Leitsatz (amtlich)
a) Zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Katalogbeschreibungen für eine Kunstauktion als Eigenschaftszusicherungen anzusehen sind.
b) Bei Kunstauktionen kann der Versteigerer ein Wandlungsrecht des Ersteigerers grundsätzlich auch für den Fall der Fälschung formularmäßig ausschließen; ein Berufen auf diesen Haftungsausschluß ist ihm jedoch dann verwehrt, wenn er seine Verpflichtung, in zumutbarem Umfang das Kunstwerk auf seine Echtheit zu überprüfen, verletzt hat.
Verfahrensgang
OLG München (Entscheidung vom 07.12.1978) |
LG Kempten |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München mit Sitz in Augsburg vom 7. Dezember 1978 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Beklagte - Inhaber eines Kunstauktionshauses - führte Mitte Mai 1977 die sogen. XVII. Internationale Bodensee-Kunstauktion durch, bei der u.a. etwa 400 Gemälde zur Versteigerung anstanden. Das Auktionsgut konnte von Interessenten in der Zeit vom 15. April bis 8. Mai 1977 besichtigt werden. In dem zur Auktion herausgegebenen Katalog war unter Nr. ... 6 folgendes, auf dem Katalogdeckel als Titelbild abgebildetes Gemälde angeboten:
"Niederländisch-flämischer Meister um 1480-1500. Portrait eines vornehmen Herren, Typische Kopfbedeckung der holländischen Gildeherren. Über dem schwarzen Tuch rote Bänder und Federn. Pelzverbrämter Umhang. Eindrucksvolles und prägnantes Gesicht in verwandter Cranach'scher Manier. Rs. Reste alter Ikonenmalerei. Öl/Holz 41 * 32,5 cm R 8.000,-"
Das Bild war dem Beklagten im März 1977 von dem damaligen Eigentümer Prof. Dr. med. O. eingeliefert worden, der in den Einlieferungsbedingungen die Garantie für die Echtheit übernommen hatte. Er hatte das Bild einige Monate zuvor auf einer Auktion der Firma N. KG, vormals W. in M. ersteigert, wo es im Auktionskatalog unter der Rubrik "Gemälde 16.-18. Jahrhundert" wie folgt beschrieben war:
"Herrenportrait mit Hut und pelzverbrämtem Umhang. Brustbild dreiviertel nach rechts. Rücks. Christuskopf, Brustbild en face (Fragment). Kopie nach van Eyck (?). Öl auf Holz. 42 * 32,5 cm. Auf neue Holzplatte übertragen, restauriert. R (739) 2.500,-"
In dem Auktionskatalog des Beklagten waren auf S. 4 die Versteigerungsbedingungen abgedruckt, die zur Gewährleistung u.a. folgendes bestimmen:
"Die Versteigerung ... wird vom Auktionshaus Michael Z. im eigenen Namen für Rechnung der Eigentümer durchgeführt. Alle zur Versteigerung gelangenden Gegenstände ... werden in dem Zustand versteigert, wie sie sich befinden, ohne Gewähr und Haftung für offene und versteckte Mängel sowie Zuschreibungen. Spätere Beanstandungen, gleich welcher Art, müssen unberücksichtigt bleiben. Die Katalogbeschreibungen sind nach bestem Wissen und Gewissen vorgenommen, stellen jedoch keine zugesicherten Eigenschaften im Sinne §§ 459 ff. BGB dar. Für Katalogbeschreibungen und dazugehörige schriftliche Erläuterungen sowie mündliche Angaben kann nicht gehaftet werden."
Der Kläger, der an der Auktion nicht selbst teilnahm, hatte in einem dem Auktionskatalog beiliegenden Auftragsformular (Auftragsliste) den Beklagten aufgefordert, das vorgenannte Bild zu einem Höchstgebot von 10.000 DM zu ersteigern. Das Formular enthielt vor der Spalte, in der der Auftraggeber seinen Namen anzugeben hatte, den Hinweis:
"Sie werden ermächtigt, die angegebenen Gebote im Bedarfsfalle um 5-10 % zu überschreiten."
