Leitsatz (amtlich)
›Die in AGB für Rohrreinigungs- und Rohrinspektionsarbeiten enthaltene Klausel "Kfz-Kostenanteil pro Anfahrt pauschal ... DM" unterliegt als Preisabrede nicht der richterlichen Inhaltskontrolle nach §§ 9 bis 11 AGBG (Abgrenzung zu BGHZ 91,316 [= DRsp (138) 464 c] "Fahrzeiten gelten als Arbeitszeiten").‹
Tatbestand
Die Beklagte, die sich gewerbsmäßig mit Rohrreinigungs- und Rohrinspektionsarbeiten befaßt und dazu einen Bereitschaftsdienst unterhält, verwendet in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen u.a. die Preisbemessungsklausel "Kfz-Kostenanteil pro Anfahrt pauschal ohne Mehrwertsteuer 68,-- DM, mit Mehrwertsteuer 77,52 DM", welche die Klägerin ein Verbraucherschutzverband im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 1 AGBG, beanstandet hat.
Die Klägerin hat beantragt, der Beklagten die Verwendung dieser Klausel zu untersagen, ausgenommen in Verträgen mit einem Kaufmann im Rahmen seines Handelsgeschäfts und dergleichen.
Das Landgericht hat die Beklagte zur Unterlassung verurteilt. Mit der Berufung hat die Beklagte die Auffassung vertreten, es handele sich bei dem Kfz-Kostenanteil um eine der Inhaltskontrolle entzogene Preisabrede, die eigenen Entgeltcharakter besitze.
Sie hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hat um Zurückweisung der Berufung gebeten. Sie hat erwidert, für die Qualifizierung der Klausel als Preisnebenabrede sei es unerheblich, daß ein fester Betrag angesetzt werde. Der Behauptung der Beklagten, die Kostenpauschale decke nur den tatsächlichen Aufwand, stehe entgegen, daß die Beklagte nach eigenen Angaben unzulässigerweise auch Lohnaufwendungen einrechne. Gemessen an den reinen Kfz-Kosten sei die Pauschale im Durchschnitt um das Dreifache überhöht.
Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebt. Sie beantragt, das angefochtene Berufungsurteil aufzuheben und die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die zugelassene Revision der Klägerin bleibt ohne Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hält die Klausel, wonach der "Kfz-Kostenanteil pro Anfahrt pauschal ohne Mehrwertsteuer 68,-- DM, mit Mehrwertsteuer 77,52 DM" beträgt, für wirksam, weil die Klausel als Preisabrede der Inhaltskontrolle gemäß § 8 AGBG nicht zugänglich sei. Die Beklagte lege mit ihr einen in ihre Werklohnberechnung eingehenden, gesonderten Rechnungsposten fest. Die Verträge der Beklagten über die Durchführung von Rohrreparaturen bzw. Inspektionen seien Werkverträge mit der Besonderheit, daß die Werkleistung stets an dem vom Besteller bestimmten Einsatzort auszuführen sei. Die Anfahrt sei Teil der Werkleistung. Eine gesetzliche Vergütungsregelung, an der eine Inhaltskontrolle der Klausel ausgerichtet werden könnte, stehe nicht zur Verfügung. § 632 Abs. 2 BGB komme wegen seines abstrakten und im Ergebnis unbestimmten Inhalts nicht in Betracht. Zu einer Inhaltskontrolle gelange man auch nicht durch Aufspaltung der Vertragsleistung der Beklagten in Haupt- und Nebenleistung. Die Rohrarbeiten der Beklagten und die zu ihrer Durchführung stets erforderliche Anfahrt zum jeweiligen Einsatzort seien eine einheitliche Vertragsleistung. Deshalb sei die Fahrtkostenabrede entgegen der Beurteilung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 91, 316 - "Fahrtzeiten gelten als Arbeitszeiten") nicht als Preisnebenabrede zu qualifizieren. Die Gesichtspunkte der Kosten- und Risikoverlagerung zu Lasten des Bestellers, auf welche das zitierte Urteil abgestellt habe, kämen hier nicht zum Tragen. Die beanstandete Klausel verstoße auch nicht aus anderen Gründen gegen die Vorschriften des AGBG.
Hiergegen wendet sich die Revision der Klägerin ohne Erfolg.
II.
