Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob einem früheren Bürger der DDR wegen des Schadens, den er infolge einer rechtsstaatswidrigen Inhaftierung in der DDR erlitten hat, auf der Grundlage des Deliktsrechts oder des Staatshaftungsrechts Schadensersatzansprüche gegen die PDS als Rechtsnachfolgerin der SED zustehen können.
Normenkette
ZGB DDR § 11; ZGB DDR § 330; ZGB DDR § 331; DDR: StHG § 1
Verfahrensgang
KG Berlin (Urteil vom 06.06.1997) |
LG Berlin |
Nachgehend
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Kammergerichts vom 6. Juni 1997 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte zu 1), die Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS), als Rechtsnachfolgerin der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) auf Zahlung von Schadensersatz wegen Verdienstausfalls in der Zeit seiner Inhaftierung in der früheren DDR in Anspruch. Er richtet seine Klage auch gegen die Beklagte zu 2), die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS), als Treuhänderin des Parteivermögens der SED.
Der Kläger, der seinerzeit in der DDR wohnhaft und bei einem Volkseigenen Betrieb als Technologe beschäftigt war, beabsichtigte, aus politischen Gründen die DDR zu verlassen. Er beantragte 1984 erfolglos die Genehmigung seiner Übersiedlung in das sogenannte nichtsozialistische Ausland und seine Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR. In der Folgezeit wandte er sich u.a. unmittelbar schriftlich an den Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, um seinem Anliegen Nachdruck zu verleihen. Auch richtete er einen Leserbrief an die Tageszeitung „Neues Deutschland”. Im Frühjahr 1985 schloß er sich darüber hinaus mit weiteren Ausreisewilligen zu einer Interessengemeinschaft zusammen, die gemeinsam für ihre Übersiedlungspläne eintraten und mehrfach Kontakt zu ausländischen Politikern aufnahmen. Der Kläger selbst wandte sich brieflich an das Menschenrechtskomitee der Vereinten Nationen in Genf.
Am 3. Mai 1985 leitete die zuständige Bezirksverwaltung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) eine „operative Personenkontrolle” gegen den Kläger ein, die u.a. dem Ziel dienen sollte, dessen Freundes- und Verbindungskreis zu ermitteln sowie seine „politische Einstellung und ideologische Position” und die Hintergründe seines Ausreiseverlangens zu klären. Am 16. September 1985 wurde der Kläger verhaftet. Durch Urteil des Stadtgerichts Berlin vom 10. April 1986 wurde er wegen eines Verbrechens des „Zusammenschlusses zur Verfolgung gesetzwidriger Ziele in Tateinheit mit gemeinschaftlicher teilweise mehrfacher ungesetzlicher Verbindungsaufnahme” zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt, die er teilweise verbüßte, bis er nach einem „Freikauf” durch die Bundesregierung am 24. September 1986 in die Bundesrepublik Deutschland entlassen wurde. Durch Beschluß des Landgerichts Berlin vom 7. November 1991 wurde die strafgerichtliche Verurteilung aufgehoben und der Kläger rehabilitiert; zugleich wurde ihm ein Anspruch auf soziale Ausgleichsleistungen für die durch den Freiheitsentzug erlittenen Nachteile zuerkannt.
Der Kläger ist der Auffassung, seine Inhaftierung sei als rechtswidrige, auf politischen Motiven beruhende Freiheitsberaubung anzusehen, die auf unmittelbare Veranlassung und mit Unterstützung der SED erfolgt sei. Das Ministerium für Staatssicherheit sei lediglich ein Exekutivorgan dieser Partei gewesen und habe seine Aufgaben auf der Grundlage des Parteiprogramms sowie der Beschlüsse des Zentralkomitees und des Politbüros erfüllt. Die SED habe insbesondere in einem Beschluß ihres Zentralkomitees vom 16. Februar 1977 Weisungen (auch zur strafrechtlichen Verfolgung) erteilt, die „der Unterbindung rechtswidriger Versuche von Bürgern der DDR, die Übersiedlung nach nichtsozialistischen Staaten und Westberlin zu erreichen”, dienen sollten. Über solche allgemeinen Anweisungen hinaus hätten verantwortliche Stellen der SED hier gezielt auf die Verhaftung und strafrechtliche Verurteilung des Klägers Einfluß genommen; die gegen ihn vollzogenen Maßnahmen seien nicht durch gesetzliche Rechtsgrundlagen gedeckt, sondern auf innerparteiliche Befehle und Anordnungen zurückzuführen. Für das rechtswidrige Vorgehen der SED habe die Beklagte zu 1) haftungsrechtlich einzustehen; in die Schadensersatzhaftung sei gegebenenfalls auch das von der Beklagten zu 2) verwaltete „Altvermögen” der Partei einbezogen.
