Leitsatz (amtlich)
Macht der Käufer eines Hausgrundstücks geltend, der Verkäufer habe ihn sittenwidrig übervorteilt, und hält er gleichwohl an dem wegen Sittenwidrigkeit nichtigen Vertrage fest, so hat er nur Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens; er kann seinen Schaden dann nicht nach dem Erfüllungsinteresse berechnen und Ersatz des Betrages verlangen, um den er das Haus infolge der Übervorteilung zu teuer erworben hat.
Normenkette
BGB §§ 138, 138 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 20.09.1994) |
LG München II |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 20. September 1994 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als er auf die Klage verurteilt worden ist.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Mit notariellem Vertrag vom 21. Januar 1991 kaufte die Klägerin mit ihrem Ehemann vom Beklagten für 480.000 DM 45/100 Miteigentumsanteil an einem bebauten Grundstück verbunden mit dem Sondereigentum an einer etwa 1940 errichteten „Doppelhaushälfte”, die sie nach dem Erwerb für 1.600 DM monatlich vermieteten. Am 30. August 1993 verkauften sie das Objekt für 410.000 DM.
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Wert des Hauses habe bei Vertragsschluß nur 270.500 DM betragen. Sie hat aus eigenem und abgetretenem Recht vom Beklagten wegen des überhöhten Kaufpreises die Zahlung von 209.500 DM verlangt. Dieser hat (zuletzt) widerklagend den Ersatz der Kosten des Einbaus einer Heizung und des Gasanschlusses in Höhe von 17.581,45 DM verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und die Klägerin und ihren Ehemann auf die (frühere) Widerklage des Beklagten antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht nach Beweiserhebung diese Entscheidung hinsichtlich der Klage aufgehoben und den Beklagten zur Zahlung von 209.500 DM verurteilt sowie die Widerklage gegen die Klägerin und ihren Ehemann nicht zugelassen und abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des Beklagten, der die Abweisung der Widerklage hinnimmt. Die Klägerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hält den notariellen Vertrag für nichtig, weil wegen des überhöhten Kaufpreises ein besonders grobes Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestehe. Der Vertragsschluß zu diesen Bedingungen beruhe auf einer schuldhaften Verletzung vorvertraglicher Pflichten durch den Beklagten, der die Käufer nicht über den wirklichen Wert des Hauses aufgeklärt habe. Er habe deshalb der Klägerin den Betrag, um den die Käufer im Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben des Beklagten das Haus zu teuer erworben hätten, und die entsprechend höheren Erwerbskosten zu ersetzen. Diesen Schadensersatzanspruch der Klägerin errechnet das Berufungsgericht mindestens in Höhe der Klageforderung.
Dies hält der rechtlichen Prüfung nicht stand.
II.
1. Zu Recht nimmt das Berufungsgericht allerdings an, daß der Kaufvertrag nichtig sei, weil der Wert des Hauses bei Vertragsschluß lediglich 235.000 DM betragen habe.
a) Ein Rechtsgeschäft kann nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig sein, wenn das Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung so kraß ist, daß allein daraus schon auf eine verwerfliche Gesinnung des begünstigten Vertragspartners zu schließen ist. Für das Vorliegen eines auffälligen Mißverhältnisses von Leistung und Gegenleistung und die daran anknüpfende Vermutung der verwerflichen Gesinnung kommt es allein auf die objektiven Werte dieser Leistungen an (BGH, Urt. V. 20. April 1990, V ZR 256/88, NJW-RR 1990, 950 m.w.N.).
b) Ein solches Mißverhältnis liegt nach der Rechtsprechung des Senats bei der hier in Rede stehenden Höhe des Kaufpreises (vgl. BGH, Urt. v. 18. Januar 1991, V ZR 171/89, NJW-RR 1991, 589; Palandt/Heinrichs, BGB 54. Aufl. § 138 Rdn. 34, jeweils m.w.N.) selbst dann noch vor, wenn man – wie die Revision geltend macht – auch die „zusätzliche” Leistung des Beklagten in Höhe des von den Käufern in Anspruch genommenen „Miet/Zinszuschusses”, nämlich die nach Vertragsabschluß gezahlten 23.800 DM anrechnet. Dann verbietet es sich allerdings, die vom Beklagten zugesagte „Mietgarantieverpflichtung” von 1.600 DM im Monat nochmals als „zusätzliche” Leistung des Beklagten in Anrechnung zu bringen, wie es die Revision vertritt.
c) Rechtsfehlerfrei ist auch, daß das Berufungsgericht dem Sachverständigen folgend einen Wert des Hauses von 250.000 DM angenommen hat. Wer die Kosten der später eingebauten Heizungsanlage, die das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung mit 15.000 DM in Abzug gebracht hat, letztlich zu tragen hat, ist zwischen den Parteien offen geblieben. Der Beklagte hatte sie mit der Widerklage den Käufern angelastet. Wenn die Revision meint, in der hingenommenen Abweisung der Widerklage sei eine zusätzliche Leistung der Beklagten zu sehen, kann sie damit keinen Erfolg haben. Dies ändert nichts an dem bei Vertragsabschluß (vgl. Palandt/Heinrichs § 138 Rdn. 9 m.w.N.) gegebenen Mißverhältnis, sondern kann nur im Rahmen der Schadensberechnung berücksichtigt werden.
