Leitsatz (amtlich)
›a) Das Setzen einer Nachfrist vor Verzugseintritt ist unwirksam.
b) Endet die gesetzte Nachfrist vor Eintritt des Verzuges, wird auch dann keine angemessene Nachfrist in Lauf gesetzt, wenn der Schuldner die Mitteilung verspätet und zugleich mit dem Eintritt des Verzuges erhält.‹
Verfahrensgang
OLG Naumburg |
LG Magdeburg |
Tatbestand
Mit notariellem Vertrag vom 2. Juli 1991 verkaufte die Klägerin dem Beklagten, wie bereits am 27. März 1991 privatschriftlich vereinbart, ein Geschäftsgrundstück in W zum Preise von 300.000 DM. Der Kaufpreis sollte drei Wochen nach Mitteilung des Notars an den Käufer vom Eintritt bestimmter vereinbarter Fälligkeitsvoraussetzungen zu zahlen sein. Am 25. November 1991 ging dem Beklagten die entsprechende Notarmitteilung zu. Mit Schreiben vom 12. Dezember 1991, dem Beklagten zugegangen am 17. Dezember 1991, setzte die Klägerin ihm eine "letzte Frist bis Montag, den 16. Dezember 1991" zur Zahlung, verbunden mit der Androhung "den Vertrag zurückzuziehen", wenn der Kaufpreis bis dahin nicht bei ihrer Bank eingegangen sei. Da dies bis 9. Januar 1992 nicht geschehen war, erklärte die Klägerin den Rücktritt vom Vertrag und forderte den Beklagten auf, die Bewilligung zur Löschung der Auflassungsvormerkung zu erklären. Am 10. März 1992 teilte der Beklagte mit, der Kaufpreis liege abrufbereit bei der V W.
Die Klägerin hat mit der vorliegenden Klage vom Beklagten die Zustimmung zur Löschung der im Grundbuch für ihn eingetragenen Auflassungsvormerkung gefordert. Der Beklagte hat neben der Klageabweisung hilfsweise beantragt, die Klägerin zur Zahlung von 420.182,53 DM zu verurteilen, Zug um Zug gegen Löschungsbewilligung. Nur die Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg.
Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag, hilfsweise die geltend gemachte Zug-um-Zug-Verurteilung, weiter. Die Klägerin erklärt in erster Linie die Hauptsache für erledigt, da auf Bewilligung des Rechtsnachfolgers des Beklagten, dem er den Kaufanspruch abgetreten gehabt habe, die Vormerkung gelöscht worden sei; sie erstrebt weiter Abweisung der Hilfswiderklage.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hält den Anspruch auf Zustimmung des Beklagten zur Löschung der Auflassungsvormerkung nach § 894 BGB für begründet, da die Klägerin wirksam gemäß §§ 326, 327, 346 ff BGB vom Kaufvertrag zurückgetreten sei. Zwar sei Fälligkeit des Kaufpreises erst drei Wochen nach Zugang der Mitteilung der Fälligkeitsvoraussetzungen durch den Notar beim Beklagten und damit am 17. Dezember 1991 eingetreten. Durch das am gleichen Tage zugegangene Mahnschreiben der Klägerin vom 12. Dezember 1991 sei der Beklagte auch in Verzug geraten. Dagegen fehle es an einer wirksamen Nachfristsetzung. Eine Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung sei entbehrlich gewesen, da das Verhalten des Beklagten nach Fälligkeitseintritt als ernstliche und endgültige Erfüllungsverweigerung anzusehen sei und eine weitere Fristsetzung zwecklos gewesen wäre.
II. Die Revision hat Erfolg.
Die Hauptsache kann zwar grundsätzlich auch in der Revisionsinstanz für erledigt erklärt werden (BGHZ 106, 359, 368), wenn - wie hier - das erledigende Ereignis unstreitig ist. Die Erledigungserklärung der Klägerin ist jedoch unbegründet; die Klage war von Anfang an erfolglos.
