das Gehalt abgegoltenen Produktionshilfe zuzurechnen sei, ist deutlich von Zurückhaltung geprägt.
Andererseits konnte der Beklagte die Bestellung von Fremdreportagen nicht bis zu einer Einigung über die umstrittene Frage zurückstellen; auch das lag für alle Beteiligten auf der Hand.
cc) Bei dieser Sachlage war es deshalb interessengemäß, den infrage stehenden Bestellungen des Beklagten und dem Sicheinlassen des Klägers auf sie eine rechtliche Bedeutung beizumessen dahingehend, daß unbeschadet einer rechtsgeschäftlichen Bindung im übrigen die Vergütungsfrage in der einen oder anderen Richtung noch nicht präjudiziert, sie vielmehr für eine spätere Klärung nach Maßgabe der zwischen dem eingesetzten Reporter und seiner Heimatanstalt bestehenden Vertragslage zunächst offen bleiben sollte. An solchem objektiven Erklärungsinhalt muß sich der Beklagte nach Treu und Glauben festhalten lassen; unter den gegebenen Umständen konnte er nicht erwarten, der Kläger werde die Klärung des Streitpunkts als eine Angelegenheit allein zwischen sich und seiner Heimatanstalt ansehen, die den Beklagten nunmehr nichts mehr angehe. Vielmehr durfte sich der Kläger nach Treu und Glauben auf den Standpunkt stellen: wenn er trotz der offenkundigen Differenzen sich der Bestellung angesichts der Sachzwänge nicht verweigere, werde auch der Beklagte ihn nicht mit den Unklarheiten der Neuregelung allein lassen, sondern sich nach der bisherigen Praxis behandeln lassen, sofern und soweit die Neuregelung angesichts der mit der Heimatanstalt des Klägers bestehenden Vertragslage nicht durchsetzbar sein sollte. Denn daß der Beklagte auch in diesem Fall von einer besonderen Vergütung befreit sein, diese vielmehr von der Heimatanstalt des Klägers bezahlt werden sollte, ergab sich, wie schon gesagt, weder eindeutig aus den Beschlüssen noch aus den dazu abgegebenen Stellungnahmen der Beteiligten, sondern mußte für den Kläger eher fern liegen.
Einen anderen Erklärungswert mußte der Kläger entgegen der Auffassung der Revision auch nicht der Tatsache entnehmen, daß der Beklagte die Reportagen nicht bei ihm, sondern beim H. Rundfunk angefordert hat. Ebenso war, wie dargelegt, bereits früher verfahren worden, ohne daß dadurch für die frühere Praxis ein Honoraranspruch des Klägers unmittelbar gegen den Beklagten infrage gestellt wurde.
Schließlich ist es auch aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht den infrage stehenden Bestellungen trotz Ausklammerung der Vergütungsfrage vertragliche Bindungswirkung beigemessen hat. Es entsprach der Sach- und Interessenlage, die Bestellungen ungeachtet des offenen Dissenses nicht im vertragslosen Raum abzuwickeln. Unter den gegebenen besonderen Verhältnissen steht der Dissens einer Vertragsbindung und einer Festsetzung der Vergütung nach der gesetzlichen Regelung, notfalls nach der Billigkeit, nicht entgegen (vgl. dazu BGHZ 41, 271, 275; Kramer, MünchKomm. § 154 Rdnr. 7; Soergel/Lange/Hefermehl, BGB 11. Aufl. § 154 Rdnr. 7).
3. Entgegen der Auffassung der Revision kommt es nach allem im Streitfall auf die Vertragslage des Klägers zu seiner Heimatanstalt, dem H. Rundfunk an.
Im Ergebnis hält die Auffassung des Berufungsgerichts, daß nach dem Anstellungsvertrag des Klägers mit seiner Heimatanstalt diese die Fremdreportagen nicht gegen dessen Willen als mit dem Gehalt abgegoltene Tätigkeit behandeln konnte, revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Insbesondere verstößt es nicht gegen die maßgebenden Auslegungsgrundsätze (§§ 133, 157, 242 BGB), daß das Berufungsgericht der von 1969 bis 1978 durchweg geübten allgemeinen Praxis, Fremdreportagen als von der bestellenden Anstalt dem Sportreporter besonders zu vergütende Tätigkeit anzusehen, maßgebenden Einfluß für den Umfang der vom Gehalt abzugeltenden Aufgaben des festangestellten Sportreporters beigemessen hat.
