Leitsatz (amtlich)

Ersetzt eine Feuerversicherung dem Gebäudeeigentümer auch den Wert von Einbauten und Einrichtungen des Mieters (Möbelgeschäft), dann kann der Mieter gegen den Gebäudeeigentümer Ansprüche auf Auskehrung der Versicherungsleistungen haben, wenn das Wegnahmerecht des Mieters versichert ist.

 

Verfahrensgang

OLG Düsseldorf (Entscheidung vom 25.06.1992)

 

Tenor

  • 1.

    Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 25. Juni 1992 aufgehoben.

  • 2.

    Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Die Klägerin betrieb aufgrund eines Mietvertrages, in den sie ab 1. November 1982 als Mieterin eingetreten war, auf dem Grundstück B. Straße 114 in D., das die Beklagte von der früheren Vermieterin erworben hat, ein Möbelgeschäft in einem Gebäude, das am 5. April 1986 von einem Brand betroffen wurde. Das Mietverhältnis wurde noch im April 1986 einverständlich beendet.

Wegen des Brandschadens erhielt die Beklagte von ihrem Gebäudeversicherer Entschädigungsleistungen. Als die Klägerin wegen von ihr und ihrer Vorgängerin in dem Mietobjekt geschaffenen, durch den Brand zerstörten Einbauten und Einrichtungen von ihrem Versicherer Entschädigung verlangte, lehnte dieser mit der Begründung ab, für die Gegenstände habe bereits der Versicherer der Beklagten Entschädigung geleistet; eine nochmalige Eintrittspflicht komme aus Gründen der Doppelversicherung nicht in Betracht. Der Rechtsstreit mit dem Versicherer der Klägerin wurde durch Vergleich vom 12. Juni 1991 beendet.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung von 434.894,00 DM. Diesen Betrag hat die Beklagte von ihrem Versicherer für in das Gebäude eingebrachte Einrichtungen erhalten. Das Landgericht hat die zunächst auf Auskunft gerichtete Klage mit der Begründung abgewiesen, etwaige Zahlungsansprüche seien verjährt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Auf die Revision der Klägerin hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 12. Juni 1991 (XII ZR 17/90 - NJW 1991, 3031 = WM 1991, 1639) das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt, nach dem Vortrag der Klägerin komme eine Fremdversicherung der Beklagten auch für die vom Mieter eingebrachten Einrichtungen in Betracht. In diesem Falle bestehe ein Treuhandverhältnis, aufgrund dessen die Beklagte verpflichtet sei, den von ihrem Versicherer erhaltenen, ihr nicht zustehenden Betrag an die Klägerin auszukehren. Ein solcher Anspruch der Klägerin sei nicht verjährt.

Das Berufungsgericht hat nach erneuter Verhandlung der Zahlungsklage der Klägerin entsprochen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur erneuten Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, Voraussetzung für einen Anspruch der Klägerin sei, daß die ihr gehörenden oder ihrem Wegnahmerecht unterliegenden Einrichtungen durch den Vertrag der Beklagten mit ihrem Versicherer mitversichert seien. Zwar seien nach den Allgemeinen Bedingungen dieses Vertrages nur die dem Versicherungsnehmer gehörenden Sachen versichert. Auch ergebe sich aus den Zusatzbedingungen für Fabriken und gewerbliche Anlagen sowie aus dem Versicherungsschein nichts anderes. Gleichwohl sei die Beklagte zur Auskehrung des ihr von ihrem Versicherer zugeflossenen Betrages von 434.894,00 DM an die Klägerin verpflichtet, weil die Auslegung des Vertrages zwischen der Beklagten und ihrem Versicherer die Vermutung des § 80 Abs. 1 VVG widerlege, daß insoweit eine Eigenversicherung abgeschlossen sei. Dafür, daß auch das Fremdinteresse der Klägerin mitversichert sei, spreche, daß der Versicherer der Beklagten auch Ersatz für die vom Pächter eingebrachten Gebäudebestandteile bzw. für die in Rede stehenden Einbauten geleistet habe. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte könne nicht davon ausgegangen werden, daß der Versicherer der Beklagten insoweit eine Entschädigung geleistet habe, ohne daß eine dahingehende vertragliche Verpflichtung bestünde.

