Leitsatz (amtlich)
›1. Ein Urteil ist wirksam verkündet, wenn im Protokoll die Verkündung des "anliegenden Urteils" vermerkt ist, ohne daß die Form der Verkündung (Verlesen der Urteilsformel oder Bezugnahme) genannt ist.
2. Das Protokoll erbringt auch dann Beweis für eine wirksame Urteilsverkündung, wenn ihm anstatt der im Zeitpunkt der Verkündung vorliegenden schriftlichen Urteilsformel nachträglich das vollständige Urteil als Anlage beigefügt worden ist.‹
Verfahrensgang
Tatbestand
Durch Urteil des Landgerichts vom 3. Juli 1992 ist der Beklagte zur Zahlung von 47.400,04 DM nebst Zinsen verurteilt worden.
Im Protokoll vom 3. Juli 1992 ist vermerkt, daß "anliegendes Endurteil" verkündet worden sei. Im Zeitpunkt der Verkündung lag das nachträglich als Anlage dem Protokoll beigefügte vollständige Urteil noch nicht vor. Das Urteil wurde dem Beklagten am 26. Februar 1993 zugestellt.
Die gegen dieses Urteil vom Beklagten am 26. März 1993 eingelegte Berufung hat das Oberlandesgericht wegen Versäumung der Berufungsfrist als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Revision des Beklagten.
Entscheidungsgründe
Das nach § 547 ZPO zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.
Entgegen der Auffassung der Revision war die Verkündung des landgerichtlichen Urteils am 3. Juli 1992 wirksam, so daß die Fristen aus § 516 ZPO in Lauf gesetzt worden sind: Die Berufungsfrist lief am 3. Januar 1993 ab. Die erst am 26. März 1993 eingelegte Berufung war daher unzulässig.
1. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß die gemäß § 516 ZPO mangels vorheriger Zustellung des vollständigen Urteils nach Ablauf von fünf Monaten beginnende Berufungsfrist nur in Lauf gesetzt worden ist, wenn das Urteil vom 3. Juli 1992 wirksam verkündet wurde, weil anderenfalls mangels Verlautbarung kein Urteil im Rechtssinne vorgelegen hätte (BGHZ 14, 39, 44; BGH, Urteil vom 2. März 1988 - IVa ZB 2/88 - NJW 1988, 2046; Zöller/Stöber, 18. Aufl., § 160 ZPO Rdn. 11).
An einer wirksamen Verlautbarung des Urteils fehlt es nicht deshalb, weil das Protokoll vom 3. Juli 1992 nicht ausweist, in welcher der beiden nach § 311 Abs. 2 und 4 Satz 2 ZPO hier möglichen Formen das Urteil verkündet worden ist. Dem Erfordernis des § 160 Abs. 3 Nr. 7 ZPO ist Genüge getan, wenn das Protokoll den Vermerk enthält, daß das - "anliegende Urteil verkündet" worden ist. Wegen der Gleichwertigkeit beider Verlautbarungsformen steht es der Wirksamkeit der Verkündung auch nicht entgegen, wenn das noch nicht vollständig abgefaßte Urteil statt durch Verlesen des Tenors durch Bezugnahme auf die schriftlich vorliegende Urteilsformel verkündet worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 16. Oktober 1984 - VI ZR 205/83 - NJW 1985, 1782, 1783; BGH, Urteil vom 6. Dezember 1988 - VI ZB 27/88 - NJW 1989, 1156, 1157; MünchKomm-ZPO/Peters, § 160 Rdn. 14).
2. Durch das Protokoll vom 3. Juli 1992 ist die Beachtung der für die Wirksamkeit der Verkündung wesentlichen Förmlichkeiten bewiesen (§ 165 ZPO).
Die Niederschrift erbringt Beweis dafür, daß das Urteil auf der Grundlage einer schriftlich abgefaßten Urteilsformel verkündet worden ist. Dem steht nicht entgegen, daß das dem Protokoll nachträglich als Anlage beigeheftete vollständige Urteil im Zeitpunkt der Verkündung noch nicht vorlag, die Anlage also nicht mit der schriftlich abgefaßten Urteilsformel identisch ist, die der Verkündung zugrunde lag. Das folgt bereits aus der in § 160 a Abs. 2 ZPO vorgesehenen Möglichkeit, ein Protokoll mit der Beweiskraft nach § 165 ZPO nachträglich herzustellen. Soweit dies nicht unverzüglich geschieht, wird dadurch die Beweiskraft nicht beeinträchtigt (vgl. BGH, Urteil vom 16. Oktober 1984 aaO.; MünchKomm-ZPO/Peters, § 160 a Rdn. 3; Zöller/Stöber, aaO., § 160 a ZPO Rdn. 4).
Der unstreitige Umstand, daß im Zeitpunkt der Verkündung das Urteil nicht vollständig abgefaßt vorlag und nachträglich dem Protokoll ein vollständiges Urteil als Anlage beigeheftet worden ist, ist nicht geeignet, gegen seinen die Verkündung betreffenden Inhalt den Nachweis der Fälschung (§ 165 Satz 2 ZPO) zu erbringen; die Verkündung des Urteils in jeder Verlautbarungsform geschieht nur auf der Grundlage der Urteilsformel; Tatbestand und Entscheidungsgründe sind dabei ohne Bedeutung.
Fundstellen
Haufe-Index 2993292 |
BB 1995, 1277 |
BB 1995, 1377 |
NJW 1994, 3358 |
BGHR ZPO § 160 Abs. 3 Nr. 7 Urteil 3 |
BGHR ZPO § 165 Satz 1 Beweiskraft 2 |
BGHR ZPO § 311 Urteilsverkündung 1 |