Das Landgericht hat die auf Erstattung eines Teilbetrags des Verdienstausfalls des Klägers in Höhe von 10.001 DM gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit seiner (zugelassenen) Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht erachtet die Klage schon deswegen als unbegründet, weil sich dem Vorbringen des Klägers nicht entnehmen lasse, daß SED-Funktionäre in dieser Eigenschaft auf seine Inhaftierung konkreten Einfluß genommen hätten. Dies sei jedoch unerläßlich für eine an den Vorschriften des hier maßgeblichen DDR-Rechts zu messende Verantwortlichkeit der Partei. Im übrigen enthielten weder das Zivilgesetzbuch (ZGB) der DDR noch das Gesetz zur Regelung der Staatshaftung Bestimmungen, aus denen sich eine nunmehr die Beklagten treffende Haftung der SED herleiten lasse. Die Voraussetzungen einer deliktsrechtlichen Verantwortlichkeit im Sinne des § 331 Satz 1 i.V.m. § 11 Abs. 3 ZGB seien nicht erfüllt, weil danach eine Haftung gesellschaftlicher Organisationen (und damit auch einer politischen Partei) nur in Betracht komme, „soweit sie zivilrechtliche Beziehungen eingehen”; die Lenkung der Justiz der DDR durch die SED erfülle dieses Tatbestandsmerkmal jedoch nicht. Auch auf das Staatshaftungsgesetz der DDR lasse sich der Klageanspruch nicht stützen, weil der SED die dort vorausgesetzte Eigenschaft als „staatliches” Organ oder Einrichtung gefehlt habe. Zur Ausfüllung einer insoweit bestehenden Haftungslücke im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung sehe sich das Gericht außer Stande.
II.
Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision stand. Das Berufungsgericht hat rechts- und verfahrensfehlerfrei eine Haftung der Beklagten zu 1) als Rechtsnachfolgerin der SED sowie der Beklagten zu 2) als Treuhänderin über deren „Altvermögen” für den vom Kläger geltend gemachten Schaden sowohl aus den Vorschriften des Deliktsrechts als auch denjenigen des Staatshaftungsrechts verneint.
1. Zutreffend zieht das Berufungsgericht zur Beurteilung des Schadensersatzanspruchs des Klägers, den er aus in den Jahren 1984 bis 1986 vorgenommenen Eingriffen in seine geschützten Rechtsgüter herleiten will, das materielle Recht der ehemaligen DDR heran (vgl. Art. 232 § 10 EGBGB). Die danach gebotene Auslegung und Anwendung der Rechtsvorschriften der DDR hat unter Berücksichtigung der dortigen Rechtspraxis zu erfolgen; die betreffenden Rechtsnormen sind grundsätzlich so anzuwenden, wie sie von den Gerichten der DDR angewandt worden wären (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BGHZ 123, 65, 68; 126, 87, 91; Senatsurteile vom 25. März 1997 – VI ZR 63/96 – VersR 1997, 844, 845 und vom 21. April 1998 – VI ZR 230/97 – VersR 1998, 995, 996).
2. Das Berufungsgericht geht zu Recht davon aus, daß vorliegend eine deliktsrechtliche Verantwortlichkeit der SED auf der Grundlage der §§ 330, 331 des Zivilgesetzbuchs der DDR (im folgenden: ZGB) an sich in Betracht kommt. Die Rügen der Revision, die sich gegen die Überlegungen richten, mit denen im Berufungsurteil ein Schadensersatzanspruch des Klägers auf dieser Rechtsgrundlage verneint wird, greifen jedoch nicht durch.
a) Nach § 330 ZGB ist Ersatz für einen Schaden zu leisten, den ein Bürger oder Betrieb unter Verletzung ihm obliegender Pflichten rechtswidrig verursacht hat. Eine derartige Pflichtverletzung kann in der – auch mittelbar bewirkten – Herbeiführung der Freiheitsberaubung eines Menschen im Sinne des § 131 des Strafgesetzbuchs der DDR liegen; einen pflichtwidrig verursachten Schaden vermag gemäß § 324 ZGB auch die Beeinträchtigung des persönlichen Eigentums eines Bürgers darzustellen, zu dem dessen Arbeitseinkünfte zählen, auf deren Entziehung der Kläger vorliegend seinen Schadensersatzanspruch wegen Verdienstausfalls stützt (vgl. zu diesen Fragen im einzelnen BGHZ 127, 195, 199 f. m.w.N.).
b) Gemäß § 331 i.V.m. § 11 Abs. 3 ZGB konnte eine deliktsrechtliche Haftung aus § 330 ZGB grundsätzlich auch die SED als politische Partei treffen.
