Leitsatz (amtlich)
›a) Als Bestandteil von Austauschverträgen über Waren oder gewerbliche Leistungen oder von Rahmenvereinbarungen über derartige Austauschbeziehungen vereinbarte Ausschließlichkeitsbindungen sind als sonstige Verträge nach § 18 Abs. 1 Nr. 2 GWB grundsätzlich wirksam und nur der Mißbrauchsaufsicht der Kartellbehörden unterstellt.
b) Sie können jedoch je nach ihrer konkreten Ausgestaltung ausnahmsweise nach § 1 GWB unwirksam sein, wenn und soweit sie zu einem gemeinsamen Zweck im Sinne der Vorschrift geschlossen wurden.
c) Bei Austauschvereinbarungen mit wettbewerbsbeschränkendem Inhalt ist eine Vereinbarung zu einem gemeinsamen Zweck im Sinne des § 1 GWB anzunehmen, wenn für die vereinbarte Beschränkung bei wertender Betrachtungsweise im Hinblick auf die Freiheit des Wettbewerbs ein anzuerkennendes Interesse nicht besteht.‹
Verfahrensgang
OLG München (Aktenzeichen U (K) 5800/94) |
Tatbestand
Die Parteien streiten um das wirksame Zustandekommen und den Fortbestand einer zeitlich unbegrenzten Kundenschutzvereinbarung.
Die Klägerin verkauft Druckgußteile, die sie nicht selbst fertigt, sondern von dritten Firmen bezieht. Die Beklagten stellen Druckgußteile her. Spätestens im Jahr 1985 bahnte die Klägerin einen geschäftlichen Kontakt zu der A. & R. C. T. GmbH & Co Betriebs KG (im folgenden: A.) an, die laufend spezielle Druckgußteile benötigt. Mit der Herstellung dieser Teile beauftragte die Klägerin die Beklagten. Nachdem sie mit der Beklagten zu 2 bereits am 13. August 1985 einen "Vertrag über Einräumung eines unbeschränkten Kundenschutzes" geschlossen hatte, nach dem "Kunden, die bereits bei einem Vertragspartner Waren bezogen haben oder als Kunden geführt sind, ... unter keinen Umständen vom anderen Vertragspartner beliefert oder abgeworben werden dürfen," traf sie im Zusammenhang mit der Belieferung von A. am 12. November 1985 mit sämtlichen Beklagten eine weitere "Kundenschutzvereinbarung". Danach durften die Beklagten den Kunden A. weder direkt noch indirekt ohne Zustimmung der Klägerin beliefern, sondern mußten sämtliche Lieferungen über die Klägerin abwickeln, die sich vorbehielt, von Fall zu Fall Provisionsvereinbarungen mit den Beklagten zu schließen. Umgekehrt verpflichtete sich die Klägerin, alle von A. erteilten Aufträge bei marktüblichen Preisen und Lieferzeiten an die Beklagten weiterzugeben.
In der Folgezeit bestellte A. in größerem Umfang Druckgußteile bei der Klägerin, die den Beklagten entsprechende Aufträge erteilte. Bei der Abwicklung der Aufträge traten jedoch technische Schwierigkeiten auf, deren Behebung durch den "Umweg" über die Klägerin erschwert wurde. A. äußerte deshalb ab Anfang 1988 den Wunsch nach direkter Zusammenarbeit mit den Beklagten. Da die Klägerin damit nicht einverstanden war, kündigte die Beklagte zu 1 mit Schreiben vom 12. Dezember 1988 die Vereinbarungen vom 13. August und 12. November 1985. Seitdem wird A. von der Beklagten zu 1 oder den Beklagten zu 1 bis 3 unmittelbar beliefert.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, mit der direkten Belieferung von A. verstießen die Beklagten gegen die Kundenschutzvereinbarung vom 12. November 1985, die nach wie vor Geltung habe. Sie hat beantragt, die Beklagten zu verurteilen, 10.289,79 DM nebst Zinsen zu bezahlen, Auskunft über Art und Umfang der Lieferungen von Druckgußteilen an die Firma A. seit 1. Januar 1989 zu erteilen und den der Klägerin hieraus erwachsenen Schaden zu ersetzen.
Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten. Sie halten die Kundenschutzvereinbarung für kartellrechtswidrig und damit für unwirksam. Hilfsweise berufen sie sich darauf, daß der Vertrag vom 12. November 1985 zum 31. Dezember 1988 wirksam gekündigt worden sei. Das Landgericht hat die Beklagten zur Zahlung von 4.779,57 DM verurteilt; im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche auf Auskunft und Schadensersatz weiter.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.
I. 1. Das Berufungsgericht hat als mögliche Grundlage für die von der Klägerin erhobenen Ansprüche auf Auskunft und Schadensersatz nur die Kundenschutzvereinbarung vom 12. November 1985 einer kartellrechtlichen Prüfung unterzogen. Dies begegnet keinen Bedenken. Der zeitlich frühere Vertrag vom 13. August 1985, der bei gleicher Zielsetzung den Parteien ersichtlich weitergehendere Wettbewerbsbeschränkungen auferlegt, wäre erst recht unwirksam, wenn schon die Kundenschutzvereinbarung vom 12. November 1985 gegen das Kartellverbot des § 1 GWB verstieße.
2. Das Berufungsgericht hat dies bejaht. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Kundenschutzvereinbarung enthalte wettbewerbsbeschränkende Bindungen beider Parteien, von denen die Bezugsbindung der Klägerin an die Beklagten wegen ihrer ausschließlich vertikalen Wirkung allerdings wirksam und nur der Mißbrauchsaufsicht der Kartellbehörden gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 2 GWB unterstellt sei. Die den Beklagten auferlegte Verpflichtung, A. nicht in Konkurrenz zu der Klägerin direkt zu beliefern, betreffe demgegenüber das horizontale Wettbewerbsverhältnis. Insoweit diene der Vertrag einem gemeinsamen Zweck im Sinne des § 1 GWB, weil die Parteien mit ihm gleichgerichtete Interessen verfolgten. Die Ausschließung der Beklagten als Wettbewerber sei darauf gerichtet, sowohl die Marktstellung der Klägerin zu stärken, die als "reine" Händlerin den Wettbewerb der Beklagten als produzierende Händler habe fürchten müssen, als auch diejenige der Beklagten, denen die Produktion des gesamten bei der Klägerin bestellten Bedarfs der A. zugesichert war. Beide Vertragsparteien hätten so Gewinn aus der Geschäftsbeziehung der Klägerin zu A. ziehen wollen. Die den Beklagten auferlegte Wettbewerbsbeschränkung lasse sich als dem Vertrag immanente, funktional notwendige Nebenpflicht zumindest insoweit nicht rechtfertigen, als sie die Beklagten verpflichte, A. auch auf deren Wunsch nicht zu beliefern. Ob die Klägerin für A. wertvolle Leistungen - etwa bei der Vertragsabwicklung - erbringe, könne dahingestellt bleiben, da nicht ersichtlich sei, daß die Beklagten zu diesen Leistungen nicht ebenfalls in der Lage seien.
Der Ausschluß des Wettbewerbs der Beklagten gegenüber A. sei auch geeignet, die Marktverhältnisse auf dem Markt für Druckgußteile spürbar zu beeinflussen. Da der Wechsel zu einem dritten Lieferanten für A. mit erheblichen technischen Schwierigkeiten verbunden gewesen wäre, hätten die Beklagten praktisch die einzige Alternative zur Klägerin dargestellt.
3. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Vereinbarung vom 12. November 1985 sei wegen Verstoßes gegen § 1 GWB insgesamt unwirksam, begegnet rechtlichen Bedenken.
a) Das zwischen der Klägerin und den Beklagten vereinbarte Kundenschutzabkommen beschrankt die daran beteiligten Unternehmen wechselseitig in ihrer Freiheit, Waren von Dritten zu beziehen oder an Dritte abzugeben. Derartige Ausschließlichkeitsbindungen, die in Austauschverträgen über Waren oder gewerbliche Leistungen vereinbart sind oder - wie hier - den Gegenstand von Rahmenvereinbarungen in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Austauschverträgen bilden (vgl. BGH, Urt. v. 25.11.1965 - KZR 11/64, WuW/E 712, 714 Bierbezug) sind als "sonstige Verträge" im Sinne des 2. Abschnitts des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen nach § 18 Abs. 1 Nr. 2 GWB grundsätzlich wirksam und nur der Mißbrauchsaufsicht der Kartellbehörden unterstellt. Sie können ausnahmsweise - je nach ihrer konkreten Ausgestaltung - aber auch nach § 1 GWB ganz oder teilweise unwirksam sein. Die Vorschriften des § 1 GWB und des § 18 GWB stehen zueinander nicht im Verhältnis von lex specialis zu lex generalis, sondern schließen einander tatbestandlich aus (vgl. Huber/Baums in Frankfurter Kommentar, 3. Aufl., § 1 GWB Rdn. 408; Schwarz, Kartellvertrag und sonstige wettbewerbsbeschränkende Verträge, 1984 S. 116 ff.; Wolter in Frankfurter Kommentar, 3. Aufl., § 18 GWB Rdn. 18). Entscheidendes Abgrenzungskriterium, bei dessen Vorliegen ausschließlich § 1 GWB zur Anwendung kommt, ist das Tatbestandsmerkmal des "gemeinsamen Zwecks" (vgl. BGHZ 68, 6, 10 - Fertigbeton; Peters, Ausschließlichkeitsbindungen und Kartellverbot, 1990 S. 59; Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, 5. Aufl., S. 182 ff.). Auch eine dem Wortlaut nach unter § 18 GWB fallende Ausschließlichkeitsbindung kann ausnahmsweise, wenn und soweit sie "zu einem gemeinsamen Zweck" geschlossen worden ist, nach § 1 GWB unwirksam sein.
b) Die Funktion der Abgrenzung von Vereinbarungen, die von den enumerativ in den §§ 2 bis 7 GWB geregelten Ausnahmen abgesehen - als generell wettbewerbsschädlich grundsätzlich nach § 1 GWB verboten sein sollen von solchen, die trotz der darin enthaltenen Wettbewerbsbeschränkungen wegen ihrer ambivalenten Wirkungen auf das Wettbewerbsgeschehen der flexiblen Regelung des § 18 GWB unterstellt sind (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. II 1158 S. 25 f.; vgl. auch Emmerich in Immenga/Mestmäcker, GWB, 2. Aufl., § 18 GWB Rdn. 3 ff.), kann das Tatbestandsmerkmal "zu einem gemeinsamen Zweck" jedoch nur dann erfüllen, wenn seine Auslegung eigenständig unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes erfolgt (vgl. BGHZ 68, 6, 10 - Fertigbeton).
Auf eine Verfolgung "gleichgerichteter Interessen" durch die Vertragspartner ist dabei nicht abzustellen. Für die Abgrenzung von Kartellverträgen gegenüber "sonstigen Verträgen" hat die Art und Weise, wie die Interessen der beteiligten Unternehmen in einer Vereinbarung mit wettbewerbsbeschränkender Wirkung miteinander verknüpft sind, keine entscheidende Bedeutung, weil sie nicht notwendig in innerem Zusammenhang mit der objektiven Wettbewerbsschädlichkeit des gemeinsam angestrebten Verhaltens steht. Soweit der Senat insbesondere in den Entscheidungen vom 24. Februar 1975 KZR 5/74, WuW/E 1353, 1355 - Schnittblumentransport; 14. Oktober 1976 - KZR 36/75, BGHZ 68, 6, 10 - Fertigbeton; 6. März 1979 - KZR 4/78, WuW/E 1597, 1598 - Erbauseinandersetzung; 13. März 1979 - KZR 23/77, WuW/E 1600, 1601 - Frischbeton; 3. November 1981 - KZR 33/80, WuW/E 1898, 1899 - Holzpaneele - für das Tatbestandsmerkmal "gemeinsamer Zweck" auf "gleichgerichtete Interessen" der Vertragsschließenden abgestellt hat, hält er an dieser Auffassung nicht fest.
