Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung der Gesellschafter einer Vorgründungsgesellschaft. Haftung der Mitglieder einer GmbH-Vorgründergesellschaft

 

Leitsatz (amtlich)

Eine rechtsgeschäftliche persönliche Haftung der GmbH-Gesellschafter für Verbindlichkeiten, die sie vorweg für die erst noch zu gründende Gesellschaft eingegangen sind, endet mit Gründung oder Eintragung der GmbH im Handelsregister nur, wenn das mit dem Gläubiger so vereinbart worden ist; eine solche Vereinbarung muß der Haftungsschuldner beweisen (Ergänzung BGH, 1981-10-26, II ZR 31/81, LM Nr 30 zu § 11 GmbHG).

 

Orientierungssatz

1. die Vorgründungsgesellschaft bildet je nachdem, ob sie bereits in diesem Stadium ein Handelsgewerbe unter gemeinsamer Firma betreibt oder nicht, entweder eine offene Handelsgesellschaft oder eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts.

2. Aus den für die Vorgründungsgesellschaft abgeschlossenen Geschäften haften die Gesellschafter persönlich, und zwar unbeschränkt, soweit sich aus den Umständen nichts anderes ergibt.

 

Tatbestand

Durch Vertrag vom 20. Januar 1979 kauften die Beklagten und späteren Gesellschafter einer GmbH, handelnd für die „GmbH in Gründung”, von den Klägern ein Handelsgeschäft mit Warenbestand. Die GmbH wurde am 22. Januar 1979 durch notariell beurkundeten Vertrag gegründet und am 20. Februar 1979 ins Handelsregister eingetragen. Für das von ihr übernommene Handelsgeschäft ergab sich nach endgültiger Bewertung des Warenbestandes ein Kaufpreis von 149.854,44 DM, auf den die GmbH in der Zeit vom 22. Februar bis zum 7. September 1979 54.400 DM zahlte. Die Kläger fordern von den Beklagten als Gesamtschuldner den Restkaufpreis von 95.454,44 DM zuzüglich 494,96 DM wegen verspäteter Ummeldung des Geschäftstelefons und 101,50 DM anteilige Versicherungsprämie für ein mitverkauftes Kraftfahrzeug, insgesamt 96.050,90 DM mit Zinsen.

Die Beklagten haben eingewandt, seit Eintragung der GmbH sei diese die alleinige Schuldnerin. Sie sind vom Kaufvertrag zurückgetreten. Außerdem berufen sie sich darauf, daß die GmbH den Vertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten hat.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, möchten die Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.

 

Entscheidungsgründe

1. Eine Haftung der Beklagten, die den Vertrag vom 20. Januar 1979 für die „GmbH in Gründung” gemeinsam unterzeichnet haben, nach § 11 Abs. 2 GmbHG scheidet nach der zutreffenden Auffassung des Berufungsgerichts schon deshalb aus, weil sie mit der Eintragung der GmbH ins Handelsregister erloschen wäre (BGHZ 80, 182; Urt. d. Sen. v. 26.10.1981 – II ZR 31/81, LM GmbHG § 11 Nr. 30 = NJW 1982, 932).

2. Die Beklagten könnten aber als Mitglieder einer Vorgründungsgesellschaft, wie sie bis zur Gründung der GmbH am 22. Januar 1979 bestanden hat, aus dem Vertrag vom 20. Januar 1979 verpflichtet worden sein. Die Vorgründungsgesellschaft bildet je nachdem, ob sie bereits in diesem Stadium ein Handelsgewerbe unter gemeinsamer Firma betreibt oder nicht, entweder eine offene Handelsgesellschaft oder eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (Ulmer in Hachenburg, GmbHG, 7. Aufl., § 11 Rdnr. 17 m.w.N.). Aus den für sie abgeschlossenen Geschäften haften die Gesellschafter persönlich, und zwar unbeschränkt, soweit sich aus den Umständen nichts anderes ergibt. Sachverhalt und Interessenlage bieten hier keine Anhaltspunkte dafür, daß die Kläger durch den Vertrag ausschließlich die künftige GmbH und nicht auch schon die Vorgesellschaft und darüber hinaus bis zu deren Entstehung die Beklagten als Mitglieder einer Vorgründungsgesellschaft verpflichtet haben wollten. Denn es lag nicht in ihrer Hand, ob und wann die GmbH tatsächlich gegründet und in das Handelsregister eingetragen wurde, und ob beides schon vor Fälligkeit der ersten Kaufpreisrate geschehen werde. Sie wären daher ein unabsehbares Risiko eingegangen, wenn sie sich mit einer Verpflichtung der als Rechtsperson noch zu errichtenden GmbH begnügt hätten. Dem entspricht es, daß die Beklagten in den Schlußbestimmungen (§ 9 Abs. 4) erklärt haben, daß sie für ihre Verpflichtung aus diesem Vertrag als Gesamtschuldner haften.