Die bisher höchstrichterlich noch nicht entschiedene Streitfrage, ob eine langjährige Betriebsübung als vertragliche Vereinbarung, als Konkretisierung der Treu- und Fürsorgepflichten des Dienstherrn oder als Vertrauenstatbestand den Inhalt von Anstellungsverträgen mitbeeinflußt (zum Meinungsstand vgl. etwa BAG Urteil vom 5. Februar 1971 – 3 AZR 28/70 = AP Nr. 10 zu § 242 BGB – betriebliche Übung = NJW 1971, 1422; vom 1. März 1972 – 4 AZR 200/71 = AP Nr. 11 zu § 242 BGB – betriebliche Übung, m. Anm. Seiter = NJW 1972, 1248, jeweils m.w.Nachw.), braucht der erkennende Senat auch im vorliegenden Rechtsstreit nicht zu entscheiden. Hier hat die Heimatanstalt des Klägers, der H. Rundfunk, seit 1969 bis 1978 Fremdreportagen – sei es der Hausreporter für andere Sendeanstalten der ARD, sei es der Reporter anderer Sendeanstalten für den eigenen Sendebereich – immer als vom Gehalt nicht mit abgegoltene, besonders zu vergütende Tätigkeit behandelt. Entsprechend hat sie stets solche Aufträge an den Kläger, der in dieser Weise sehr oft auch für den Beklagten tätig geworden ist, über ihre Sportredaktion als vergütungsmäßig „fremde” Reportagetätigkeit weitergegeben. Sie hat damit ihre Auslegung des Anstellungsvertrags des Klägers in diesem Punkt eindeutigzu erkennen gegeben; ein etwaiger Vorbehalt gegen die Handhabung ist bis 1978 nie hervorgetreten. An dieser Auslegung, auf die sich der Kläger eingerichtet hat, muß sie sich nach Treu und Glauben festhalten lassen; prinzipiell kann sie sich von ihr nicht einseitig gegen den Willen des Klägers lösen, sondern nur aufgrund einer den Anstellungsvertrag abändernden Vereinbarung mit ihm; an dieser fehlt es hier. Ob eine Vertragsänderung für die Zukunft auch auf dem Weg über eine kollektive Betriebsvereinbarung möglich ist, kann dahinstehen, da auch eine solche Vereinbarung für den hier maßgebenden Zeitraum nicht festzustellen ist. Auch die Revision hat anderes nicht geltend gemacht.
Aus der ständigen Praxis, Fremdreportagen der damit befaßten festangestellten Sportreporter besonders zu vergüten, ist keine (negative) Abgrenzung der Aufgaben des Reporters gegenüber seiner Heimatanstalt zu entnehmen, wie das Berufungsgericht annimmt. Dem Interesse seiner Heimatanstalt, die auf „Fremdreportagen” von Reportern anderer Anstalten der ARD ebenso angewiesen ist wie der Beklagte, entspricht es vielmehr, daß sie selbst ihre eigenen festangestellten Reporter zu „Fremdreportagen” für andere Sendeanstalten aufgrund des Anstellungsvertrags heranziehen kann. Aber durch die ständige Praxis sind die Vergütungsabreden dahin abgegrenzt, daß Fremdreportagen nicht bereits durch das Gehalt abgegolten, sondern zusätzlich zu honorieren sind. Die Heimatanstalt des Klägers war nicht in der Lage, diese Regelung einseitig dadurch abzuändern, daß sie diese stets zusätzlich vergütete Tätigkeit zu nicht besonders zu honorierenden Aufgaben der Programmhilfe erklärte. Diese Vertragslage gegenüber seiner Heimatanstalt kann der Kläger nach den vorstehenden Ausführungen auch dem Beklagten entgegensetzen. Sie bedeutet, daß der Beklagte dem Kläger die infrage stehenden Reportagen nach der bis 1978 geltenden Praxis besonders vergüten muß.
4. Die Gewährleistung der Rundfunkfreiheit in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Insbesondere sind die Beschränkungen, die den beteiligten Rundfunkanstalten für eine Abänderung der Vertragslage hier aufgegeben sind, nicht mit dem Konflikt zwischen ihrem Grundrecht, bei der Auswahl, Einstellung und Beschäftigung von Mitarbeitern dem Auftrag zur Programmvielfalt Rechnung tragen zu können, und deren arbeitsrechtlichem Bestandsschutz vergleichbar, der der von der Revision ins Feld geführten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Januar 1982 – 1 BvR 848/77 u.a. = BVerfGE 59, 231, 257 ff = NJW 1982, 1447 zugrundegelegen hat (a.A. Sieger AfP 1982, 208 ff). Die Freiheit der Rundfunkanstalten, über Art und Dauer des Einsatzes der die Sendungen inhaltlich mitgestaltenden Personen zu bestimmen, ist unmittelbar nicht infrage gestellt: weder ist der Beklagte gehindert, in Zukunft auf die Mitarbeit des Klägers zu verzichten, noch ist ihm oder dem H. Rundfunk verwehrt, in der ihnen geeignet erscheinenden Weise den Kläger zu Reportagen. für den Beklagten heranzuziehen. Gehindert sind die beteiligten Rundfunkanstalten nach dem zuvor Gesagten nur daran, den Kläger gegen seinen Willen zu veranlassen, ihnen seine bisher immer besonders honorierten Dienste inhaltlich unverändert, nunmehr aber ohne zusätzliche Vergütung zur Verfügung zu stellen. Das Erfordernis eines vertraglichen Konsenses für solche Änderung der Vergütungsvereinbarungen ist auch im Lichte der Wertentscheidungen des Grundgesetzes keine unangemessene Beschränkung der Rundfunkanstalten; diesen allgemeinen Regeln der Vertragsordnung sind auch sie verpflichtet (Art. 5 Abs. 2 GG). Von den Schranken, die die damit verbundene finanzielle Belastung der Programmgestaltung setzt, stellt Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG die Rundfunkanstalten auch dann nicht frei, wenn sie – wie hier auf die Vielzahl der in Betracht kommenden Reporterverträge gesehen – besonders fühlbar sein mögen.
5. Da das Berufungsurteil auch im übrigen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Beklagten erkennen läßt, erweist sich die Revision des Beklagten als unbegründet.
Unterschriften
Dr. Hiddemann, Dunz, Dr. Steffen, Dr. Kullmann, Dr. Ankermann
Fundstellen
Haufe-Index 1237716 |
Nachschlagewerk BGH |
AfP 1983, 272 |