Der Kläger erhielt den Zuschlag zu einem Preis von 11.000 DM. Den Rechnungsbetrag - einschließlich 15 % Auktionsgeld und 5,5 % Mehrwertsteuer - von 13.345,75 DM hat er an den Beklagten bezahlt.
Nach Erhalt des Gemäldes kamen dem Kläger Zweifel an dessen Echtheit. Er wandte sich deswegen zunächst an den Beklagten, der ihm die Echtheit des Bildes bestätigte und sich dabei u.a. darauf berief, das auf dem Gebiet der Fälschungen besonders sachkundige Do.-Institut der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen habe ihm "wegen der Echtheit und Erhaltung ein Kompliment gemacht", - eine Behauptung, die der Beklagte während des Rechtsstreits als auf einer Verwechslung beruhend zurückgenommen hat.
Mit Schreiben vom 23. Januar 1978 focht der Kläger den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung mit der Begründung an, der Beklagte habe aus der ihm bekannten Katalogbeschreibung des Auktionshauses N. und dem dort erzielten Versteigerungserlös zumindest Zweifel hinsichtlich der Echtheit haben müssen, diese aber bewußt nicht an ihn - den Kläger - weitergegeben. Das Do.-Institut habe ihm inzwischen nach eingehender Untersuchung bestätigt, daß es sich nicht um ein Bild aus dem 15. oder 16. Jahrhundert, sondern um ein Werk von sehr geringem Alter handele. - Der Beklagte hat eine Fälschung bestritten und sich im übrigen auf den Gewährleistungsausschluß berufen.
Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger - unter Einbeziehung der für die neue Rahmung (150 DM) und die Überprüfung der Echtheit (504,25 DM) entstandenen Kosten - den Beklagten auf Zahlung von 14.000 DM Zug um Zug gegen Rückgabe des Bildes, hilfsweise auf Abtretung der dem Beklagten gegen den Einlieferer Prof. Dr. med. O. zustehenden Rechte in Anspruch genommen. Das Landgericht hat dem Hilfsantrag, das Berufungsgericht dem Hauptantrag in Höhe von 13.345,75 DM nebst Zinsen entsprochen. Mit der zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsurteil hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1.
Das Berufungsgericht hat eine arglistige Täuschung des Klägers durch den Beklagten (§ 123 BGB) nicht als erwiesen angesehen. Gegen diese ihm günstigen Ausführungen wendet sich der Beklagte nicht. Sie lassen auch keinen Rechtsfehler erkennen.
2.
In seiner schriftlichen Revisionserwiderung stellt der Kläger die vor allem im ersten Rechtszug erörterte Frage erneut zur Nachprüfung, ob nicht die in der Auftragsliste formularmäßig enthaltene Ermächtigung, die angegebenen Gebote - Höchstgebote - im Bedarfsfalle um 5-10 % zu überschreiten, unwirksam gewesen bzw. von vornherein nicht Vertragsinhalt geworden sei, - mit der Folge, daß es an einem wirksamen Zuschlag an ihn fehle und damit der Beklagte bereits aus ungerechtfertigter Bereicherung (§§ 812 ff BGB) zur Rückzahlung verpflichtet sei.