Ob die Parteien hier - wie das Berufungsgericht meint - in einem gesellschaftsähnlichen Verhältnis verbunden waren oder ob sie wechselseitig Nutzen aus der Geschäftsbeziehung zu A. ziehen wollten, ist deshalb unerheblich.
c) Der Verzicht auf das Erfordernis "gleichgerichteter Interessen" bei der Anwendung des Tatbestandsmerkmals "zu einem gemeinsamen Zweck" bedeutet indes nicht, daß eine Vielzahl von wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen in Austauschverträgen tatbestandlich von § 1 GWB erfaßt würde, die zur Vermeidung wirtschaftlich verfehlter Ergebnisse im Wege der Tatbestandsrestriktion vom Kartellverbot wieder ausgenommen werden müßte. Vielmehr erfordert und ermöglicht es eine an der Zielsetzung des Gesetzes orientierte funktionale Auslegung schon im Rahmen des Tatbestandes, auf die durch den Inhalt des Vertrages begründete Wettbewerbsbeschränkung und ihre Wirkung auf dem relevanten Markt abzustellen (vgl. BGH, Urt. v. 27.5.1986 - KZR 32/84, WuW/E 2285, 2287 - Spielkarten). Ein gemeinsamer Zweck im Sinne des § 1 GWB liegt danach bei Austauschverträgen vor, wenn für die Wettbewerbsbeschränkung bei wertender Betrachtungsweise im Hinblick auf die Freiheit des Wettbewerbs ein anzuerkennendes Interesse nicht besteht.
Werden Wettbewerbsbeschränkungen in Austauschverträgen über Waren und gewerbliche Leistungen als Nebenabreden vereinbart, so dienen diese in aller Regel dem Leistungsaustausch. Da es nicht Ziel des Kartellrechts sein kann, diesen durch starre Verbote zu behindern, hat der Senat in ständiger Rechtsprechung vertreten, daß solche Wettbewerbsbeschränkungen dann nicht als zu einem gemeinsamen Zweck vereinbart anzusehen sind, wenn sie zur Erreichung des kartellrechtsneutralen Hauptzwecks des Vertrages sachlich geboten sind (vgl. nur BGH WuW/E 2285, 2288 - Spielkarten m.w.N.).
aa) Hierzu zählt die von der Klägerin eingegangene Verpflichtung zum Bezug sämtlicher von A. bestellter Druckgußteile von den Beklagten. Die Bezugsbindung bildet das Äquivalent für die ständige Lieferbereitschaft der Beklagten und dient ersichtlich keinem weiteren über den Leistungsaustausch hinausgehenden gemeinsamen Zweck. Ihre kartellrechtliche Beurteilung richtet sich deshalb, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ausschließlich nach § 18 Abs. 1 Nr. 2 GWB.
bb) Von der ausschließlich das Vertikalverhältnis zwischen den Parteien betreffenden Ausschließlichkeitsbindung der Klägerin unterscheidet sich die Kundenschutzzusage der Beklagten dadurch, daß sich die Parteien in bezug auf den Handel mit Druckgußteilen auf demselben Markt als potentielle Wettbewerber gegenüberstehen; die Beschränkung der wirtschaftlichen Freiheit der Beklagten hat mithin - unbeschadet des Unterschiedes der Marktstufen - auch horizontale Wirkung. Anders als in Fällen, in denen Wettbewerber die Abgrenzung von Kundenkreisen als selbständige Leistungspflicht festlegen und damit regelmäßig einen gemeinsamen Zweck im Sinne des § 1 GWB verfolgen (vgl. BGH, WuW/E 2285, 2287 Spielkarten; WuW/E 1898, 1899 - Holzpaneele; WuW/E 1597, 1599 - Erbauseinandersetzung), war die hier vereinbarte Kundenschutzzusage jedoch ebenso wie die vertikale Bezugsbindung der Klägerin im wesentlichen auf die Sicherung des kartellrechtsneutralen - Leistungsaustauschs gerichtet.