Ferner kann der Revision nicht gefolgt werden, soweit sie die Bewertungsmethoden des Sachverständigen in Frage stellt. Die inzwischen beseitigten Mängel und Schäden hat er aus einem früheren Privatgutachten entnommen. Das Vorliegen dieser wertmindernden Umstände hat der Beklagte nicht hinreichend bestritten. Damit war die Berücksichtigung dieser Mängel nicht fehlerhaft, da andere Erkenntnismöglichkeiten nicht mehr zur Verfügung standen und von der Revision auch nicht aufgezeigt werden.
Schließlich sind die ergänzenden Ausführungen des Sachverständigen zum angewendeten Sachwertverfahren überzeugend. Die Anwendung des Ertragswertverfahrens kam nicht in Betracht, weil der Erwerb eines derartigen Objekts zur Kapitalanlage nicht interessant ist. Wenn die Revision insoweit den vom Beklagten „versprochenen” Mietertrag von 1.600 DM im Monat als Ausgangspunkt nehmen will, verkennt sie, daß dieser Ertrag schon nach den eigenen Vorstellungen des Beklagten jedenfalls nicht auf Dauer zu erzielen war und nur für eine gewisse Zeit durch die „Rückzahlung” aus dem Kaufpreis vorgetäuscht werden sollte.
Soweit die Revision in diesem Zusammenhang geltend macht, der Beklagte habe für 1.596.500 DM den Erwerbern ein „Gesamtpaket”, nämlich die „Doppelhaushälfte” und zwei Eigentumswohnungen verkauft, bei einer „Gesamtwürdigung” liege deshalb zwischen den beidseitigen „Gesamtleistungen” kein Mißverhältnis mehr vor, kann sie ebenfalls keinen Erfolg haben. Maßgeblich sind allein die Wertverhältnisse hinsichtlich des hier in Rede stehenden Vertragsobjektes für das ein Kaufpreis von 480.000 DM vereinbart und von Anfang an vorgesehen war.
d) Zu Unrecht meint die Revision, der subjektive Tatbestand des § 138 Abs. 1 BGB sei vom Berufungsgericht nicht rechtsfehlerfrei festgestellt worden. Der Beklagte war als Immobilienhändler, Makler und Anlageberater tätig und kannte den Kaufgegenstand. Zur Widerlegung der sich aus dem objektiven Wertverhältnis ergebenden Vermutung seiner „verwerflichen Gesinnung” (BGH, Urt. v. 8. November 1991, V ZR 260/90, NJW 1992, 899, 900) vermag die Revision nichts Überzeugendes aufzuzeigen. Allein durch ihren Hinweis auf mögliche Motive der Parteien wird diese Vermutung nicht entkräftet (BGH, Urt. v. 12. Dezember 1986, V ZR 100/85, WM 1987, 353, 354).
2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist jedoch aus anderen Gründen fehlerhaft. Der Klägerin wird unter anderem der Betrag, um den die Käufer im Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben des Beklagten das Objekt zu teuer erworben haben, als Schadensersatz zugesprochen. Dies zielt auf das Erfüllungsinteresse ab und setzt damit einen wirksamen Vertrag und das Festhalten an ihm voraus (vgl. BGH, Urt. v. 8. Dezember 1988, VII ZR 83/88, NJW 1989, 1793, 1794). Die Klägerin hat aber das Kaufobjekt während des Rechtsstreits weiterverkauft und die Nichtigkeit des Vertrages geltend gemacht, von der auch das Berufungsgericht zu Recht ausgeht. Die Käufer sind im Rahmen eines auch dann möglichen Schadensersatzanspruchs aus schuldhafter Verletzung vorvertraglicher Rücksichtnahmepflichten gegenüber dem Vertragspartner auf die Geltendmachung eines Vertrauensschadens beschränkt. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Meinung des Berufungsgerichts auch nicht aus BGHZ 99, 101, 106 ff.
3. Das Berufungsurteil kann daher nicht aufrechterhalten werden. Es ist aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei werden die Parteien Gelegenheit haben, ihren Vortrag zur Berechnung eines Vertrauensschadens zu ergänzen.
Unterschriften
Hagen, Vogt, Tropf, Schneider, Krüger
Fundstellen
Haufe-Index 1760248 |
BB 1996, 1353 |
NJW 1996, 1204 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1996, 638 |
DNotZ 1996, 983 |