Das Berufungsgericht hat diese Frage zu Recht verneint. Da der Kaufvertrag zwischen den Parteien durch den Zuschlag in der Auktion - mithin Mitte Mai 1977 - zustande gekommen ist, findet auf ihn das am 1. April 1977 in Kraft getretene Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz; AGBG) Anwendung.
a)
Eine gegen Treu und Glauben verstoßende unangemessene Benachteiligung des Klägers (§ 9 Abs. 1 AGBG) enthält die Ermächtigungsklausel nicht; vielmehr kann sie durchaus den berechtigten Belangen des Ersteigerers entsprechen, der sich nur schriftlich an der Auktion beteiligt. Während der bei der Versteigerung Anwesende häufig dem Verlauf des Bietens entnehmen kann, ob er durch eine vielleicht nur geringfügige Erhöhung seines - von ihm zunächst als äußerste Grenze angesehenen -Gebotes das Stück ersteigern kann, fehlt dem abwesenden Bieter diese Möglichkeit. Hier versetzt ihn die Ermächtigungsklausel in die Lage, durch eine sich in Grenzen haltende Erhöhung das ihn interessierende Stück doch noch zu erwerben. Will er über das von ihm angegebene Höchstgebot hinaus nicht mehr anlegen, so kann er die Ermächtigung streichen. Der Beklagte hat unwidersprochen angegeben, daß dies in nicht seltenen Fällen geschieht. Jedenfalls eine Ermächtigung innerhalb des hier gegebenen Rahmens von 5-10 % ist daher unter dem Gesichtspunkt des § 9 AGBG nicht zu beanstanden.
b)
Die Klausel ist aber auch nicht überraschend (§ 3 AGBG). Sie befindet sich als zweiter formularmäßig vorgedruckter Satz in der Auftragsliste unmittelbar vor der Spalte, in die der Kläger als Bieter seinen Namen einzutragen hatte, ist klar formuliert und auch in ihrem Erscheinungsbild nicht zu übersehen.
c)
Aber selbst wenn die Ermächtigungsklausel unwirksam gewesen sein sollte und damit der Beklagte beim Ersteigern für den Kläger als dessen Vertreter seine Vertretungsmacht überschritten hätte, so wäre doch jedenfalls der Vertragsabschluß nachträglich durch die vorbehaltlose Zahlung des Kaufpreises von dem Kläger stillschweigend genehmigt worden (vgl. zur Konstruktion derartiger Verträge, die der Auktionator als Vertreter des Ersteigerers mit sich selbst als Kommissionär abschließt: von Ho.-Hu., NJW 1973, 1473, 1476 unter III 3).
3.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist der Beklagte gemäß § 463 in Verbindung mit § 459 Abs. 2 BGB unter dem Gesichtspunkt der Schadensersatzleistung wegen Nichterfüllung zur Rückzahlung des Kaufpreises verpflichtet, weil er durch die Katalogangaben in Verbindung mit dem angesetzten Mindestgebot (8.000 DM) die Echtheit des Bildes als Eigenschaft stillschweigend zugesichert habe und die in den Versteigerungsbedingungen enthaltene formularmäßige Freizeichnung von dieser Haftung gemäß § 11 Nr. 11 AGBG unwirksam sei. Diese Ansicht des Berufungsgerichts vermag der Senat nicht zu teilen.