1. Im Ergebnis zu Recht geht das Berufungsgericht davon aus, daß es für den mit Schreiben vom 9. Januar 1992 erklärten Rücktritt an der nach § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB notwendigen Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung fehlt. Dies gilt selbst wenn, wie die Revisionserwiderung meint, entgegen der Auslegung der Zahlungsklausel in § 2 des Kaufvertrages durch das Berufungsgericht, Fälligkeit nicht erst am 17., sondern schon mit Ablauf des 16. Dezember eingetreten wäre.
a) Zwar könnte eine nur zu kurz bemessene Nachfrist in der Regel eine angemessene Frist in Lauf setzen (vgl. z.B. Senat, Urt. v. 21. Juni 1985, V ZR 134/84, NJW 1985, 2640 m.N.). Dieser Grundsatz kann jedoch nicht - wie die Revisionserwiderung dies erstrebt - auf eine Frist ausgedehnt werden, die, wie hier, bereits abgelaufen war, als der Schuldner davon - nämlich am 17. Dezember 1991 - Kenntnis erhielt. In einem solchen Fall kann von einer "zu kurzen" Frist nicht mehr die Rede sein. Zudem ist, schon dem Wortlaut des § 326 Abs. 1 BGB nach, das Setzen einer Nachfrist vor Verzugseintritt grundsätzlich unwirksam (RGZ 93, 180, 182). Dies muß dann erst recht gelten, wenn die gesetzte Frist bereits vor Eintritt des Verzuges endet, mag der Schuldner die Mitteilung davon auch verspätet und deshalb zugleich mit der Inverzugsetzung erhalten. Der dem § 326 Abs. 1 BGB zugrundeliegende Gedanke, dem Schuldner nach, oder mindestens mit, Eintritt des Verzuges eine kurze (letzte) Frist zur Leistung vor deren Ablehnung zu gewähren, würde in sein Gegenteil verkehrt, wenn auch das Setzen einer Frist, die vor Eintritt des Verzuges bereits endet, dieselbe Rechtswirkung zu erzeugen vermöchte.
b) Die fehlende Nachfrist liegt auch nicht, was das Berufungsgericht offengelassen hat und was die Revisionserwiderung zur Überprüfung stellt, in der Erhebung der Klage. Denn die Klägerin hat mit der Klage bereits Rechte aus einem ihrer Meinung nach rechtswirksam erfolgten Rücktritt gerichtlich durchsetzen wollen. Die Nachfristsetzung hingegen muß die Aufforderung an den Gläubiger enthalten, die geschuldete Leistung zu bewirken, um ihm eine letzte Chance zur ordnungsgemäßen Durchführung des Vertrages zu eröffnen (Senatsurt. v. 21. Juni 1985, V ZR 134/84, WM 1985, 1106, 1107 m. zahlr.N.). Gerade wegen dieser Warnfunktion sind die in § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB genannten Förmlichkeiten einzuhalten. Dem genügt die Erhebung einer Klage auf Rückabwicklung des Geschäfts nicht.