3. Daß die Beklagten ihre Haftung als Mitglieder der Vorgründungsgesellschaft begrenzt hätten, ist weder dieser Erklärung zu entnehmen noch sonst ersichtlich. Die Tatsache, daß sie für eine „GmbH in Gründung” gehandelt haben, reicht hierfür nicht aus. Zwar hält der Senat in ständiger Rechtsprechung bei der Vorgesellschaft das Auftreten als „GmbH” oder „GmbH in Gründung” für einen ausreichenden und wirksamen Ausdruck des Willens, nur bis zur Höhe des satzungsgemäß einzusetzenden Kapitals haften zu wollen; er fordert dazu nicht, wie ein Teil des Schrifttums, eine entsprechende Individualvereinbarung (vgl. etwa Flume, DB 1980, 1781, 1783 und NJW 1981, 1753, 1754, 1756). Der tragende Grund hierfür liegt darin, daß die Vorgesellschaft als notwendige Vorstufe zur juristischen Person ein besonderes, vom Gesetzgeber vorausgesetztes Rechtsgebilde mit einer eigentümlichen, zeitlich und sachlich eng begrenzten Aufgabenstellung ist (BGHZ 80, 139, 142). Das gilt aber erst von dem Augenblick an, in dem die Gesellschafter durch Abschluß eines notariellen Gründungsvertrages, der die wesentlichen Grundlagen der einzutragenden Gesellschaft und namentlich die Höhe ihres Kapitals und der darauf zu leistenden Einlagen festlegt, den ersten entscheidenden Schritt zur Errichtung der juristischen Person getan haben (Urt. d. Sen. v. 29.5.1980 – II ZR 225/78, ZIP 1980, 658 = WM 1980, 955 zu 2 a). Eine gesetzliche Notwendigkeit, schon vorher im Rechtsverkehr als Gesellschaft in Erscheinung zu treten oder sogar geschäftlich tätig zu werden, besteht nicht.

4. Aus demselben Grunde läßt sich die Rechtsprechung, nach der ebenso wie die Handelndenhaftung nach § 11 Abs. 2 GmbHG auch eine Haftung der Gründer als Mitglieder der Vorgesellschaft grundsätzlich mit der Eintragung der GmbH endet (BGHZ 80, 129, 144 f), nicht auf Verbindlichkeiten aus der Vorgründungszeit übertragen. Hier genügt für eine zeitliche Begrenzung der Haftung nicht allein der Hinweis auf die beabsichtigte Gründung einer GmbH, sondern es bedarf einer besonderen Vereinbarung mit dem Gläubiger, die sich allerdings aus den Umständen ergeben kann. So hat der Senat in einem Fall, in dem nicht nur der Gründungstatbestand deutlich zutage lag, sondern auch ein besonderes Sicherungsbedürfnis für den Geschäftspartner angesichts der erst später zu erwartenden Verbindlichkeiten der GmbH aus einer Kiesförderung augenscheinlich nicht bestand, aus der Interessenlage gefolgert, daß die Mitglieder der Vorgründungsgesellschaft in dieser Eigenschaft nur bis zur Eintragung der GmbH haften sollten (Urt. v. 26.10.1981 – II ZR 31/81 aaO).

Das Berufungsgericht meint, eine solche Übereinkunft auch hier feststellen zu können. An diese Vertragsauslegung ist der Senat nicht gebunden, da sie, wie die Revision mit Recht rügt, auf einer rechtlich unzutreffenden Sicht beruht und keine ausreichende Tatsachengrundlage hat.