Der Anspruch der Klägerin beschränke sich auch nicht auf den Zeitwert von 239.191,00 DM. Zwar erwerbe der Versicherungsnehmer nach der vereinbarten Neuwertklausel einen den Zeitwert übersteigenden Anspruch nur, sobald und soweit er innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalls sichergestellt habe, daß er die Entschädigung zur Wiederherstellung des Gebäudes oder Wiederbeschaffung der zerstörten Sachen verwende. Diese Bestimmung betreffe schon nach ihrem Wortlaut nur den Versicherungsnehmer, nicht jedoch den durch eine Fremdversicherung Begünstigten. Außerdem sei nicht ersichtlich, wie der Mieter die Voraussetzungen der Wiederherstellung erfüllen solle, falls sich der Vermieter weigere, das Gebäude wiederherzustellen.

2.

Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg.

a)

Entsprechend dem Revisionsurteil vom 12. Juni 1991 geht das Berufungsgericht zunächst zutreffend davon aus, der Zahlungsanspruch der Klägerin setze voraus, daß die Beklagte durch ihren Versicherungsvertrag Sachen mitversichert hat, die der Klägerin gehören oder an denen sie ein Wegnahmerecht nach § 547a BGB hat, wenn also eine Fremdversicherung im Sinne des § 74 VVG gegeben ist. Weiter zutreffend führt das Berufungsgericht aus, daß den Allgemeinen wie den Zusatzbedingungen und dem Versicherungsschein eine Mitversicherung dieser Sachen oder des Wegnahmerechts nicht zu entnehmen ist. Insbesondere sind nach § 2 Nr. 1 der Versicherungsbedingungen nur die dem Versicherungsnehmer, also der Beklagten, gehörenden Sachen versichert. Eine Fremdversicherung ergibt sich daraus nicht. Die weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts sind indessen nicht frei von Rechtsfehlern.

b)

Die Annahme des Berufungsgerichts, mangels gegenteiliger Anhaltspunkte könne nicht davon ausgegangen werden, daß der Versicherer der Beklagten die Entschädigung ohne das Bestehen einer entsprechenden vertraglichen Verpflichtung geleistet habe, trägt nicht die Auslegung, deshalb müsse der Vertrag der Beklagten auch eine Fremdversicherung enthalten haben. Es gibt keinen Erfahrungssatz, daß wer etwas leistet, dazu auch einen rechtlichen Grund gehabt habe. Andernfalls bedürfte es der Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung, §§ 812ff. BGB nicht. Darüber hinaus ergibt sich aus den vom Berufungsgericht zur Auslegung herangezogenen Schreiben des Versicherers der Beklagten, daß dieser annahm, aufgrund des § 2 der Versicherungsbedingungen zur Leistung verpflichtet zu sein, ohne daß der Leistung eine Fremdversicherung zugrunde liegen müßte. In dem Schreiben vom 25. März 1987 heißt es, in den gezahlten Summen seien die vom Pächter eingebrachten Gebäudebestandteile, welche im Eigentum der Beklagten stünden, mit einem Neuwert von 434.894,00 DM enthalten. Mit Schreiben vom 14. Juni 1989 erläutert der Versicherer der Beklagten, aus der Gebäudeversicherung seien die in Rede stehenden Einbauten entschädigt worden, da mangels anderweitiger Vereinbarung Eigentum der Vermieterin durch Verbindung gemäß § 946 BGB und damit Bestandteilseigenschaft gemäß § 2 Abs. 3 der Versicherungsbedingungen in Verbindung mit §§ 93 ff. BGB zugrunde zu legen gewesen sei. Der Versicherer wollte also seiner Verpflichtung aus § 2 Abs. 3 der Versicherungsbedingungen nachkommen, wonach er auch Ersatz für in das Gebäude eingefügte Bestandteile zu leisten hat. Der Versicherer war dabei davon ausgegangen, daß durch die Einfügung der Bestandteile in das Gebäude der Beklagten diese Eigentümerin der Bestandteile nach § 946 BGB geworden ist. Dieser vom Versicherer der Beklagten vorausgesetzte Leistungsgrund, nämlich das Eigentum seiner Versicherungsnehmerin, schließt aus, daß der Versicherer auch Ersatz für Bestandteile leisten wollte, die nicht im Eigentum der Beklagten standen. Da andere tatsächliche Anhaltspunkte vom Berufungsgericht nicht festgestellt und auch nicht ersichtlich sind, die auf einen Willen der Beklagten und ihres Versicherers schließen lassen, auch Einrichtungen in den Versicherungsvertrag einzubeziehen, die im Eigentum der Klägerin geblieben sind, kommt eine Fremdversicherung hinsichtlich dieser Gegenstände nicht in Betracht.