Nach § 331 ZGB hatte dann, wenn ein Mitarbeiter eines Betriebes „in Erfüllung ihm obliegender betrieblicher Aufgaben” einen Schaden verursachte, der Betrieb diesen zu ersetzen; eine unmittelbare Haftung des Mitarbeiters hingegen schied aus. § 11 Abs. 3 ZGB stellte u.a. „gesellschaftliche Organisationen” (zu denen auch politische Parteien gehörten, vgl. Kommentar zum Zivilgesetzbuch der DDR, 2. Aufl., 1985, Anm. 3 zu § 11 ZGB) für den Bereich des Zivilgesetzbuchs den Betrieben gleich, allerdings nur, „soweit sie zivilrechtliche Beziehungen eingehen”; § 11 Abs. 3 ZGB ist auch im Rahmen des § 331 ZGB heranzuziehen (vgl. Kommentar zum ZGB aaO, Anm. 2 zu § 331 ZGB). Die Tätigkeit der Mitarbeiter wurde insoweit als Tätigkeit des Betriebes bzw. der gesellschaftlichen Organisation selbst betrachtet; es ging hier nicht um eine Haftung für Dritte, sondern um eine Verantwortlichkeit für Schäden, die aus der eigenen Tätigkeit des Betriebes oder der gesellschaftlichen Organisation erwachsen (vgl. Göhring/Posch, Zivilrecht, Lehrbuch, Teil 2, 1981, S. 196 unter 8.4.1.3.).
c) Das Berufungsgericht hat – entgegen der Auffassung der Revision – die Voraussetzungen einer aus dieser rechtlichen Regelung resultierenden Verantwortlichkeit der SED für den vom Kläger geltend gemachten Schaden rechtsfehlerfrei als nicht erfüllt angesehen.
aa) Soweit die Revision auf eine Haftung der SED für das Verhalten der gegen den Kläger tätig gewordenen Richter abstellen will, weil alle Richter in der DDR Mitglieder der SED und deren Willen und Weisungen unterworfen gewesen seien, somit „parteilich” zu entscheiden gehabt und dies auch getan hätten, steht dem bereits entgegen, daß die Richter nicht als Mitarbeiter der SED im Sinne der §§ 331, 11 Abs. 3 ZGB, erst recht nicht im Rahmen zivilrechtlicher Beziehungen, tätig geworden sind; das gilt unabhängig von ihrer Parteimitgliedschaft und von der Frage der politischen Lenkung der Justiz durch die Partei.
Zwar konnten Mitglieder gesellschaftlicher Organisationen den Mitarbeitern im genannten Sinne gleichstehen, jedoch nur dann, wenn sie „in Erfüllung ihnen obliegender organisatorischer Aufgaben” Schäden verursachten (vgl. Kommentar zum ZGB aaO, Anm. 2 zu § 331 ZGB). Sie mußten also eine der gesellschaftlichen Organisation als solcher obliegende Tätigkeit wahrnehmen und ihr insoweit unmittelbar zugeordnet sein; eine darüber hinausgehende allgemeine deliktische Verantwortlichkeit für Dritte sah das Zivilgesetzbuch hingegen nicht vor (vgl. Göhring/Posch, Lehrbuch, Zivilrecht aaO, S. 197 unter 8.4.1.3.; Posch, NJ 1977, 331, 333).
Richter erfüllten jedoch bei ihrer rechtsprechenden Tätigkeit nicht im genannten Sinne „organisatorische Aufgaben” der SED, sondern solche des staatlichen Justizorgans, dem sie angehörten; sie können, auch wenn sie Parteimitglieder waren und – sei es aus innerer Überzeugung heraus, sei es im Hinblick auf die politischen Einflußnahmen der SED auf die Justiz – der Parteilinie im Rahmen der Rechtsprechung zur Durchsetzung verhelfen wollten, nicht im zivilrechtlichen Sinne der §§ 331, 11 Abs. 3 ZGB als Mitarbeiter der Partei angesehen werden (a.A. Schroeder, DtZ 1993, 203, 204). Auch wenn und soweit die Gerichte die rechtsprechende Gewalt im Interesse der von der SED bestimmten politischen Ziele ausübten, wurden die Richter als Mitarbeiter des jeweiligen Gerichts tätig, für dessen Handlungsweise sich eine zivilrechtliche deliktische Haftung der SED aus den genannten Regelungen des Zivilgesetzbuchs nicht herleiten läßt.
bb) Entsprechende Überlegungen stehen auch einer auf §§ 331, 11 Abs. 3 ZGB gegründeten Verantwortlichkeit der SED für das Vorgehen von Angehörigen anderer staatlicher Organe, etwa der Staatsanwaltschaft, der Deutschen Volkspolizei, des Innenministeriums oder des Ministeriums für Staatssicherheit, im Verfahren gegen den Kläger entgegen. Auch insoweit wurden, unabhängig von der Frage der Parteimitgliedschaft, nicht Mitarbeiter der SED im Sinne der genannten Bestimmungen des ZGB tätig, sondern Mitarbeiter der jeweiligen organisatorisch selbständigen Staatsorgane (vgl. hierzu § 1 Abs. 2 der Verordnung über die Pflichten, die Rechte und die Verantwortlichkeit der Mitarbeiter in den Staatsorganen vom 19. Februar 1969, GBl. I S. 163). Auch für die Angehörigen des Ministeriums für Staatssicherheit gilt insoweit nichts anderes; ungeachtet der besonderen Rolle, die diese Einrichtung im Rahmen der Durchsetzung der politischen Ziele der SED spielte, nahmen die MfS-Bediensteten Aufgaben eines staatlichen Organs wahr (in § 1 Abs. 1 des Statuts des Ministeriums für Staatssicherheit vom 30. Juli 1969, abgedruckt als Anlage 5 zu Florath/Mitter/Wolle, Die Ohnmacht der Allmächtigen, 1992 S. 139, wurde das Ministerium für Staatssicherheit ausdrücklich als ein „Organ des Ministerrates” definiert). Sie handelten hingegen nicht in Erfüllung der SED „obliegender organisatorischer Aufgaben” nach § 11 Abs. 3 ZGB. Darauf, daß das Vorgehen der Mitarbeiter der jeweiligen staatlichen Organe im übrigen auch nicht im Rahmen „zivilrechtlicher Beziehungen” erfolgt ist, kommt es danach nicht mehr an.