a)
Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die in einem Auktionskatalog enthaltenen Beschreibungen als Eigenschaftszusicherung anzusehen sind - mit der Folge, daß der im eigenen Namen auftretende Verkäufer (Auktionator) ohne Möglichkeit der Haftungsfreizeichnung für die Richtigkeit dieser Angaben und damit für die Echtheit des Auktionsgutes ohne Rücksicht auf Verschulden einzustehen hat -, ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten (vgl. dazu von Hoyningen-Huene, NJW 1975, 962; Reimer, GRUR 1975, 614 f; Löhr, GRUR 1976, 411; Dietlein, Haftungsprobleme in den Kunstversteigerungsbedingungen, Weltkunst Nr. 23 vom 1. Dezember 1978 S. 2867 ff; von Westerhold/Graupner, NJW 1978, 794; OLG Düsseldorf OLGE 78, 317). Der Senat hat in seiner - vor Inkrafttreten des AGB-Gesetzes ergangenen - Entscheidung vom 15. Januar 1975 (VIII ZR 80/73 = BGHZ 63, 369 - Jawlensky -) ausgeführt, daß die Aufnahme eines Kunstwerkes in einen Katalog unter Angabe des Künstlers und der Herkunft des Werkes u.U. für eine stillschweigende Eigenschaftszusicherung im Sinne des § 459 Abs. 2 BGB sprechen könne (a.a.O. S. 372 unter Hinweis auf Locher, Das Recht der bildenden Kunst 1970, S. 133 ff und RGZ 114, 239). Allerdings bezog sich dieses Senatsurteil auf einen Fall, in dem im Katalog - anders als hier - der Künstler genannt und vor allem auf eine über das Werk gefertigte Expertise mit entsprechender Bezugnahme auf das Werkverzeichnis dieses Künstlers (Jawlensky) Bezug genommen war. In einem solchen Fall mag vieles für eine Eigenschaftszusicherung sprechen. Allgemein kann das jedoch für derartige Katalogbeschreibung nicht gesagt werden. Stillschweigende Eigenschaftszusicherungen liegen nur da vor, wo aus der Sicht des Empfängers derartige Erklärungen hinreichend deutlich erkennen lassen, daß der Verkäufer eine über die normale Haftung hinausgehende besondere Gewähr zu übernehmen und für ihr Vorhandensein einzustehen bereit ist (BGHZ 50, 200, 204; 59, 158, 160; 63, 369, 372). Angesichts der weitreichenden Haftung, die der Verkäufer mit der Eigenschaftszusicherung ohne Rücksicht auf sein Verschulden übernimmt, ist bei der Annahme einer stillschweigenden Zusicherung grundsätzlich Zurückhaltung geboten.
b)
Katalogbeschreibungen dienen in erster Linie der Darstellung des zum Verkauf (Auktion) angebotenen Gegenstandes und seiner zeitlichen und räumlichen Einordnung. Sie sollen dem Interessenten die Entscheidung, ob und bis zu welcher Höhe er mitbieten will, erleichtern.
Nimmt jemand - wie hier der Kläger - nur durch schriftliche Auftragserteilung an der Auktion teil, so stellen die Katalogbeschreibungen in der Regel die einzige Möglichkeit dar, von dem Bildinhalt und der kunstgeschichtlichen Einordnung des Werkes Kenntnis zu erhalten. Im Regelfall und ohne besondere zusätzliche Anhaltspunkte kann daher der Bieter redlicherweise nicht damit rechnen, daß der Auktionator mit der Bildbeschreibung zugleich die Garantie für die Echtheit des Bildes übernehmen will (vgl. dazu Löhr aaO; Dietlein aaO). Das wird bei einer Auktion wie der vorliegenden, auf der insgesamt 6.358 Objekte - davon mehr als 400 Gemälde - zur Versteigerung gelangten, besonders augenfällig.
c)
Hier betrafen die Katalogangaben in erster Linie die Beschreibung der dargestellten Person nach Antlitz und Bekleidung, ihren Stand, ihre nationale und zeitliche Einordnung und schließlich - mit dem Hinweis auf die "verwandte Cranach'sche Manier" - die Art der künstlerischen Gestaltung und die Verwendung der Stilmittel. Aus diesen Angaben läßt sich aber ebensowenig ein für den Ersteigerer erkennbarer Wille zur Garantieübernahme herleiten wie aus dem - vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat besonders herausgestellten - Umstand, daß die Angabe über die Entstehungszeit des Bildes (1480-1500) besonders präzise und wesentlich genauer war als die in dem Katalog des Auktionshauses Neumeister enthaltene zeitliche Zuordnung. Angaben des für die Entstehung in Betracht kommenden Zeitraumes bei Werken unbekannter Meister entsprechen der Angabe des Künstlers bei Werken bekannter Herkunft; aus beiden Angaben lassen sich aber gleichermaßen, sofern keine besonderen Umstände hinzukommen, keine Rückschlüsse auf einen Willen zur Garantieübernahme für die Echtheit ziehen. Das gilt schließlich auch insoweit, als der Beklagte das hier streitige Bild zum Titelbild des Kataloges ausgewählt hat. Dafür mögen - unter dem Gesichtspunkt einer wirksamen Werbung - etwa das als eindrucksvoll und einprägsam erscheinende Gesicht des Dargestellten oder auch die besondere Eignung für eine farblich genaue Wiedergabe maßgebend gewesen sein; Anhaltspunkte dafür, daß der Beklagte - anders als bei den nur im Innern des Kataloges abgebildeten oder dort lediglich beschriebenen Kunstwerken - die Garantie für die Echtheit gerade dieses Bildes übernehmen wollte, bestehen aus der Sicht eines verständigen Ersteigerers jedenfalls nicht.
