Entscheidungsstichwort (Thema)
Entnahmerecht der Gesellschafter einer GmbH. Kapitalerstattung durch ausgeschiedenen Gesellschafter einer GmbH
Leitsatz (amtlich)
Ist ein ausgeschiedener Gesellschafter der GmbH nach GmbHG § 31 zur Erstattung haftenden Kapitals verpflichtet, wäre ihm aber der nunmehrige Allein-Gesellschafter der GmbH regreßpflichtig, so kann diese nach Treu und Glauben den Ausgeschiedenen erst dann in Anspruch nehmen, wenn sie von ihrem Allein-Gesellschafter nichts zu erlangen vermag.
Orientierungssatz
Die Gesellschafter einer GmbH sind rechtlich in der Lage, nicht nur die Gewinne, sondern auch das übrige Vermögen der Gesellschaft auf sich zu übertragen, wenn sie sich einig sind und nicht zum Nachteil der Gläubiger gegen Kapitalerhaltungsvorschriften verstoßen.
Tatbestand
Die Klägerin ist eine Planungsgesellschaft für elektrische Anlagen. Im Jahre 1976 betrug ihr Stammkapital DM 150.000. Der Beklagte hielt einen Geschäftsanteil von DM 120.000, sein Mitgesellschafter K einen Anteil von DM 30.000. Beide Gesellschafter waren zugleich Geschäftsführer der Klägerin. Im September 1976 trennte sich der Beklagte von der Klägerin. Er wurde mit Gesellschafterbeschluß vom 18. September 1976 als Geschäftsführer abberufen, sein Mitgesellschafter K wurde Alleingeschäftsführer und erwarb durch notariellen Vertrag vom gleichen Tage den Geschäftsanteil des Beklagten für DM 12.000. Der notarielle Vertrag bestimmte weiter:
„Die Abtretung des Geschäftsanteils von 120.000 DM erfolgt mit Wirkung vom 30. September 1976. Das Gewinnbezugsrecht geht ab 1. Oktober 1976 für die abgetretenen Geschäftsanteile auf den Erwerber über.
Der Gewinn und Verlust für die Zeit bis zum 30.9.1976 wird nach dem bisherigen Schlüssel (B 80 % – K 20 %) verteilt.
Die Bezahlung des Kaufpreises erfolgt dadurch, daß Herr K an Herrn B seinen Anspruch auf je 20 % folgender Honorarforderungen abtritt, die z.Zt. gegen die Schuldner geltend gemacht werden, nämlich Architekt R. v. S-Ffm (Universität L, Hauptauftrag und evtl. Nachberechnung für Flächenerweiterung) sowie Fa. WBG-S in E. Die Abtretung ist begrenzt mit 12.000 DM. Bis zum Eingang dieses Betrages ist die Kaufpreisforderung gestundet.”
Ferner schlossen K und der Beklagte einen privatschriftlichen Auseinandersetzungsvertrag vom gleichen Tage. Er bestimmt unter Ziff. 5 (Außenstände):
„Die Forderungen gegen Architekt v. S
- aus dem Objekt L und die WBG-S
- aus dem Objekt W werden so verrechnet,
wie zu – UR 137/76 – des Notars Dr. P. H vom heutigen Tage vereinbart.
- Die Forderungen gegen C E. P sowie das Seniorenzentrum A werden von Rechtsanwalt Dr. H eingezogen und im Verhältnis 80 % B und 20 % K aufgeteilt.”
Auf die vorstehend genannten Forderungen der Klägerin zahlten die Schuldner insgesamt 312.575,30 DM. Davon gingen 40.531,15 DM an die Klägerin; die übrigen Beträge erhielt der Beklagte. Nach Verrechnung einer Forderung des Beklagten gegen die Klägerin in Höhe von 92.141,03 DM klagt die Klägerin 179.903,12 DM ein.
Das Landgericht hat der Klage bis auf 16.815,99 DM stattgegeben; das Berufungsgericht hat sie insgesamt abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
1. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung der Klägerin gegen den Beklagten verneint, weil dieser den Gegenwert der Forderungen nicht durch Leistung der Klägerin, sondern seines ehemaligen Mitgesellschafters K erhalten habe; der Beklagte habe bis zum 30. September 1976 an den Gewinnen und damit an den in diesem Zeitpunkt vorhandenen Forderungen der GmbH beteiligt sein sollen; das habe nach seinem Ausscheiden nur dadurch verwirklicht werden können, daß K, sobald er die Gewinne aus den Altforderungen erhalten habe, 80 % an den Beklagten weitergeleitet habe. Diese Ausführungen beruhen auf der falschen Annahme, die von den Schuldnern erbrachten Tilgungsleistungen und die Gewinne seien identisch, sowie der unrichtigen rechtlichen Überlegung, die Gesellschafter könnten, auch wenn sie sich einig seien, nur Gewinne entnehmen. Dieser Standpunkt des Berufungsgerichts hat dazu geführt, daß es in den Auseinandersetzungsverträgen nicht die einverständliche Entnahme der Forderungen zu einem Zeitpunkt, in dem der Beklagte der GmbH noch angehörte, geregelt sah, sondern die Verteilung verdienter, aber künftig erst noch zu realisierender und dann an K auszuschüttender Gewinne. Die rechtsfehlerhafte Auslegung berechtigt den Senat, die Vereinbarungen der Gesellschafter auf Grund des unstreitigen Sachverhalts selbst auszulegen.