cc) Soweit der Kläger in allgemeinen Lenkungsmaßnahmen der SED gegenüber den staatlichen Sicherheits- und Justizeinrichtungen haftungsbegründende Eingriffe in seine Rechtsgüter sieht, etwa in dem im Berufungsurteil angeführten Beschluß des Zentralkomitees der SED vom 16. Februar 1977 „zur Gewährleistung des einheitlichen, abgestimmten Vorgehens der staats- und wirtschaftsleitenden Organe, Betriebe, Kombinate und Einrichtungen sowie gesellschaftlichen Organisationen zur Unterbindung rechtswidriger Versuche von Bürgern der DDR, die Übersiedlung nach nichtsozialistischen Staaten und Westberlin zu erreichen” und in dessen Durchsetzung durch Parteiorgane, geht es zwar um ein der SED unmittelbar zuzurechnendes Vorgehen ihrer Mitarbeiter, jedoch nicht um ein solches, das im Sinne des § 11 Abs. 3 ZGB „zivilrechtliche Beziehungen” betraf. Ein Zivilrechtsverhältnis ist nur dann berührt, wenn und soweit die gesellschaftlichen Organe, auch die politischen Parteien, am allgemeinen Rechtsverkehr unter Bürgern und Betrieben teilnahmen; nur in diesem Rahmen kann hierzu auch eine Verpflichtung aus „außervertraglicher Verantwortung” gehören (vgl. Kommentar zum ZGB, aaO, Anm. 3 zu § 11 ZGB).
Die vorliegend in Frage kommenden generellen Lenkungsmaßnahmen der SED haben jedoch mit derartigen zivilrechtlichen Beziehungen nichts zu tun. Sie beruhten auf dem politischen und staatsrechtlichen Selbstverständnis der SED als der die Herstellung des Sozialismus vorantreibenden Kraft; gemäß Art. 1 Abs. 1 der Verfassung der DDR sollte der Sozialismus „unter Führung der Arbeiterklasse und ihrer marxistischleninistischen Partei” verwirklicht werden. Dementsprechend waren die „Beschlüsse der Partei der Arbeiterklasse” Grundlage für die Tätigkeit aller Mitarbeiter der Staatsorgane (vgl. § 2 Abs. 2 der Verordnung über die Pflichten, die Rechte und die Verantwortlichkeit der Mitarbeiter in den Staatsorganen aaO). In diesem Rahmen ergangene Beschlüsse der Parteiorgane und deren Umsetzung vermögen – unabhängig von der Frage ihrer Rechtswidrigkeit – daher keine zivilrechtliche, aus den deliktsrechtlichen Regelungen des ZGB resultierende Verantwortlichkeit der SED zu begründen.
dd) Eine deliktsrechtliche Haftung der Beklagten käme daher allenfalls dann in Betracht, wenn Mitarbeiter der SED im vorliegenden Einzelfall in Erfüllung der ihnen obliegenden Aufgaben der Partei, jedoch innerhalb des zivilrechtlichen Rahmens durch nach den Maßstäben des anzuwendenden DDR-Rechts rechtswidrige Verhaltensweisen den geltend gemachten Schaden verursacht hätten. Das war indessen nach Auffassung des Berufungsgerichts vorliegend schon deswegen nicht der Fall, weil sich dem Prozeßvorbringen des Klägers nicht hinreichend entnehmen lasse, daß SED-Funktionäre in dieser Eigenschaft auf seine Inhaftierung konkret Einfluß genommen hätten. Diese Überlegungen sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat – entgegen der Ansicht der Revision – weder die Anforderungen an die Pflicht des Klägers zu substantiiertem Tatsachenvortrag überspannt, noch das prozessuale Gebot der Erschöpfung aller erheblichen Beweismittel verletzt. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes, daß für die Beurteilung der Substantiierungspflicht wesentlich ist, ob und in welchem Maße die vorzutragenden Geschehnisse der Wahrnehmung der Prozeßpartei zugänglich waren und inwieweit der Vortrag der Gegenpartei Anlaß zu einer weiteren Aufgliederung und Ergänzung der Sachdarstellung bietet (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 13. März 1996 – VIII ZR 36/95 – NJW 1996, 1826, 1827).
