Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbvertrag
Leitsatz (amtlich)
Ein erbvertraglich gebundener Erblasser, der zu Beginn einer im Alter von 61 Jahren geschlossenen Ehe seiner 52 Jahre alten Frau die Mitberechtigung an seinem liquiden Vermögen unentgeltlich in der Erwartung einräumt, sich dadurch ihre Betreuung und Pflege bis zum Tod zu erhalten, mißbraucht sein Recht zu lebzeitigen Verfügungen nicht.
Normenkette
BGB § 2287
Tatbestand
Die Klägerin verlangt vom Beklagten den Pflichtteil am Nachlaß ihres am 15. September 1988 verstorbenen Ehemannes (Erblasser).
Dieser hatte 1938 das bis dahin dem Familienfideikommißrecht unterliegende Vermögen erlangt und mit seinem Vater einen Erbvertrag abgeschlossen, in dem nur männliche Nachkommen, notfalls aus einer Seitenlinie, als Erben vorgesehen waren. Am 28. Februar 1976 heiratete der Erblasser die Klägerin. Mit Erklärung vom 8. April 1976 focht er den Erbvertrag an. In den Jahren 1981 und 1984 errichtete er handschriftliche Testamente zusammen mit der Klägerin, in denen sich die Ehegatten gegenseitig als Alleinerben einsetzten. Der Beklagte sollte Schlußerbe sein. Kinder gingen aus der Ehe des Erblassers nicht hervor. Die Parteien gehen im vorliegenden Verfahren in Übereinstimmung mit dem Erbschein davon aus, daß der Beklagte, ein Neffe des Erblassers, dessen Alleinerbe geworden ist, weil die Anfechtung des Erbvertrags nicht wirksam gewesen sei.
Die Klägerin fordert 4 Mio. DM als Pflichtteil gemäß §§ 1371 Abs. 2, 2303 Abs. 2 BGB. Zum Nachlaß gehören außer Grundstücken, über deren Bewertung die Parteien streiten, insbesondere Bankguthaben. Die Klägerin meint, daß nur die Hälfte des Bestands der im Jahre ihrer Heirat gemeinsam mit dem Erblasser eingerichteten Oder-Konten, über die jeder Ehegatte allein verfügen konnte, in den Nachlaß falle. Die andere Hälfte in Höhe von 3,45 Mio. DM hat sie für sich abgehoben. Auf die Oder-Konten war zunächst vor allem der Erlös eines Waldverkaufs des Erblassers geflossen. Die Klägerin, die schon vor der Heirat die Buchhaltung für den Erblasser erledigt und Bankvollmacht erhalten hatte, trägt vor, nach der Eheschließung sei es der Wunsch des Erblassers gewesen, daß Geld und Wertpapiere ihnen gemeinsam gehören sollten. Deshalb seien, nachdem sie sich am 19. März 1976 von einem Bankdirektor hätten beraten lassen, die Oder-Konten eingerichtet worden.
Der Beklagte meint, die Mitinhaberschaft der Klägerin an den Oder-Konten sei als Verwaltungstreuhand zu verstehen. Der Bestand dieser Konten gehöre daher insgesamt zum Nachlaß. Gegenüber dem Pflichtteilsanspruch der Klägerin, den der Beklagte auf 3,25 Mio. DM veranschlagt, rechnet er mit einer Forderung auf Zahlung der von der Klägerin abgehobenen 3,45 Mio. DM auf.
Das Landgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Berufung des Beklagten ist zurückgewiesen worden. Mit der Revision verfolgt er die Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
I.
Mit Recht hat das Berufungsgericht aus dem Innenverhältnis der Konteninhaber keinen Anspruch des Beklagten hergeleitet.
1.
Die Revision rügt, da der Großteil der hier in Rede stehenden Werte auf Konten bei der S.-Bank. in S. angelegt worden sei, sei nicht nur dieser Bank gegenüber, sondern auch im Verhältnis der Konteninhaber zueinander Schweizer Recht anzuwenden.
Die Parteien sind in den Tatsacheninstanzen jedoch übereinstimmend von deutschem Recht ausgegangen. Die Klägerin und der Erblasser waren deutsche Staatsangehörige mit Wohnsitz im Inland. Sie haben durch die Regelung der Konteninhaberschaft ihre vermögensrechtlichen Beziehungen geordnet. Dieses Innenverhältnis läßt sich rechtlich und tatsächlich von dem Außenverhältnis der Konteninhaber gegenüber der Bank trennen. Danach hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung zutreffend deutsches Recht zugrunde gelegt (vgl. BGH, Urteil vom 27. April 1977 - VIII ZR 184/75 - WM 1977, 793 unter II 2).
2.