Die Überlegung des Berufungsgerichts, § 11 Abs. 2 GmbHG wolle dem Gläubiger eine Notlösung für den Fall bieten, daß er sich nicht, wie erwartet, an die eingetragene GmbH halten könne, greift nur durch, soweit es um die gesetzliche Handelndenhaftung und nicht um die hier außerdem in Betracht kommende Haftung als Mitglied einer Vorgründungsgesellschaft geht. Ein beiderseits gewolltes Erlöschen dieser Haftung mit der Eintragung der GmbH läßt sich auch nicht allein daraus herleiten, daß die Beklagten bei Abschluß des Vertrages vom 20. Januar 1979 ausdrücklich „für die GmbH in Gründung” gehandelt haben. Denn es ist gerade die Frage, ob die Umstände des Falles darauf hindeuten, daß die Kläger sich erkennbar für die Zeit nach dem Entstehen der GmbH mit deren Haftung begnügen wollten. Solche Umstände sind nicht festgestellt. Im Gegenteil, durch die Vertragsklausel des § 9 Abs. 4: „Die Käufer haften für ihre Verpflichtungen aus diesem Vertrag als Gesamtschuldner” haben die Kläger deutlich zum Ausdruck gebracht, auf eine persönliche Haftung der Beklagten Wert zu legen; daß diese Haftung mit der Eintragung der GmbH erlöschen solle, ist dem Vertrag nicht zu entnehmen. Die Ansicht des Berufungsgerichts, die Parteien hätten mit der „gesamtschuldnerischen Verpflichtung” der Beklagten nur deren – kraft Gesetzes ohnehin bestehende – Haftung nach § 11 Abs. 2 GmbHG gemeint und nicht auch die Pflicht, neben der eingetragenen GmbH persönlich für die Verbindlichkeiten aus dem Vertrag einzutreten, berücksichtigt wiederum nicht die doppelte Haftung der Beklagten als Handelnde und als Mitglieder der Vorgründungsgesellschaft. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war es auch nicht Sache der Klägerin, besondere, für eine solche Gesellschafterhaftung und deren Fortbestand sprechende Umstände aufzuzeigen. Gerade mit Rücksicht auf § 9 Abs. 4 des Vertrages hätten vielmehr die Beklagten Umstände darlegen müssen, aus denen sich der Wille der Kläger ergeben könnte, auf die persönliche gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten als Gesellschafter mit der Entstehung der GmbH zu verzichten. Solche Umstände sind dem Parteivortrag nicht zu entnehmen.

Allerdings haben die Beklagten noch behauptet, sie hätten bei den Vertragsverhandlungen ausdrücklich betont, nur bis zur Eintragung der GmbH in das Handelsregister persönlich haften zu wollen. Diese Behauptung ist aber nur in einem erst nach dem Schluß der mündlichen Verhandlung beim Berufungsgericht eingereichten, den Beklagten nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 2. September 1982 enthalten und überdies nicht unter Beweis gestellt. Das Berufungsgericht entnimmt dem vorprozessualen Schriftwechsel der Parteien, daß sich ferner die Kläger an die zunächst noch nicht eingetragene GmbH als ihren „eigentlichen” Vertragspartner gewendet haben. Das spricht aber nicht gegen ihre Vorstellung, gegebenenfalls auch die Beklagten persönlich in Anspruch nehmen zu können, wenn ihre Bemühungen fehlschlagen sollten, den vollen Kaufpreis von der GmbH zu erhalten. Immerhin führt der Entwurf einer Ratenzahlungsvereinbarung, die sie mit Schreiben vom 25. Januar 1980 vorgeschlagen haben, neben der GmbH auch die Beklagten als Schuldner auf.

5. Die Beklagten haften demnach als Gesamtschuldner für die Kaufpreisverpflichtung aus dem Vertrag vom 20. Januar 1979, soweit nicht ihre weiteren, vom Berufungsgericht bislang nicht geprüften Einwendungen durchgreifen. Das gilt auch insoweit, als die Kläger nach endgültiger Bewertung des veräußerten Warenbestandes einen höheren Kaufpreis errechnet haben, als er ursprünglich festgelegt war. Denn diese Nachberechnung war im Vertrag bereits vorgesehen (§ 5 Abs. 2).

Anders verhält es sich mit den zusätzlichen Forderungen der Kläger auf Erstattung von 494,96 DM Telefongebühren und 101,50 DM Versicherungsprämie für ein mitverkauftes Kraftfahrzeug, die sich insbesondere aus Geschäftsführung ohne Auftrag ergeben könnte und aus Vorgängen nach der Gründung, vielleicht auch erst nach der Eintragung der GmbH hergeleitet werden. Diese Forderungen sind frühestens gegen die Vorgesellschaft begründet worden und könnten sich von der Eintragung der GmbH an nur noch gegen diese richten (BGHZ 80, 129, 144). Insoweit muß es bei dem klagabweisenden Berufungsurteil verbleiben. Die Behauptung der Kläger in der Klageschrift, die Beklagten hätten den Klägern zugesichert, diese Beträge selbstverständlich erstatten zu wollen, ist nicht so substantiiert, daß daraus eine persönliche rechtsgeschäftliche Verpflichtung der Beklagten entnommen werden könnte. In Höhe dieser 596,46 DM bleibt es daher bei der Abweisung der Klage.

Im übrigen ist die Sache zur weiteren tatsächlichen Klärung mit Rücksicht auf die sonstigen Einwendungen der Beklagten an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 648052

NJW 1983, 2822

ZIP 1983, 933

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