d)
Das Berufungsgericht will eine solche Garantie insbesondere aus der Angabe des Mindestgebotes (8.000 DM) durch den Beklagten herleiten. Dabei zieht es jedoch nicht in Betracht, daß das Mindestgebot, wie im übrigen dem Kläger als Kunstsammler bekannt war, regelmäßig vom Einlieferer festgesetzt und vom Auktionator lediglich übernommen wird. Vor allem aber ist die Preisbildung auf dem Kunstmarkt von so vielen Unwägbarkeiten - nicht zuletzt dem sich oft kurzfristig wandelnden Publikumsgeschmack und damit der wechselnden Nachfrage - abhängig, daß sich aus ihr Rückschlüsse auf den "Wert" eines Kunstgegenstandes und damit auf die Bereitschaft des Auktionators, für diesen Wert einstehen zu wollen, nicht ziehen lassen. Wo im Einzelfall der Auktionator - was hier allerdings nicht der Fall ist - einen Gegenstand zu einem vom Einlieferer ungewöhnlich hoch festgesetzten Mindestgebot in seinen Katalog aufnimmt, wird allerdings jeweils besonders sorgfältig zu prüfen sein, ob der Auktionator - als Voraussetzung für die Rechtswirksamkeit einer formularmäßigen Haftungsfreizeichnung - seiner Prüfungspflicht nachgekommen ist (vgl. dazu nachfolgend unter II 4).
e)
Eine Eigenschaftszusicherung im Sinne des § 459 Abs. 2 BGB liegt also - das kann der Senat aufgrund des unstreitigen Sachverhalts selbst feststellen - bereits angesichts des Erklärungsinhalts der Katalogangaben, wie der Ersteigerer sie verstehen muß, nicht vor. Es bedarf daher keines weiteren Eingehens auf die umstrittene Frage, ob der Auktionator, wovon der Senat in seiner vor Inkrafttreten des AGB-Gesetzes ergangenen Entscheidung vom 15. Januar 1975 (a.a.O. S. 372 ff) ausgegangen ist, durch einen formularmäßigen Hinweis klarstellen kann, daß es sich bei den Katalogangaben nicht um zugesicherte Eigenschaften handelt, oder ob nunmehr derartigen Angaben - sei es unter dem Gesichtspunkt des Vorrangs der Individualabrede (§ 4 AGBG), sei es, weil andernfalls der Auktionator die zwingenden Rechtsfolgen einer Eigenschaftszusicherung (§ 11 Nr. 11 AGBG) umgehen könnte - keine rechtsverbindliche Bedeutung mehr zukommt.
II.
Die vom Berufungsgericht gegebene Begründung - eine der formularmäßigen Freizeichnung nicht zugängliche Haftung des Beklagten wegen Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft (§§ 459 Abs. 2, 463 BGB in Verbindung mit § 11 Nr. 11 AGBG) - trägt mithin die angefochtene Entscheidung nicht. Sie läßt sich aber auch ohne weitere tatsächliche Feststellung nicht mit anderer rechtlicher Begründung, insbesondere unter dem Gesichtspunkt einer Rückzahlungsverpflichtung des Beklagten aufgrund einer vom Kläger erklärten Wandlung des Kaufvertrages (§ 459 Abs. 1 in Verbindung mit §§ 462 ff BGB) halten.