Das Berufungsgericht hat daher mit Recht auf das Verhältnis der Konteninhaber zueinander § 430 BGB angewandt und geprüft, ob der Beklagte, der entgegen der gesetzlichen Regel mehr als die Hälfte der Kontenstände beansprucht, seine Berechtigung hierzu aus dem Innenverhältnis dargelegt und bewiesen hat. Nach Auffassung des Berufungsgerichts sprechen die Umstände hier eher für als gegen einen der Vermutung des § 430 BGB entsprechenden Willen der Ehegatten bei der Begründung und Fortführung der Gemeinschaftskonten. Die tatrichterliche Würdigung des dazu vorgetragenen Prozeßstoffs unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung hält den Angriffen der Revision stand (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 1989 - IVb ZR 4/89 - WM 1990, 239ff.; ferner Urteil vom 16. April 1986 - IVa ZR 198/84 - WM 1986, 786 = FamRZ 1986, 982 unter 2 b).
II.
Das Berufungsgericht hat dem Beklagten auch eine Aufrechnungsforderung aus § 2287 BGB rechtsfehlerfrei versagt.
Die Vorschrift setzt zwar außer dem subjektiven Merkmal der Beeinträchtigungsabsicht (vgl. dazu BGHZ 83, 44, 51 und Senatsurteil vom 21. Mai 1986 - IVa ZR 171/84 - WM 1986, 977, 978 unter II. 3.) zusätzlich voraus, daß der Erblasser das Recht zu lebzeitigen Verfügungen (§ 2286 BGB) mißbraucht. Die Grenze zwischen den Fallgestaltungen des Mißbrauchs und Fällen, in denen der Vertragserbe schutzlos bleibt, wird mit Hilfe der Frage nach dem lebzeitigen Eigeninteresse des Erblassers gezogen (BGHZ 59, 343, 348ff). Hierfür kommt es darauf an, ob die Gründe, die den Erblasser zu der Verfügung bestimmt haben, ihrer Art nach so sind, daß der Vertragserbe sie anerkennen und die Beeinträchtigung hinnehmen muß. Ob dies der Fall ist, hat der Tatrichter im Einzelfall zu prüfen (st. Rspr., vgl. BGHZ 83, 44, 45; BGHZ 108, 73, 77).
1.
Hierzu hat das Berufungsgericht festgestellt, dem Erblasser, der Herr über ein zweistelliges Millionenvermögen war, sei es zum einen darum gegangen, die Klägerin, die über keine vergleichbaren Werte verfügte, bei Eingehung der Ehe angemessen an seinem Vermögen zu beteiligen. Zum anderen habe der Erblasser keine Kinder und nur zu der Klägerin eine enge Beziehung gehabt und bei seiner Heirat im Alter von 61 Jahren erwarten können, daß die Klägerin nach vielen gemeinsamen Jahren für sein Wohlergehen im Alter und bis zu seinem Tode sorgen werde. Verfahrensfehler rügt die Revision insoweit nicht.
2.
Das Berufungsgericht hat aus den genannten Gründen ein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers bejaht. Diese Würdigung steht nicht in Widerspruch zu den Grundsätzen, die der Senat in seinem Urteil vom 27. November 1991 - IV ZR 164/90V ZR 164/90 - LM BGB § 2287 Nr. 20 (zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen) zu den unbenannten Zuwendungen unter Ehegatten entwickelt hat. Das Berufungsgericht geht von einer Schenkung aus, die zu Beginn der Ehe mit dem Ziel vereinbart worden ist, den besonders krassen Unterschied im Vermögen jedes Partners, der noch durch die vorangegangene Beschäftigung der Klägerin als Angestellte des Erblassers verschärft wurde, durch die Mitberechtigung beider am gesamten liquiden Vermögen auszugleichen. Damit wollte der Erblasser nach den Feststellungen des Berufungsgerichts eine gedeihliche Grundlage für die eheliche Lebensgemeinschaft schaffen, und zwar in der angesichts seines Alters naheliegenden Hoffnung, daß ihm die Zuwendung und Betreuung der Klägerin bis zum Tode erhalten bleibe. Das Bedürfnis eines alleinstehenden Erblassers nach einer seinen persönlichen Vorstellungen entsprechenden Versorgung und Pflege im Alter ist auch dann ein vom Vertragserben anzuerkennendes lebzeitiges Eigeninteresse, wenn der Erblasser es dadurch zu verwirklichen sucht, daß er eine ihm nahestehende Person durch Schenkungen an sich bindet (BGHZ 88, 269, 270f.).
Der für den Mißbrauch beweispflichtige Beklagte (BGHZ 77, 264, 267) hat demgegenüber nicht dargetan, daß dem Erblasser ein lebzeitiges Eigeninteresse gefehlt habe. Daß er mit Hilfe seines Geldes auch auf andere Weise für sein Alter hätte vorsorgen können, ist nicht entscheidend (BGH, Urteil vom 30. März 1977 - IV ZR 211/75 - WM 1977, 876, 877 unter II. a.E.).
Fundstellen
Haufe-Index 1456325 |
NJW 1992, 2630 |
IPRspr. 1992, 37 |