(a) Soweit die Revision auf den Tatsachenvortrag des Klägers abstellt, er sei „am 30. Juni 1984 von Arbeitskollegen gegenüber der Geschäftsleitung denunziert worden”, ist dem keine schlüssige Darlegung der Voraussetzungen einer deliktsrechtlichen Verantwortlichkeit der SED zu entnehmen. Zum einen ist dieses Vorbringen – worauf die Revisionserwiderung zu Recht hinweist – mit dem eigenen Vortrag des Klägers nicht in Einklang zu bringen, daß bereits zuvor, nämlich insbesondere am 12. April und 3. Mai 1984 „betriebliche Aussprachen” in Anwesenheit der Kaderleiterin und von Vertretern der Betriebsführung über den Ausreiseantrag des Klägers stattgefunden haben sollen. Zum anderen ist auch weder dargelegt noch ersichtlich, inwiefern der SED das Verhalten von Arbeitskollegen oder der Geschäftsleitung auf der Grundlage der dargestellten zivilrechtlichen Regelungen zuzurechnen wäre.
(b) Auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe sich nicht mit dem vom Kläger behaupteten zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zwischen seinem unter dem 9. April 1985 an die von der SED herausgegebene Zeitung „Neues Deutschland” gerichteten Leserbrief und der am 3. Mai 1985 erfolgten Einleitung der ihn betreffenden „operativen Personenkontrolle” durch die Bezirksverwaltung des MfS auseinandergesetzt, vermag keine durchgreifenden Bedenken gegen das Berufungsurteil zu rechtfertigen. Dem von der Revision herangezogenen Vorbringen sind, soweit – was offen ist – überhaupt davon auszugehen sein sollte, daß dieser Brief von einem Mitarbeiter der SED an die Staatssicherheitsbehörden weitergeleitet wurde, keine hinreichend schlüssigen Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, daß gerade dieser Brief die Einleitung der gegen den Kläger gerichteten Ermittlungen in relevanter Weise beeinflußt hat. Im übrigen ist zu bedenken: Der Leserbrief war – schon seiner Bestimmung nach – gerade darauf gerichtet, an die Öffentlichkeit und damit notwendigerweise auch zur Kenntnis der Sicherheitsorgane der DDR zu gelangen; er stand in der Reihe weiterer Schreiben, mit denen sich der Kläger unmittelbar an staatliche Stellen, bis hin zum Vorsitzenden des Staatsrats, gewandt hat. Unter diesen Umständen läßt sich aus der Behandlung dieses Leserbriefs für eine zivilrechtliche Haftung der SED nichts herleiten.
(c) Entgegen der Auffassung der Revision ist es auch rechtlich nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht auf der Grundlage des Vortrags des Klägers zur Lenkung der Justizbehörden durch die SED keine Feststellungen dahin getroffen hat, daß Mitarbeiter dieser Partei in einer der SED nach §§ 331, 11 Abs. 3 ZGB zurechenbaren Weise rechtswidrig einen ersatzpflichtigen Schaden des Klägers herbeigeführt haben.
Daß eine deliktsrechtliche Haftung der SED für das Vorgehen der Richter und Staatsanwälte und der Angehörigen des Ministeriums für Staatssicherheit sowie für Beschlüsse der Parteiorgane und deren Umsetzung im politischen Bereich der DDR nicht gegeben ist, wurde bereits erörtert. Konkrete rechtswidrige Handlungen, mit denen Mitarbeiter der SED als solche in Erfüllung ihrer Aufgaben für die Partei im zivilrechtlichen Rahmen auf das Verfahren gegen den Kläger mit den geltend gemachten Schadensfolgen eingewirkt hätten, sind dem von der Revision in Bezug genommenen Tatsachenvortrag des Klägers nicht hinreichend zu entnehmen.
(d) Dem Kläger können insoweit auch keine Erleichterungen der Darlegungs- und Beweislast zugute kommen. Der Revision kann insbesondere nicht dahin gefolgt werden, daß sich der Kläger auch ohne näheren Tatsachenvortrag auf die Grundsätze des Anscheinsbeweises berufen könne. Denn es fehlt, was die hier maßgeblichen tatsächlichen Voraussetzungen einer deliktsrechtlichen Haftung der SED angeht, an dem erforderlichen typischen Geschehensablauf. Zwar spricht viel dafür, daß in zahlreichen Verfahren mit einem politischen Hintergrund, wie er auch hier gegeben ist, insbesondere von den Organen der Staatssicherheit – in Verwirklichung der politischen Ziele der SED – Strategien für die jeweiligen gerichtlichen Verfahren entwickelt und gegenüber den Justizorganen durchgesetzt wurden. Im vorliegenden Zusammenhang kommt es jedoch nicht auf solche vorwiegend dem Ministerium für Staatssicherheit anzulastenden Vorgehensweisen an, sondern auf das – außerhalb des allgemeinen politischen Handelns liegende – Verhalten von Mitarbeitern der SED als solcher in Erfüllung von Aufgaben, die der Regelung des § 11 Abs. 3 ZGB unterfallen; hierfür gibt es keine typische Sachverhaltsgestaltung, die Grundlage eines Anscheinsbeweises sein könnte.