Dagegen ist nicht ausgeschlossen, daß eine Fremdversicherung insoweit gewollt war, als die Beklagte zwar Eigentümerin der von der Klägerin eingebrachten Einrichtungen geworden war, die Klägerin an ihnen aber ein Wegnahmerecht hatte. Auch wenn sich das Berufungsgericht für die Annahme einer Fremdversicherung an diesen Sachen nicht - wie es aber meinte - auf das Senatsurteil vom 7. März 1990 (- IV ZR 342/88 - VersR 1990, 625) stützen kann (vgl. den klarstellenden Beschluß vom 18. Dezember 1991 - IV ZR 259/91 - VersR 1992, 311), ist doch im vorliegenden Fall denkbar, daß die Beklagte gleichzeitig mit der Versicherung der in ihrem Eigentum stehenden Bestandteile das Risiko abdecken wollte, das sich durch einen Brand für das Wegnahmerecht der Klägerin ergab. Anhaltspunkt für die Auslegung ist die Interessenlage der Parteien. Die Klägerin hatte ein Interesse daran, daß die Beklagte das Risiko für ihr Wegnahmerecht mitversicherte, weil die Klägerin durch ihren eigenen Versicherungsvertrag dieses Recht nur schwer abdecken konnte, da es sich um Sachen handelte, die im Eigentum der Beklagten standen. Die Beklagte konnte sich dem Interesse ihrer Mietvertragspartei nicht ohne weiteres verschließen. Eine Mitversicherung des Interesses der Klägerin an dem Wegnahmerecht brachte der Beklagten auch keine Nachteile. Der Versicherer der Beklagten deckte durch § 2 der Versicherungsbedingungen die im Eigentum des Versicherungsnehmers stehenden Bestandteile mit ab, ohne zu unterscheiden, ob der Mieter an ihnen ein Wegnahmerecht hat oder nicht. Insgesamt liegt deshalb nach der Interessenlage eine Fremdversicherung an den der Beklagten gehörenden, mit einem Wegnahmerecht der Klägerin behafteten Bestandteilen des Gebäudes nahe.

Dem ist das Berufungsgericht wegen seines anderen Ausgangspunkts der Auslegung nicht weiter nachgegangen. Dies hat es nachzuholen, wobei den Parteien Gelegenheit gegeben ist, zu dem dargelegten rechtlichen Gesichtspunkt - soweit erforderlich - neu vorzutragen. Falls die Auslegung ergibt, daß das Interesse der Klägerin hinsichtlich ihres Wegnahmerechts mitversichert ist, hat das Berufungsgericht festzustellen, welche von der Klägerin eingebrachten Sachen in das Eigentum der Beklagten übergegangen sind. Dafür ist die Aufnahme in die Schadensaufstellung durch die Sachverständigen keine ausreichende Grundlage.

3.

Für die weitere Verhandlung gibt der Senat noch folgende Hinweise:

a)

Das Berufungsgericht führt aus, die Auslegung des Versicherungsvertrags der Beklagten widerlege die Vermutung des § 80 Abs. 1 VVG, daß eine Versicherung als Eigenversicherung geschlossen werde. Danach scheint das Berufungsgericht die Auslegung in die Anwendung des § 80 Abs. 1 VVG einzubeziehen. Das wäre nicht richtig. Wenn die Auslegung zu einem eindeutigen Ergebnis führt, ist für die Anwendung des § 80 Abs. 1 VVG kein Raum mehr (vgl. Kollhosser in Prölss/Martin, 25. Aufl. vor § 51 Anm. 7 A b aa = S. 394). Erst wenn das Auslegungsergebnis Zweifel offen läßt, greift die Vermutung des § 80 Abs. 1 VVG zugunsten der Eigenversicherung ein. Allerdings ist diese Vermutung nur schwach (vgl. Prölss in Prölss/Martin a.a.O., § 80 VVG Anm. 1 A).