1.
Allerdings hat das Berufungsgericht, gestützt auf die schriftliche gutachtliche Äußerung des Do.-Instituts der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen vom 6. März 1978, rechtsfehlerfrei festgestellt, daß es sich bei dem vom Kläger ersteigerten Bild um eine Fälschung handelt.
a)
Dieses Institut - ein Laboratorium für Konservierung und naturwissenschaftliche Untersuchung von Kunstwerken, dessen hervorragende Sachkunde auch der Beklagte nicht substantiiert in Zweifel gezogen hat - kommt aufgrund mikroskopischer Prüfung der Farbe, angesichts des Schichtaufbaus und insbesondere aufgrund einer differential-thermoanalytischen Untersuchung zu dem Ergebnis, daß es sich bei dem streitigen Bild um ein Werk von sehr geringem Alter handelt und eine Entstehung im 15. bzw. 16. Jahrhundert eindeutig auszuschließen ist.
b)
Die Verwertung dieses sorgfältig begründeten Gutachtens durch das Berufungsgericht war rechtsfehlerfrei. Vor allem steht der Umstand, daß es sich bei dem vorgenannten Gutachten um ein im Auftrag des Klägers erstattetes Privatgutachten handelte, einer Verwendung im Wege des Urkundenbeweises nicht entgegen (vgl. BGH Urteil vom 8. November 1955 - I ZR 12/54 = LM ZPO § 286 [E] Nr. 7; Urteile vom 13. Februar 1962 - VI ZR 110/61 und 141/61 = VersR 1962, 450; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 38. Aufl. § 401 Anm. 5). Ob etwas anderes dann gelten würde, wenn der Beklagte den Verfasser des Gutachtens wegen Besorgnis der Befangenheit hätte ablehnen können, mag hier dahinstehen; denn der bloße Umstand, daß dieser - Dr. von So. - bereits bei Vorlage einer Fotokopie bzw. Fotografie des Bildes Zweifel an der Echtheit geäußert hat, begründet noch keinen Zweifel an seiner Unvoreingenommenheit bei der späteren, auf eine sorgfältige chemisch-technische Untersuchung gestützten Erstellung des endgültigen Gutachtens.
2.
Es entspricht auch gefestigter Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum, daß es sich bei der Unechtheit eines Kunstwerkes um einen Fehler im Sinne des § 459 Abs. 1 BGB handelt, der Gewährleistungsansprüche und insbesondere eine Wandlungsbefugnis auslösen kann (BGHZ 63, 369, 371 f m.w.Nachw.; vgl. dazu auch von Westerholt/Graupner, NJW 1978, 794).
3.