Die angegriffene Klausel unterliegt entgegen der Meinung der Revision nicht gemäß § 8 AGBG der richterlichen Inhaltskontrolle nach den §§ 9-ll AGBG.
1. Nach § 8 AGBG gelten diese Vorschriften nur für Bestimmungen in formularmäßigen allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Der Inhaltskontrolle entzogen sind hingegen Abreden, die ihrer Art nach nicht der Regelung durch Gesetz oder andere Rechtsvorschriften unterliegen, sondern von den Vertragpartnern festgelegt werden müssen (Wolf/Horn/Lindacher, AGB-Gesetz, § 8 Rdn. 8 m.w.N.; vgl. BGH, Urt. v. 12.3.1987 - VII ZR 37/86 - ZIP 1987, 640, 646). Aus dem Anwendungsbereich der §§ 9-ll AGBG scheiden daher Abreden aus, die Art und Umfang der vertraglichen Hauptleistungspflichten unmittelbar regeln (st. Rspr. u.a. BGH, Urt. v. 24.11.1988 - III ZR 188/87 - BGH 106, 42, 46 = WM 1988, 1780, 1782; vgl. auch Urt. v. 5.6.1984 - X ZR 75/83 - BGHZ 91, 316, 318; Urt. v. 6.2.1985 VIII ZR 61/84 - BGHZ 93, 358, 360 f.; Urt. v. 7.5.1991 XI ZR 244/90 - ZIP 1991, 857, 858). Dazu zählt beim Werkvertrag auch die vom Besteller nach § 631 Abs. 1 BGB für die Werkleistung zu zahlende Vergütung. Da das Gesetz die angemessene Vergütung nicht bestimmt, sondern die Preisbildung den Vertragspartnern überläßt, fehlt es an einem rechtlichen Kontrollmaßstab. § 632 Abs. 2 BGB scheidet für eine Inhaltskontrolle der Preisabrede aus. Diese Vorschrift enthält eine sekundäre Regelung für den Fall, daß die Höhe der Vergütung nicht bestimmt ist. Sie setzt damit das Fehlen einer Vergütungsvereinbarung voraus und greift nicht ein, wenn, wie im Streitfall, eine Preisvereinbarung vorliegt.
Der Inhaltskontrolle unterliegen jedoch die Preisnebenabreden, d.h. alle auf Preise bezogene Abreden, die zwar mittelbare Auswirkungen auf Preis und Leistung haben, an deren Stelle aber, wenn eine wirksame vertragliche Regelung fehlt, dispositives Gesetzesrecht treten kann (BGH, Urt. v. 24.11.1988 - III ZR 188/87 - BGHZ 106, 42, 46; Urt. v. 6.2.1985 - VIII ZR 61/84 - BGHZ 93, 358, 360, 361 m.w.N.).
Die hier streitige AGB-Klausel gehört, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, zu den nicht kontrollfähigen Abreden über den vom Besteller zu zahlenden Werklohn. Dieser setzt sich nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten aus mehreren Preisbestandteilen zusammen, welche jeweils für bestimmte Teilleistungen des Gesamtvertrags berechnet werden. Dabei betrifft die von der Klägerin angegriffene Klausel den Kfz-Kostenanteil, der pro Kfz-Anfahrt unabhängig von der Entfernung zwischen dem Unternehmenssitz der Beklagten und dem vertraglichen Einsatzort pauschal mit einem bestimmten Betrag berechnet wird und zusammen mit weiteren Rechnungsposten für weitere Teilleistungen die Grundlage für die Gesamtberechnung des Werklohns bildet.
2. Die Revision kann gegen die zutreffende Annahme des Berufungsgerichts, die angegriffene Klausel sei als eine der Inhaltskontrolle entzogene Preisvereinbarung anzusehen, nicht mit Erfolg geltend machen, bei allen ortsgebundenen Leistungen an installierten Gegenständen sei die erforderliche Anfahrt stets Nebenleistung und von der eigentlichen Sachleistung, der werkvertraglichen Hauptleistung, mit der rechtlichen Folge zu trennen, daß es sich bei den die Nebenleistung betreffenden Abreden um inhaltlich überprüfbare Preisnebenabreden handelt.