Entgegen der Auffassung der Revision kann zugunsten des Klägers auch nicht die Regelung zur Umkehr der Darlegungs- und Beweislast gemäß § 1 Abs. 6 des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (VermG) analog herangezogen werden. Nach dieser gesetzlichen Bestimmung wird hinsichtlich bestimmter Sachverhalte zugunsten Verfolgter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ein „verfolgungsbedingter Vermögensverlust” vermutet; diese Regelung betrifft eine besondere, mit dem hier vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbare Fallgestaltung.
ee) Schließlich kann der Revision auch nicht gefolgt werden, soweit sie eine deliktsrechtliche Verantwortlichkeit der SED aus § 342 ZGB herleiten will. Diese Regelung, die eine gesamtschuldnerische Haftung mehrerer anordnet, die „gemeinschaftlich oder nebeneinander für einen Schaden verantwortlich” sind, setzt voraus, daß die allgemeinen Haftungsvoraussetzungen für jeden einzelnen Beteiligten erfüllt sind, erfordert also die Feststellung, daß jeder rechtswidrig den betreffenden Schaden mitverursacht hat (vgl. Göhring/Posch, Zivilrecht, Lehrbuch aaO, S. 206 unter 8.4.3.2.). Eine entsprechende deliktsrechtliche Verantwortlichkeit der SED läßt sich, wie dargelegt, für den vom Kläger geltend gemachten Schaden aber gerade nicht feststellen.
3. Das Berufungsgericht hat auch einen Ersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagten auf der Grundlage einer haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit der SED nach den Vorschriften des Gesetzes zur Regelung der Staatshaftung in der Deutschen Demokratischen Republik (Staatshaftungsgesetz – StHG) vom 12. Mai 1969 (GBl. I S. 34) rechtsfehlerfrei verneint. Auch die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision greifen nicht durch.
a) Das Staatshaftungsgesetz, das in den neuen Bundesländern nach der Wiedervereinigung in der Fassung der Anl. II, Kap. III, Sachgeb. B, Abschn. III Nr. 1 zum Einigungsvertrag (BGBl. 1990 II S. 1168) als Landesrecht in geänderter Fassung weiter galt, ist auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt, in dem es um vor dem 3. Oktober 1990 in der damaligen DDR begangene Handlungen geht, in seiner Ursprungsfassung (geändert durch das Gesetz vom 14. Dezember 1988, GBl. I S. 329) anzuwenden (vgl. BGHZ 127, 57, 63 f.). Nach § 1 Abs. 1 dieses Gesetzes haftet „für Schäden, die einem Bürger oder seinem persönlichen Eigentum durch Mitarbeiter oder Beauftragte staatlicher Organe oder staatlicher Einrichtungen in Ausübung staatlicher Tätigkeit rechtswidrig zugefügt werden”, das jeweilige staatliche Organ oder die staatliche Einrichtung. Ein Schadensersatzanspruch des Geschädigten gegen den Mitarbeiter oder Beauftragten selbst ist daneben ausgeschlossen (§ 1 Abs. 2 StHG). Die Haftung aus § 1 Abs. 1 StHG begründete ihrer Rechtsnatur nach keinen zivilrechtlichen Anspruch, sondern stellte sich als spezielle verwaltungsrechtliche Form materieller Verantwortlichkeit dar (Verwaltungsrecht, Lehrbuch, 2. Aufl. 1988, S. 212 unter 9.1.1.; Lörler, NVwZ 1990, 830).
b) Im Berufungsurteil wird zutreffend darauf abgestellt, daß sich der hier geltend gemachte Anspruch deshalb nicht auf § 1 Abs. 1 StHG stützen läßt, weil der SED als politischer Partei die Eigenschaft „staatlich” im Sinne dieses Gesetzes gefehlt hat. Die SED war weder als „staatliches Organ” oder als „staatliche Einrichtung” anzusehen, noch handelten ihre Mitarbeiter oder Beauftragten im vorliegenden Zusammenhang „in Ausübung staatlicher Tätigkeit” im Sinne des Staatshaftungsrechts der DDR; unter „staatlicher Tätigkeit” war dabei die „vollziehendverfügende Tätigkeit” zu verstehen (vgl. Verwaltungsrecht, Lehrbuch, aaO S. 214 unter 9.1.2., Lörler, NVwZ 1990, 830, 831).