Der Beklagte hat sich von einer solchen Haftung jedoch durch die Versteigerungsbedingungen freigezeichnet. In seinem vor Inkrafttreten des AGB-Gesetzes ergangenen Urteil vom 15. Januar 1975 (a.a.O. S. 373 ff) hat der Senat eine umfassende Freizeichnung des Auktionators bei Fälschungen - und damit auch den Ausschluß der Wandlungsbefugnis - unter der Voraussetzung für zulässig erachtet, daß der Auktionator seine Sorgfaltspflicht nicht verletzt hat (a.a.O. S. 375). An dieser Entscheidung, die in Rechtsprechung und Schrifttum teils Zustimmung, teils Ablehnung gefunden hat (zustimmend etwa Löhr aaO, Dietlein aaO; im Ergebnis auch Schlosser/Coester-Waltjen/Graba, AGBG, § 9 Rdn. 91; ablehnend von Hoyningen-Huene, NJW 1975, 962; Reimer, GRUR 1975, 614; Loewe/Graf von Westphalen/Trinkner, § 9 Rdn. 57; Schmidt-Salzer, Allgemeine Geschäftsbedingungen 2. Aufl. F 72 S. 205; zweifelnd Ulmer/Brandner/Hensen, 3. Aufl. Anh. zu §§ 9-11 Anm. 442), hält der Senat nach nochmaliger Überprüfung auch für die Zeit nach Inkrafttreten des AGB-Gesetzes fest. Da es an einer besonderen Regelung (vgl. §§ 10, 11 AGBG) für derartige Fällt fehlt, könnte eine formularmäßige Freizeichnung nur dann unwirksam sein, wenn sie den Ersteigerer in einer mit den Geboten von Treu und Glauben nicht zu vereinbarenden Weise gegenüber dem Auktionator unangemessen benachteiligen würde (§ 9 Abs. 1 AGBG). Das ist jedoch jedenfalls dann nicht der Fall, wenn der Auktionator lediglich als Kommissionär tätig wird und damit im Regelfall den Versteigerungserlös abzüglich des Auktionsgeldes alsbald nach der Auktion an den Einlieferer abführt. Wie der Senat in seinem Urteil vom 15. Januar 1975 (a.a.O. S. 374 ff) ausgeführt hat, trifft den Auktionator gerade hinsichtlich der Echtheit und der Herkunftsangaben des Auktionsgutes typischerweise ein erhebliches Risiko. Angesichts des oft mehrfachen Eigentumswechsels von Kunstgegenständen ist er vielfach gar nicht in der Lage, durch zumutbare eigene Nachforschungen Sicherheit über die Echtheit des Werkes zu erlangen. Er bleibt daher weitgehend auf die Angaben seiner Auftraggeber sowie - soweit vorhanden - auf Expertisen angewiesen. Wenn daher der Auktionator - so hat der Senat (a.a.O. S. 375) ausgeführt - dem Kaufinteressenten Gelegenheit gibt, während einer angemessenen Frist die zur Versteigerung gelangenden Werke zu besichtigen, ihre Echtheit zu prüfen und ggfls. selbst weitere Auskünfte einzuholen, so stellt es keine einseitige und unangemessene Durchsetzung eigener Interessen dar, wenn er die Gewährleistung für die Echtheit und Herkunft der Kunstwerke ausschließt. Mit einer derartigen Haftungsbeschränkung muß jedenfalls beim kommissionsweisen Verkauf im Kunsthandel auch der typischerweise an solchen Rechtsgeschäften beteiligte Personenkreis rechnen.
Auch im vorliegenden Falle hat der Beklagte den Interessenten vor der Auktion Gelegenheit gegeben, mehr als drei Wochen lang die zur Auktion anstehenden Gegenstände zu besichtigen. Es ist zwar richtig, daß raffinierte Fälschungen oft nur durch intensive mikroskopische oder chemische Untersuchungen aufgedeckt werden können, - eine Möglichkeit, die dem Ersteigerer im Regelfall verschlossen ist. Andererseits ist aber auch der Auktionator angesichts der Vielzahl der in einer derartigen Auktion zur Versteigerung gelangenden Gegenstände - im vorliegenden Fall weit über 6.000 Objekte, davon mehr als 400 Gemälde - und der raschen Aufeinanderfolge derartiger umfangreicher Auktionen (die vom Beklagten durchgeführte XVIII. Bodensee-Kunstauktion fand bereits wenige Monate später statt) nicht in der Lage, sie auch nur teilweise selbst auf ihre Echtheit untersuchen zu lassen.
4.