Für die Beurteilung der Frage, ob die angegriffene Preisbemessungsklausel der richterlichen Inhaltskontrolle nach den §§ 9 bis 11 AGBG unterworfen ist, kommt es nicht darauf an, ob die zur Durchführung der Rohrreparatur- und Inspektionsarbeiten erforderliche Anfahrt mit einem Kraftfahrzeug gemessen an den vertraglichen Leistungen des Gesamtvertrages als eine trennbare Nebenleistung anzusehen ist oder ob, wie das Berufungsgericht festgestellt hat, die Anfahrt unter Mitführung von Spezialwerkzeugen Teil eines einheitlichen Werkvertrages ist. Klauseln, die Preise für Nebenleistungen oder für einzelne Leistungsteile festlegen, unterliegen als solche ebenso wie Preisvereinbarungen, welche sich auf die werkvertragliche Hauptpflicht beziehen, nach § 8 AGBG nicht der richterlichen Inhaltskontrolle, weil die Höhe einer werkvertraglichen Vergütung, gleichgültig ob sie eine Haupt- oder eine Nebenleistung betrifft, mangels gesetzlicher Kontrollmaßstäbe nicht nach den §§ 157, 242 BGB vom Richter festgesetzt werden kann.
Der erkennende Senat hat allerdings in seinem Urteil vom 5.6. 1984 -X ZR 75/83 (BGHZ 91, 316, 318) die Fahrtkosten eines Wartungstechnikers zu seinem Einsatzort als vertragliche Nebenleistung im Verhältnis zu der als Hauptleistung geschuldeten Wartung angesehen und die Klausel "Fahrtzeiten gelten als Arbeitszeiten " als typische Preisnebenabrede der richterlichen Inhaltskontrolle unterwafen. Sollte diese Entscheidung, die im Schrifttum verbreitet Kritik erfahren hat (vgl. Wolf/Horn/Lindacher,AGB Gesetz, 2. Aufl., § 8 Rdn. 15, 16; § 9 W 12; Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz, 6. Aufl., Anh 9-11 Rdn. 932; Palandt/Heinrichs, BGB, 50. Aufl., § 9 AGBG Rdn. 145; Stumpf BB 1985, 963; Schlosser ZIP 1985, 449, 455; Thamm DB 1985 375; Micklitz BB 1988, 639, 643), dahin verstanden worden. sein, daß die im Rahmen der Durchführung eines Werkvertrages erforderliche Anfahrt zum Einsatzort allgemein eine gegenüber der Hauptleistung abspaltbare, nach dem Grundsatz des kostendeckenden Aufwendungsersatzes zu berechnende Nebenleistung darstelle, deren Vergütungshöhe im Rahmen der Inhaltskontrolle überprüfbar sei, so hält der Senat hieran nicht fest. Eine Aufspaltung in Haupt- und Nebenleistung entspricht nach den Feststellungen des Berufungsgerichts weder der in den Allgemeinen Geschäftsbedinguntgen der Beklagten zum Ausdruck gekommenen Werkvertragsgestaltung, noch ist eine solche Unterscheidung sachlich gerechtfertigt. Mangels eines Kontrollmaßstabes für Vergütungsabreden macht es keinen Unterschied, ob der Unternehmer seine Werkvertragsleistung ohne Offenlegung der einzelnen Berechnungsposten zu einem Gesamtpreis anbietet oder ob er die Nachprüfung des Werklohns durch den Besteller mittels Aufschlüsselung seiner einzelnen Leistungen und Preise ermöglicht.
Unberührt bleibt allerdings die Überprüfung nach anderen gesetzlichen Vorschriften und Grundsätzen, die hier jedoch nach den von der Revision nicht angegriffenen Ausführungen des Berufungsgerichts nicht in Betracht kommt.
3. Da somit die Klausel der Inhaltskontrolle entzogen ist, war weder über die Zulässigkeit der Pauschalierung noch über die Angemessenheit der Kostenhöhe zu befinden.
III.
Die Revision gegen das angefochtene Urteil ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 2993102 |
BGHZ 116, 117 |
BGHZ, 117 |
BB 1992, 228 |
DB 1992, 522 |
NJW 1992, 688 |
BGHR AGBG § 8 Preisabrede 2 |
DRsp I(120)190c-d |
DRsp I(138)627c |
WM 1992, 533 |
MDR 1992, 341 |
ZfBR 1992, 124 |
DRsp-ROM Nr. 1992/477 |