Der Beklagte hat – nach seiner Darstellung – seinen Geschäftsanteil von nominell 120.000,– DM deshalb für nur 12.000,– DM verkauft, weil zuvor die Forderungen der GmbH, um deren Tilgungsbeträge die Parteien streiten, zu 80 % dem Gesellschaftsvermögen entnommen und auf ihn übertragen worden seien. Die GmbH sei zwar weiterhin ermächtigt gewesen, die Forderungen im eigenen Namen einzuziehen. Rechtsanwalt Dr. H, der das für die GmbH besorgt habe, habe aber die eingehenden Gelder im Verhältnis 80: 20 an ihn und den Mitgesellschafter K auszahlen müssen. Daß die GmbH, vertreten durch den Beklagten und K als ihren Geschäftsführern, ihre künftige Forderung gegen Rechtsanwalt Dr. H auf Herausgabe des aus der Geschäftsführung Erlangten in dem genannten Verhältnis an die Gesellschafter abgetreten hat, wird belegt durch den notariell beurkundeten Vertrag vom 18. September 1976, in dem wiederum der Gesellschafter K die auf ihn entfallende Teilforderung von 20 % bis zu 12.000,– DM an den Beklagten abtrat, um auf diese Weise den Geschäftsanteil zu bezahlen. Die Klägerin hat das Einverständnis ihrer Gesellschafter, die Forderungen zu entnehmen, nicht bestritten, vielmehr nur die Ansicht vertreten, eine Auseinandersetzung ihrer Gesellschafter über das Gesellschaftsvermögen binde sie nicht, weil diese nur Gewinne entnehmen dürften. Die Klägerin hat damit – wie die Vorinstanzen – die Rechtslage falsch beurteilt. Die Gesellschafter einer GmbH sind – was in der Revisionsinstanz im übrigen die Klägerin auch nicht mehr in Frage stellt – rechtlich ohne weiteres in der Lage, nicht nur die Gewinne, sondern auch das übrige Vermögen der Gesellschaft auf sich zu übertragen, wenn sie sich einig sind und nicht zum Nachteil der Gläubiger gegen Kapitalerhaltungsvorschriften verstoßen. Das Berufungsgericht hatte deshalb keinen Anlaß, in den Vereinbarungen die Verteilung künftiger Gewinne anstatt sofort wirksamer Entnahmen geregelt zu sehen. Anhaltspunkte dafür, daß die Vereinbarung nichtig und der Beklagte ungerechtfertigt bereichert sein könnte, bestehen nicht.
2. Damit ist die Klage aber noch nicht abweisungsreif. Die Revision rügt mit Recht, daß das Berufungsgericht nicht geprüft hat, ob der Beklagte die Gelder unter Verstoß gegen § 30 GmbHG erhalten und der GmbH deshalb nach § 31 GmbHG zu erstatten hat. Der Vortrag des Beklagten gab Anlaß zu dieser Prüfung.
Die Parteien haben die wirtschaftliche Lage der Klägerin im Jahre 1976 übereinstimmend wenig positiv beurteilt. Die Bankschulden der Klägerin in Höhe von ca. 80.000,– DM wurden laut Vertrag vom 18. September 1976 durch eine Forderung gegen die H Landesbank gedeckt. Das gesamte übrige Aktivvermögen bestand – so der Beklagte – „praktisch” in den Forderungen, um die es hier geht. Dann wäre mit deren Entnahme das gesamte Stammkapital der GmbH an die Gesellschafter zurückgezahlt worden und deshalb zu prüfen gewesen, ob der Beklagte, falls das Stammkapital nicht inzwischen wieder aufgefüllt ist, nach § 31 GmbHG verpflichtet wäre, die entnommenen Beträge bis zur Höhe des Stammkapitals und einer eventuell darüber hinausgehenden Überschuldung zu erstatten.
3. Sollte die Klägerin einen Anspruch nach § 31 GmbHG gegen den Beklagten haben, wäre weiter zu überlegen, ob der Beklagte, falls ihm der einzige Gesellschafter der Klägerin, der frühere Mitgesellschafter K, auf Grund der Auseinandersetzungsverträge die an die Klägerin zurückzuzahlenden Beträge zu erstatten hätte, der Klägerin entgegen halten könnte, sie müsse sich nach Treu und Glauben zunächst an ihren Allein-Gesellschafter K halten und könne den Beklagten erst in Anspruch nehmen, falls sie von K keine Befriedigung zu erlangen vermag. Dieser Einwand wäre dem Beklagten allerdings von vornherein insoweit versagt, als er – möglicherweise – verpflichtet ist, entsprechend seiner früheren Gewinn- und Verlustbeteiligung die Körperschaftssteuer zu tragen, die von der Klägerin aufzubringen ist, weil das Finanzamt eine verdeckte Gewinnausschüttung darin gesehen hat, daß die Klägerin die entnommenen Forderungen als wertlos über Aufwandskonten und damit gewinnmindernd abgeschrieben hat.
4. Damit die Parteien Gelegenheit erhalten, zu diesen Fragen Stellung zu nehmen und das Berufungsgericht die erforderlichen Feststellungen treffen kann, wird die Sache zurückverwiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 647967 |
ZIP 1984, 170 |