Soweit das Berufungsgericht dies verneint, halten seine Ausführungen rechtlicher Überprüfung nicht stand. Zwar ist die Beurteilung, ob eine Wettbewerbsbeschränkung in einem Austauschvertrag sachlich geboten ist, im wesentlichen Tatfrage und kann vom Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüft werden (vgl. BGH, Urt. v. 3.11.1981 - KZR 33/80, WuW/E 1898, 1900 - Holzpaneele). Die Urteilsgründe müssen aber erkennen lassen, daß das Berufungsgericht eine Gesamtwürdigung des Vertrages unter Berücksichtigung der mit dem Vertrag verfolgten wirtschaftlichen Ziele, der Umstände, die zum Vertragsschluß geführt haben, und der Entwicklung der Beziehungen zwischen den Parteien vorgenommen hat (BGH, Urt. v. 24.10.1995 - KZR 3/95, WuW/E 3017, 3019 - Jutefilze). Daran fehlt es hier. Insbesondere lassen die Ausführungen des Berufungsgerichts unbeachtet, daß es sich bei der zwischen den Parteien bestehenden Lieferbeziehung um ein Absatzmittlerverhältnis handelt, in dem neben dem bloßen Austausch von Waren zusätzliche Leistungen erbracht werden. Absatzmittler bewirken in der Regel eine Belebung des Wettbewerbs, indem sie besondere Anstrengungen unternehmen, um die Marktchancen des Herstellers zu fördern (vgl. Baums JuS 1990, 608, 610). Daraus ergibt sich zugleich die wirtschaftliche Notwendigkeit von Wettbewerbsbeschränkungen, die verhindern, daß der Hersteller ohne eigenen Aufwand aus den Bemühungen des Absatzmittlers Nutzen zieht; denn der Zwischenhändler wird Investitionen, die dem Interesse des Herstellers dienen, nur dann erbringen, wenn deren Rentabilität sichergestellt ist (vgl. Peters aaO. S. 52 f.; zur entsprechenden Problematik bei Art. 85 EGV vgl. Fritzsche ZHR 160 (1996), S. 31, 39; Lenz, Komm. zum EG-Vertrag, Art. 85 Rdn. 77).
Hier hat die Klägerin - nach ihrem revisionsrechtlich zu unterstellenden Vortrag mit erheblichem finanziellen Aufwand - A. zunächst als Kunden für die von den Beklagten hergestellten Produkte geworben. Es liegt auf der Hand, daß sie deshalb ein Interesse daran hatte, aus der Akquisition des Abnehmers auch für sich selbst angemessenen Nutzen zu ziehen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bedurfte es dazu auch des Ausschlusses "passiven" Wettbewerbs in der Weise, daß die Beklagten ein von A. ausgehendes Angebot zu direkten Lieferbeziehungen ohne Zustimmung der Klägerin nicht annehmen durften. Nach der Herstellung eines unmittelbaren Kontakts konnten nicht nur die Beklagten, sondern auch A. aus Gründen der Kostenersparnis ein Interesse daran haben, die Klägerin als Zwischenhändlerin aus der Dauerlieferbeziehung hinauszudrängen. Zur Sicherung des Leistungsaustauschs, der hier auch die Werbung der A. als Abnehmer für die von den Beklagten hergestellten Waren erfaßte, war die Kundenschutzzusage daher grundsätzlich sachlich geboten (vgl. auch BGH, Beschl. v. 18.12.1979 - KZR 16/79, WuW/E 1693).