2. Zu Recht wendet sich die Revision gegen die Erwägungen des Berufungsgerichts, mit denen es die fehlende Nachfristsetzung für entbehrlich hält und eine ernstliche und endgültige Erfüllungsverweigerung des Beklagten annimmt. Das Berufungsgericht stützt sich für diese Feststellung darauf, daß der Beklagte nach Fälligkeit und bis zur letzten mündlichen Verhandlung zwar seine Bereitschaft zur Zahlung erklärt nicht aber gezahlt habe sowie darauf, daß er sich im Prozeß damit verteidigt habe, nicht in Verzug gesetzt worden zu sein. Aus einem solchen Verhalten läßt sich jedoch eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung jedenfalls dann nicht ableiten, wenn, wie hier, nicht etwa Erfüllung gefordert, sondern Rechte aus einem erklärten Rücktritt geltend gemacht werden. An die Annahme einer endgültigen Erfüllungsverweigerung sind strenge Anforderungen zu stellen. Das Verhalten des Schuldners muß zweifelsfrei ergeben, daß er sich über das auf die vertragliche Leistung gerichtete Erfüllungsverlangen des Gläubigers - an der es hier schon fehlt, weil die Gläubigerin Erfüllung gerade nicht mehr wollte - klar ist und ohne Rücksicht auf die möglichen Folgen seine Weigerung zum Ausdruck bringt (BGH, Urt. v. 21. Oktober 1992, XII ZR 173/90, WM 1993, 388, 390). Das ist regelmäßig nur dann der Fall, wenn der Schuldner sich beharrlich weigert, die Leistung zu erbringen, z.B. indem er erklärt, er könne diese keinesfalls oder jedenfalls nicht innerhalb einer angemessenen Nachfrist liefern. Denn dann entbehrt die Nachfrist ihres Sinnes, dem Schuldner die letzte zeitliche Gelegenheit zu vertragsgerechtem Verhalten einzuräumen (BGH, Urt. v. 30. Oktober 1991, VIII ZR 9/91, BGHR BGB § 326 Abs. 1 Satz 1 Erfüllungsverweigerung 1 m.w.N. und Beispielen). Davon kann hier keine Rede sein. Daß die Klägerin schon vor ihrer am 9. Januar 1992 abgegebenen Rücktrittserklärung davon ausgehen konnte, der Beklagte werde trotz einer den Voraussetzungen des § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB entsprechenden Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung nicht leisten, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Auch die Revisionserwiderung verweist insoweit nicht auf Sachvortrag in den Tatsacheninstanzen. In der Folgezeit aber hat der Beklagte mehrfach seine Leistungsbereitschaft erklärt. Er hat unstreitig nicht nur vor Klageerhebung mitgeteilt, daß der Kaufpreis abrufbereit bei der V W liege. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat er Zahlungsbelege dazu vorgelegt, daß der Kaufpreis auf Notaranderkonto gezahlt worden sein soll. Es war die Klägerin, die auf diese Angebote nicht reagiert, sondern auf. Rückabwicklung des Vertrages beharrt hat. Damit ist die Annahme, daß der Schuldner auch bei Setzen einer angemessenen Nachfrist nicht geleistet haben würde, sowohl was die Zahlungswilligkeit als auch, was die Zahlungsfähigkeit angeht, unvereinbar.
Ebenso bietet das Verhalten des Beklagten während des laufenden Verfahrens keine Grundlage für die Schlußfolgerung des Berufungsgerichts, daß der Beklagte die Leistung endgültig verweigern wollte. Da die Klägerin ihrerseits nicht Erfüllung, sondern Rückabwicklung gefordert hat, hat der Beklagte mit seiner Weigerung, die Löschung zu bewilligen, ebensowenig die ihm nach dem Vertrag obliegende Leistung verweigert wie mit dem Hinweis darauf, daß die Voraussetzungen des § 326 BGB nicht vorlägen. Er hat sich damit nur gegen eine unbegründete Klage verteidigt. Die Zahlung des Kaufpreises oder eine entsprechende Weigerung, den Kaufpreis zu zahlen, ist, worauf die Revision zu Recht verweist, gar nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen.
3. Fehlt es danach schon mangels hinreichender Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung, bzw. einer endgültigen Erfüllungsverweigerung seitens des Beklagten, an der Voraussetzung für die Klägerin, vom Vertrage zurückzutreten, kommt es nicht mehr auf die weiteren Rügen der Revision zu eventuellem vertragsuntreuen Verhalten der Klägerin an.
Die Klage ist vielmehr unter Aufhebung der Urteile von Landgericht und Berufungsgericht abzuweisen.
Auf die hilfsweise erhobene Widerklage kommt es deshalb nicht an.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO; jedoch hat der Beklagte die durch seine Säumnis verursachten Kosten selbst zu tragen (§ 344 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 2993394 |
BB 1996, 1133 |
DB 1996, 1335 |
NJW 1996, 1814 |
BGHR BGB § 326 Abs. 1 S. 1 Nachfrist 1 |
DRsp I(125)456c-d |
JR 1997, 244 |
WM 1996, 1145 |
ZIP 1996, 925 |
DNotZ 1997, 622 |
JuS 1996, 937 |
MDR 1996, 892 |
VersR 1997, 70 |