Der Auktionator kann sich jedoch dann nicht auf die formularmäßige Freizeichnung berufen, wenn er selbst bei der Annahme des gefälschten Werkes die ihm gegenüber dem Ersteigerer (Käufer) obliegende Sorgfaltspflicht verletzt hat. Das hat der Senat in seinem Urteil vom 15. Januar 1975 (a.a.O. S. 375) jedenfalls für den Fall der groben Fahrlässigkeit bereits ausgesprochen. Es besteht aber kein Anlaß, diese Einschränkung der Befugnis, sich auf die Haftungsfreizeichnung zu berufen, auf eine grob fahrlässige Verletzung der Sorgfaltspflicht zu beschränken. Der Auktionator nimmt nicht nur dem Ersteigerer gegenüber die Stellung eines Sachkenners ein, sondern entscheidet auch selbst, welche Werke er von den Einlieferern zur Auktion annimmt, und kann dabei zumindest deren Vertrauenswürdigkeit prüfen, - eine Möglichkeit, die dem Ersteigerer im Regelfall verschlossen ist. Es würde daher den Ersteigerer entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen (§ 9 Abs. 1 AGBG), wenn man ihm schlechthin das Risiko auch für diejenigen Fälschungen aufbürden würde, die der Auktionator bei Wahrung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 1 Satz 2 BGB) als solche hätte erkennen können (vgl. dazu auch Dietlein a.a.O. unter VII; andererseits Schlosser/Coester-Waltjen/Graba aaO).
Bei dieser Einschränkung der Haftungsfreizeichnung handelt es sich nicht etwa, wie offenbar Ulmer/Brandner/Hensen (a.a.O. Anh. zu §§ 9-11 Anm. 442) meinen, um eine im Gewährleistungsrecht systemwidrige Verschuldenshaftung oder um eine Haftung aus culpa in contrahendo aufgrund fahrlässig falscher Angaben über die Eigenschaften einer Sache, für die im Gewährleistungsrecht kein Raum wäre (vgl. BGHZ 60, 319), sondern lediglich um die sich aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) ergebende Begrenzung der Befugnis, sich im Einzelfall auf einen formularmäßigen Ausschluß des Wandlungsrechts zu berufen.
5.
Beide Parteien haben in den Vorinstanzen zur Frage der Verletzung der Sorgfaltspflicht durch den Beklagten bei Aufnahme des gefälschten Bildes in den Katalog Stellung genommen und Beweis für ihre wechselseitigen Behauptungen angetreten. Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus zu Recht - insoweit bisher keine Feststellungen getroffen. Das wird es nachzuholen haben. Dabei kann die Frage dahingestellt bleiben, ob grundsätzlich der Ersteigerer, weil er sich auf die Unwirksamkeit eines an sich zulässigen formularmäßigen Haftungsausschluß im Einzelfall beruft, insoweit die Darlegungs- und Beweislast für eine Verletzung der Sorgfaltspflicht durch den Auktionator trägt, oder ob dieser sich in entsprechender Anwendung des § 282 BGB hinsichtlich seines Verschuldens entlasten muß; denn jedenfalls ist es im Hinblick darauf, daß der Beklagte in seinen Versteigerungsbedingungen versichert hatte, die Katalogbeschreibung "nach bestem Wissen und Gewissen" vorgenommen zu haben, im vorliegenden Fall seine Sache, darzulegen und zu beweisen, daß er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet hat. - Die Frage schließlich, ob der Auktionator, wenn er sich auf den formularmäßigen Haftungsausschluß berufen will, dem Ersteigerer die ihm ggfls. gegen den Einlieferer zustehenden Ansprüche abtreten muß (vgl. BGHZ 63, 369, 375 f), bedarf hier keiner Vertiefung; denn insoweit nimmt der Beklagte die Verurteilung durch das Landgericht hin.
III.
Das angefochtene Urteil war mithin aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 3018783 |
DB 1980, 1337-1339 (Volltext mit amtl. LS) |
NJW 1980, 1619 |
NJW 1980, 1619-1622 (Volltext mit amtl. LS) |
JZ 1980, 523 |
JZ 1980, 523-526 (Volltext mit amtl. LS) |
MDR 1980, 749-751 (Volltext mit amtl. LS) |