b)

Das Berufungsgericht führt aus, es sei ohne Belang, welche Einbauten und Einrichtungen von der Vormieterin eingebracht worden seien. Nach den bindenden Ausführungen des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 12. Juni 1991 habe ein Wegnahmerecht auch an den von der Vormieterin eingebrachten Sachen bestanden. Die Abtretung dieses Wegnahmerechts sei möglich und ausweislich der schriftlichen Erklärung der Vormieterin vom 30. September 1991 auch erfolgt.

Damit übergeht das Berufungsgericht den Vortrag der Beklagten, sie bestreite, daß die Mietvorgängerin überhaupt irgendwelche Sachen eingebracht habe (Bl. 293 GA). Wenn die Mietvorgängerin aber Sachen eingebracht habe, so habe sie, die Beklagte, diese erworben. Gegenstand des Vertrages über den Kauf des Gebäudes seien auch die Einrichtungen gewesen, mit denen das Gebäude ausgestattet gewesen sei. Der anteilige Kaufpreis für diese Einrichtungen habe ausweislich des Kaufvertrages 100.000,00 DM betragen (Bl. 294). Die von der Klägerin vorgelegte "Gefälligkeitsbescheinigung" (gemeint ist die Abtretungserklärung) der Mietvorgängerin reiche zum Beweis nicht aus. Diesen Vortrag, den die Beklagte unter Beweis gestellt hat (Bl. 378), hat das Berufungsgericht unbeachtet gelassen. Falls die Auslegung des Versicherungsvertrages der Beklagten ergibt, daß auch das Interesse der Klägerin am Wegnahme recht mitversichert war, wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob dies auch für die Einbauten der Mietvorgängerin gilt.

c)

Die Ausführungen des Berufungsgerichts zum Ersatzanspruch in Höhe des Neuwertes lassen nicht erkennen, daß es das Bereicherungsverbot des § 55 VVG beachtet hat. Sinn dieser Vorschrift ist es, in der Sachversicherung die Leistung des Versicherers bei Eintritt des Versicherungsfalls auf die Ausgleichung allein des Schadens zu begrenzen (vgl. Bruck/Möller, VVG 8. Aufl. § 55 Anm. 3). Deshalb setzt die Neuwertklausel nicht nur nach ihrem Wortlaut voraus, daß die Sache wiederhergestellt oder die Wiederherstellung jedenfalls sichergestellt ist. Vielmehr zwingt auch ihr Zweck zu diesem Verständnis, mit Rücksicht auf das Bereicherungsverbot des § 55 VVG, dem Versicherungsnehmer nur für ungeplante, auf gezwungene Ausgaben und nur in Form von Sachwerten den erforderlichen, besonderen Vermögensausgleich durch die Neuwertentschädigung zukommen zu lassen (BGH, Urteil vom 8. Juni 1988 - IVa ZR 100/87 - VersR 1988, 925 unter II 1 a). Zwar mag der Zweck des § 55 VVG in Ausnahme fällen eingeschränkt werden (vgl. z.B. Schirmer, RuS 1993, 81, 85). Dazu gibt der vorliegende Fall aber keinen Anlaß. Die Klägerin hatte einen Schaden allenfalls in Höhe des Zeitwerts. Irgendwelche auf gezwungenen Kosten für die Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung sind nicht ihr, sondern allenfalls der Beklagten entstanden, die das Gebäude wiederhergestellt hat. Deshalb kommt ein Anspruch auf Entschädigung in Höhe des Neuwerts nicht in Betracht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3018909

NJW-RR 1994, 986-988 (Volltext mit red. LS)

VersR 1994, 1103-1104 (Volltext mit red. LS)

VersR 1994, 1404-1407 (Urteilsbesprechung von Prof. Dr. Jürgen Prölss)

ZfS 1994, 421-422 (Volltext)

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