aa) Zu den Staatsorganen der ehemaligen DDR, deren konkrete Aufgaben und Kompetenzen in der Verfassung, in spezifischen Gesetzen und anderen Rechtsvorschriften geregelt waren, gehörten nach der Rechtslehre der DDR vor allem die Volkskammer und die örtlichen Volksvertretungen, der Staatsrat, der Nationale Verteidigungsrat, der Ministerrat und die bei ihm bestehenden Ministerien (einschließlich des Ministeriums für Staatssicherheit) sowie weitere zentrale Staatsorgane, jeweils mit nachgeordneten Organen, die örtlichen Räte und deren Fachorgane, die Gerichte und übrigen Justizorgane und schließlich die Nationale Volksarmee und die weiteren staatlichen Sicherheitsorgane (vgl. Staatsrecht der DDR, Lehrbuch, 2. Aufl. 1984, S. 264 ff. unter 9.5.). Trotz ihres umfassenden und in Art. 1 Abs. 1 der Verfassung der DDR ausdrücklich festgeschriebenen Führungsanspruchs auf dem Wege zur Verwirklichung des Sozialismus war die SED nach dem staatsrechtlichen Verständnis der ehemaligen DDR weder ein Staatsorgan noch mit der Staatsmacht gleichzusetzen. Die strikte Unterscheidung zwischen den Organen von Staat und Partei wurde in der DDR mit den ideologischen Prinzipien des Marxismus-Leninismus begründet, mit denen „jeder Versuch eines Parteiorgans, ein Staatsorgan zu ersetzen und selbst staatliche Aufgaben zu lösen, ebenso unvereinbar” sei wie umgekehrt (im Hinblick auf den gewollten politischen Einfluß) „die Trennung der Staatsorgane von der Partei und die Einschränkung der Parteikontrolle über die Durchsetzung der richtigen politischen Linie in der staatlichen Arbeit” (vgl. Verwaltungsrecht, Lehrbuch aaO S. 24 unter 1.1.2.).
bb) An dieser staatsrechtlichen Konstruktion, aufgrund deren die SED selbst nicht Teil der staatlichen Organisation als solcher war, ändert es auch nichts, daß diese Partei – worauf die Revision hinweist – „faktisch die Staatsmacht innegehabt” hat. Der umfassende Führungsanspruch der SED sollte dadurch verwirklicht werden, daß die Partei durch ihre Beschlüsse eine Lenkungsfunktion für die Arbeit des Staatsapparats wahrnahm, daß sie die entscheidenden Positionen in den Staatsorganen durch ihre Mitglieder besetzte und durch ihre (auch vor Ort bestehenden) Parteiorganisationen die „Kontrolle über die Tätigkeit des Apparats zur Verwirklichung der Beschlüsse der Partei und die Einhaltung des sozialistischen Rechts” innehatte (vgl. Verwaltungsrecht, Lehrbuch aaO, S. 24 f. unter 1.1.2.). Hieraus resultierte zwar eine weitgehende Beherrschung der Staatsorgane durch den Parteiapparat (vgl. hierzu auch Meissner, Recht in Ost und West 1973, 245, 256); dem entsprach auch, daß den „Beschlüssen der Partei der Arbeiterklasse” noch vor der Verfassung und den Gesetzen eine zentrale Bedeutung als Grundlage für die Tätigkeit der Mitarbeiter der Staatsorgane zukam (vgl. § 2 Abs. 2 der Verordnung über die Pflichten, die Rechte und die Verantwortlichkeit der Mitarbeiter in den Staatsorganen vom 19. Februar 1969 aaO; vgl. dazu auch § 1 Abs. 2 des Statuts des Ministeriums für Staatssicherheit vom 30. Juli 1969, abgedruckt als Anl. 5 zu Florath/Mitter/Wolle aaO). Dieser – dem politischen System der DDR immanente – Einfluß auf die Arbeit des Staatsapparates machte die SED und ihre Parteiorgane jedoch nicht ihrerseits zu Staatsorganen im Sinne des Staatshaftungsrechts.
Auch die politische Lenkung der Justiz, die „zur Lösung der Aufgaben der sozialistischen Staatsmacht bei der Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft beizutragen” hatte (vgl. § 3 des Gesetzes über die Verfassung der Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik vom 27. September 1974, GBl. I S. 457) und sich demgemäß an der – von der SED ausgehenden – inhaltlichen Bestimmung der sozialistischen Grundsätze ausrichten mußte (vgl. dazu BGH, Urteil vom 13. Dezember 1993 – 5 StR 76/93 – NJW 1994, 529, 530), hob die staats- und verwaltungsrechtliche Trennung zwischen der Partei und den Staatsorganen nicht auf.
cc) Entsprechende rechtliche Überlegungen schließen es auch aus, die SED im vorliegenden Zusammenhang als „staatliche Einrichtung” im Sinne des § 1 Abs. 1 StHG anzusehen. Unter diesen Begriff konnten allerdings auch Volkseigene Betriebe oder gesellschaftliche Institutionen und Organisationen fallen (vgl. hierzu BGHZ 127, 57, 64 f. betreffend ein Rechtsanwaltskollegium im Hinblick auf den Ausschluß eines bestimmten Anwalts). Dies setzt aber voraus, daß bestimmten Mitarbeitern dieser Einrichtungen zuvor die Ausübung staatlicher Befugnisse – im Sinne des Staatshaftungsrechts – übertragen worden ist (vgl. Verwaltungsrecht, Lehrbuch aaO S. 214 unter 9.1.2.). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor; der SED oblagen im Hinblick auf die politischen Einflußnahmen auf das Vorgehen der Staatsorgane, auf die der Kläger im vorliegenden Fall abstellen will, keine staatlichen Aufgaben, erst recht nicht solche „vollziehend – verfügender” Natur, wie sie für eine Haftung aus § 1 Abs. 1 StHG erforderlich wären.