d) Eine "überschießende" Wettbewerbsbeschränkung könnte sich allerdings daraus ergeben, daß die Kundenschutzzusage weder eine zeitliche Begrenzung enthält, noch Kündigungsmöglichkeiten vorsieht. Auch ohne ausdrücklichen Ausschluß kommt eine Berechtigung zur ordentlichen Kündigung, wie sie das Berufungsgericht unter Hinweis auf eine gesellschaftsähnliche Verbindung der Parteien aus § 723 Abs. 1 Satz 1 BGB herleitet, nicht in Betracht (a.A. Martinek/Semmler, Handbuch des Vertriebsrechts, 1996 S. 587). Dies ergibt sich aus dem Wesen der Kundenschutzzusage, die bei einer jederzeitigen Kündigungsmöglichkeit inhaltlich ins Leere ginge. Ohne einen wichtigen Grund, der die Vertragsparteien zur außerordentlichen Kündigung berechtigen würde, wären die Beklagten daher dauerhaft von einer unmittelbaren Belieferung der A. ausgeschlossen. Zwar ist hier - schon wegen der Beschränkung auf einen einzelnen Abnehmer - nicht ersichtlich, daß die Kundenschutzvereinbarung die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit der Beklagten unvertretbar im Sinne des § 138 BGB beeinträchtigte. Dies schließt aber angesichts der unterschiedlichen Schutzrichtung des § 1 GWB, der Wettbewerbsbeschränkungen wegen ihrer Außenwirkung auf den Markt untersagt, eine kartellrechtliche (Teil-)Unwirksamkeit nicht aus (vgl. BGH, Urt. v. 19.10.1993 - KZR 3/92, NJW 1994, 384, 386 Ausscheidender Gesellschafter; vgl. auch Lammel AcP 189 (1989) S. 244, 256 ff.; Pietzke in Festgabe für Beier, 1996, 549, 558; a.A. Oppenländer WuW 1981, 389, 395 f.).
Ob diese hier zu bejahen ist, und auf welchen zulässigen Zeitraum die Kundenschutzzusage gemäß § 139 BGB gegebenenfalls zurückzuführen ist (vgl. BGH WuW/E 1898, 1900 - Holzpaneele), bedarf weiterer tatrichterlicher Feststellungen. Insbesondere kann von Bedeutung sein, welche Aufwendungen die Klägerin für die Gewinnung der A. als Kunden erbracht und welche sonstigen laufenden Anstrengungen sie im Interesse einer Absatzförderung der Beklagten unternommen hat. Daß die Beklagten - wie vom Berufungsgericht unterstellt - absatzfördernde Maßnahmen auch selbst hätten ergreifen können, schließt deren Bedeutung für die Sicherung des Leistungsaustauschs nicht notwendig aus.
4. Sollte sich ergeben, daß die Kundenschutzvereinbarung wegen einer zeitlichen Überdehnung zumindest insoweit zu einem gemeinsamen Zweck geschlossen war, so wäre weiter zu prüfen, ob sie insoweit auch geeignet ist, die Marktverhältnisse spürbar zu beeinflussen. Auch hierfür bedarf es gegebenenfalls ergänzender tatsächlicher Feststellungen durch das Berufungsgericht.
So durfte dieses nicht auf die Abgrenzung des räumlich und sachlich relevanten Marktes sowie die Feststellung der auf diesem Markt auftretenden Anbieter und Nachfrager und deren Marktstärke verzichten. Wenn sich nämlich auf der Anbieterseite - wie von der Klägerin behauptet - eine größere Anzahl von Marktteilnehmern betätigte, so hätte A. ohne unverhältnismäßige Schwierigkeiten auf diese ausweichen können. Eine spürbare, d.h. praktisch ins Gewicht fallende Marktbeeinflussung durch das Kundenschutzabkommen wäre unter diesen Voraussetzungen zu verneinen. Dem steht nicht entgegen, daß ein Lieferantenwechsel als solcher für A. aus technischen Gründen beschwerlich und kostenaufwendig gewesen wäre; denn ein solcher Umstand ist mit allgemeinen Marktstörungen, wie sie infolge von Mangelerscheinungen (vgl. BGHZ 68, 6, 11 - Fertigbeton), Einschränkungen durch gesetzliche Vorgaben (vgl. BGHZ 129, 53, 59 - Importarzneimittel) oder der in einer bestimmten Branche verbreiteten Gepflogenheit von Submissionsabsprachen (BGH, Urt. v. 14.4.1983 - KRB 4/82, WuW/E 2000, 2002 - Beistand bei Kostenangeboten) auftreten können, nicht vergleichbar. Auch kann gerade in Fällen, in denen nur einer von vielen Marktteilnehmern der Marktgegenseite von der in einem Austauschvertrag vereinbarten Wettbewerbsbeschränkung betroffen ist, nicht ohne weiteres unterstellt werden, daß die Parteien die Wettbewerbsbeschränkung nicht vereinbart hätten, wenn sie sich von ihr keine spürbare Beeinflussung der Wettbewerbsverhältnisse im oben genannten Sinne versprochen hätten (vgl. Steindorff BB 1977, 569, 571).
II. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht deshalb als im Ergebnis zutreffend, weil die Beklagten die Kundenschutzvereinbarung zum 31. Dezember 1988 aus wichtigem Grund wirksam gekündigt hätten.
Einen wichtigen Grund, der eine außerordentliche Kündigung rechtfertige, hat das Berufungsgericht in einer hohen Gefährdung des mit dem Vertrag vom 12. November 1985 verfolgten Zweckes gesehen. Wegen der technischen Probleme, die infolge der Einschaltung der Klägerin als Zwischenhändlerin nicht hätten gelöst werden können, habe die Gefahr bestanden, A. werde zu einem dritten Lieferanten wechseln. Darauf, ob A. einen solchen Wechsel tatsächlich vollzogen hätte, komme es nicht an; maßgeblich sei allein die Sicht der Beklagten. Es könne kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, daß diese den Verlust des Kunden ernstlich hätten befürchten müssen.
Diese Ausführungen halten den Verfahrensrügen der Revision nicht stand. Mit Recht beanstandet die Revision, daß das Berufungsgericht sich seine Überzeugung von dem drohenden Abbruch der Zusammenarbeit mit A. nur auf der Grundlage der Angaben des in erster Instanz vernommenen Zeugen H. gebildet habe. Zwar bedarf es für die Würdigung der Sach- und Rechtslage keines ausdrücklichen Eingehens auf jedes einzelne Vorbringen der Partei oder jedes Beweismittel, sofern sich aus dem Berufungsurteil ergibt, daß eine sachentsprechende Beurteilung überhaupt stattgefunden hat. Daran aber fehlt es hier. So ist nicht erkennbar, daß das Berufungsgericht die Aussage des Zeugen Ha. in seine Überzeugungsbildung einbezogen hat. Dieser hatte im Gegensatz zu dem Zeugen H. bekundet, daß aus seiner Sicht nicht technische Probleme, sondern ausschließlich Kostenerwägungen A. veranlaßt hätten, sich von den Beklagten unmittelbar beliefern zu lassen. Eine Ankündigung gegenüber den Beklagten, sich einen anderen Hersteller suchen zu wollen, hat keiner der beiden Zeugen bekundet. Die vom Berufungsgericht angeführten Rückgänge der von A. bei den Beklagten bezogenen Erzeugnisse geben ebenfalls keinen Hinweis auf einen drohenden Lieferantenwechsel, weil dies auch auf einem insgesamt zurückgegangenen Bedarf an Druckgußteilen bei A. beruhen kann. Schließlich hätte sich das Berufungsgericht auch mit dem von ihm in anderem Zusammenhang als unstreitig bezeichneten Umstand auseinandersetzen müssen, daß der Wechsel zu einem dritten Lieferanten für A. mit erheblichen technischen Schwierigkeiten verbunden gewesen wäre. Da diese Schwierigkeiten auch den Beklagten bekannt waren, ist nicht nachvollziehbar, weshalb für das Berufungsgericht allein aufgrund der Aussage des Zeugen H. "daran, daß die Beklagten Ende 1988 den Verlust des Kunden A. ernstlich befürchten mußten ..., ein vernünftiger Zweifel nicht bestehen" konnte.
III. Das Berufungsurteil war danach aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 2993453 |
DB 1997, 2117 |
NJW 1997, 2324 |
NJW-RR 1997, 1198 |
GRUR 1997, 675 |
WM 1997, 1545 |
JuS 1998, 272 |
WRP 1997, 768 |
NJWE-WettbR 1997, 234 |