Hinsichtlich der politischen Lenkungs- und Kontrollmaßnahmen, die die SED als ihre Aufgabe im Rahmen der führenden Stellung der „Partei der Arbeiterklasse” zur Verwirklichung des Sozialismus im Verfassungsgefüge der DDR in Anspruch nahm und durchsetzte, ist dem Staatshaftungsgesetz der DDR keine etwaige Schadensersatzansprüche von Bürgern rechtfertigende Haftungsgrundlage zu entnehmen.
c) Der Senat sieht auch keine Regelungslücke, die aus zwingenden rechtsstaatlichen Erwägungen heraus hinsichtlich der hier in Rede stehenden Verhaltensweisen von Funktionsträgern der SED eine analoge Anwendung des Staatshaftungsrechts ermöglichen und gebieten würde, die ihrerseits mit dem Regelungsgehalt des Staatshaftungsgesetzes und dem staats- und verwaltungsrechtlichen Verständnis in der DDR über das Verhältnis von Partei und Staat in Widerspruch stünde. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes, daß diejenigen gesetzlichen Vorschriften der ehemaligen DDR, die bei der Beurteilung abgeschlossener Altfälle heranzuziehen sind, an den Grundrechtsgarantien und den grundlegenden Wertungen der Verfassungsordnung des Grundgesetzes gemessen werden müssen (vgl. hierzu BGHZ 127, 195, 204 m.w.N.).
Der Senat verkennt nicht, daß die Inhaftierung des Klägers, auf die er den geltend gemachten Verdienstausfallschaden zurückführt, in unmittelbarem Zusammenhang mit der – den Bürgern die Ausreisefreiheit verweigernden – Rechtspraxis der DDR stand, die mit rechtsstaatlichen Anforderungen gänzlich unvereinbar war und völkerrechtlichen Verpflichtungen der DDR ebenso wie den Menschenrechtsgarantien widersprach (vgl. dazu BGHZ 127, 195, 203 f.; BGHSt 39, 1, 17 ff.). Soweit ein Vorgehen von Funktionären der SED in einem solchen Zusammenhang, das mangels Bezugs zum zivilrechtlichen Bereich nicht den Haftungsregelungen des ZGB unterfällt, zu Maßnahmen von Staatsorganen (etwa auch des Ministeriums für Staatssicherheit) führte, die – bei Anwendung des Rechts der DDR unter den nunmehr maßgeblichen Auslegungskriterien – als rechtswidriger Eingriff in geschützte Rechte einzelner zu qualifizieren sind, wäre grundsätzlich eine Haftung der betreffenden Staatsorgane nach § 1 StHG in Betracht gekommen. Deren Inanspruchnahme scheitert letztlich allerdings daran, daß sie ohne Rechtsnachfolger in Wegfall kamen (vgl. zur Frage der Rechtsnachfolge auf der Grundlage des Einigungsvertrages BGHZ 128, 140, 146 ff.; siehe auch BGHZ 127, 285, 295 f; 128, 393, 399 f.).
Der Gesetzgeber hat im Rahmen des Prozesses der deutschen Wiedervereinigung davon abgesehen, nach dem Wegfall der staatlichen Organe und Einrichtungen der DDR eine Rechtsnachfolge in deren auf das Staatshaftungsgesetz gegründete Verantwortlichkeiten anzuordnen (vgl. dazu das Schreiben des Bundesjustizministeriums und des Bundesinnenministeriums zu Haftungsansprüchen gegen die ehemalige DDR vom 3. Dezember 1992, abgedruckt in DtZ 1993, 115 f.); er hat sich – betreffend Entschädigungsleistungen durch die öffentliche Hand – auf die Regelungen im Ersten SED-Unrechtsbereinigungsgesetz vom 29. Oktober 1992 (BGBl. I S. 1814) und im Zweiten SED-Unrechtsbereinigungsgesetz vom 23. Juni 1994 (BGBl. I S. 1311) beschränkt. Die aus dieser Entwicklung resultierenden Schwierigkeiten für die Betroffenen, vollen Schadensersatz wegen systembedingter politischer Unrechtsmaßnahmen in der DDR zu erlangen, können nicht durch eine der anzuwendenden Rechtsordnung der DDR widersprechende analoge Heranziehung der Staatshaftungsgrundsätze auf die SED (im Hinblick auf die Beklagte zu 1) als deren Rechtsnachfolgerin und die Beklagte zu 2) als Treuhänderin über das Altvermögen der Partei) behoben werden.
III.
Die Revision des Klägers war daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Unterschriften
Groß, Dr. Lepa, Dr. Müller, Dr. Dressler, Dr. Greiner
Fundstellen
Haufe-Index 1720586 |
NJW 1999, 1475 |
Nachschlagewerk BGH |
VIZ 1999, 172 |
JZ 1999, 841 |
NJ 1999, 423 |
VersR 1999, 322 |
ZfS 1999, 185 |