Verfahrensgang
OLG Celle (Urteil vom 22.12.1986) |
LG Hannover (Urteil vom 16.12.1982) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 22. Dezember 1986 im Kostenpunkt sowie insoweit aufgehoben, als die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 72.829,11 DM verurteilt worden sind und die Klage wegen der Inanspruchnahme von Arbeitskräften der Gemeinschuldnerin gegenüber beiden Beklagten dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt worden ist.
In demselben Umfange wird auf die Berufung der Beklagten das zweite Teil- und Grundurteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover vom 16. Dezember 1982 abgeändert (in Höhe der Differenz bis zu den vom Landgericht infolge eines Schreibfehlers zuerkannten 72.892,11 DM hat schon das Berufungsgericht dieses Urteil nicht aufrechterhalten).
Im Umfange der Aufhebung wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten tragen die Parteien wie folgt:
Berufungsverfahren:
Die Gerichtskosten tragen der Kläger zu 39/100 und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 61/100. Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen dieser 40/100, die Beklagten als Gesamtschuldner 53/100 und der Beklagte zu 2 weitere 7/100. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu je 41/100; zu 59/100 tragen die Beklagten ihre Kosten selbst.
Erstes Revisionsverfahren:
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen dieser zu 2/7, die Beklagten als Gesamtschuldner zu 4/7 und der Beklagte zu 2 zu weiteren 1/7. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 zu 1/3 und des Beklagten zu 2 zu 1/4; im übrigen tragen die Beklagten ihre Kosten selbst.
Zweites Revisionsverfahren:
Die Gerichtskosten tragen der Kläger zu 9/10 und der Beklagte zu 2 zu 1/10. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 insgesamt und die des Beklagten zu 2 zu 64/100. Der Beklagte zu 2 trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 36/100; im übrigen tragen der Kläger und der Beklagte zu 2 ihre Kosten selbst.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen der Walter R. GmbH. Geschäftsführer dieser Gesellschaft ist der Beklagte zu 2; die einzigen Gesellschafterinnen sind dessen Ehefrau und deren Mutter.
Am 16. April 1981 erwarben die Walter R. GmbH und der Beklagte zu 2 die Geschäftsanteile an der Beklagten zu 1, die sie in Autohaus Walter R. GmbH umbenannten und deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2 wurde. Zweck des Anteilserwerbes und der Satzungsänderung war die Fortführung des Unternehmens der Walter R. GmbH, womit die Beklagte zu 2 bereits am 13. April 1981 begonnen hatte.
Am 1. Juni 1981 wurde über das Vermögen der Walter R. GmbH das Konkursverfahren eröffnet. Schon am 20. Mai 1981 hatte die Beklagte zu 1 ihren Betrieb eingestellt.
Der Kläger hat als Konkursverwalter mehrere Ansprüche geltend gemacht, die bereits Gegenstand des Senatsurteils vom 14. Oktober 1985 (II ZR 276/84, WM 1986, 237) waren, auf das ergänzend verwiesen wird. Aufgrund der erneuten Verhandlung hat das Berufungsgericht die Berufung zurückgewiesen, soweit das Landgericht die Beklagten zur Zahlung von 72.829,11 DM verurteilt und die gegen beide Beklagten gerichtete Klage wegen der über diesen Betrag hinausgehenden Forderung aus der Inanspruchnahme von Mitarbeitern der Gemeinschuldnerin sowie die Klage gegen den Beklagten zu 2 wegen des Anspruchs aus der Verwertung halbfertiger Arbeiten dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt hat. Der Senat hat die Revision des Beklagten zu 2 nicht angenommen, soweit sie die halbfertigen Arbeiten betrifft; im übrigen verfolgen beide Beklagten ihren Antrag weiter, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg.
1. Das Berufungsgericht hat die Beklagten für verpflichtet gehalten, dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 64 Abs. 1 GmbHG die Vermögenswerte zu ersetzen, um die die Konkursmasse deshalb geschmälert ist, weil die Gemeinschuldnerin Arbeitnehmern den Lohn schuldet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und damit der Konkursreife ab 13. April 1981 im Unternehmen der Beklagten zu 1 gearbeitet haben. Das Berufungsgericht nimmt zwar an, daß Arbeitskräfte keinen Vermögenswert darstellen, dessen Weggabe die Konkursmasse schmälern könnte; da der Beklagten zu 1 gleichwohl ein Wert zugeflossen sei, sei der Beklagte zu 2 ersatzpflichtig. Die Beklagte zu 1 soll unter dem Gesichtspunkt der Beihilfe zur Konkursverschleppung haften. Diese Ausführungen greift die Revision mit Recht an.
§ 64 Abs. 1 GmbHG soll verhindern, daß das Gesellschaftsvermögen seinem Zweck, der Befriedigung der Gläubiger zu dienen, dadurch entzogen wird, daß der Geschäftsführer es versäumt, den Konkursantrag rechtzeitig zu stellen. Im Falle der Konkursverschleppung allein zu ersetzen ist der Schaden, der über die Quote am Masseerlös eintritt (vgl. BGH, Urt. v. 3.2.1987 – VI ZR 268/85, WM 1987, 556, 558). Soll der Schaden – wie im vorliegenden Fall – darin bestehen, daß die Konkursmasse mit Lohnverbindlichkeiten belastet ist, die bei einer rechtzeitigen Antragsstellung nicht entstanden wären oder denen Erträge gegenübergestanden hätten, falls die Arbeitskräfte vom Konkursverwalter anstatt von Dritten eingesetzt worden wären, so hätte es eines entsprechenden Vertrags bedurft; dieser fehlt. Aus dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt, wonach der Beklagten zu 1 in Form der Arbeitsleistung ein Wert zugefallen ist, ohne daß die Konkursmasse geschmälert wurde, läßt sich ein Anspruch auf Ersatz eines sogenannten Quotenschadens nicht herleiten.
Der Revision ist darin beizupflichten, daß für einen Ersatzanspruch auch der Vortrag des Klägers nichts hergibt, wonach die Konkursmasse mit Lohnrückständen in Höhe von 118.072,23 DM aus der zweiten Maihälfte 1981 belastet worden ist, weil der Beklagte zu 2 den Konkurs um zwei Wochen verschleppt habe und dieser deshalb erst am 1. Juni 1981, anstatt entsprechend früher, eröffnet worden sei. Dieser Vortrag trifft nur insofern das Richtige, als die Konkursmasse mit Lohnrückständen aus der Zeit vor Konkurseröffnung regelmäßig weniger belastet ist, wenn der Konkurs nicht verschleppt, sondern früher eröffnet wird. Nur ist dieser Gesichtspunkt deshalb nicht entscheidend, weil Arbeitsverhältnisse mit der Konkurseröffnung regelmäßig nicht ihr Ende finden, sondern vom Konkursverwalter – unter Beachtung der Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes (vgl. BAG, Urt. v. 16.9.1982 – 2 AZR 271/80, ZIP 1983, 205) – nach §§ 22 KO, 622 BGB gekündigt werden müssen. Nicht nur die Lohnrückstände für die letzten sechs Monate vor der Konkurseröffnung (§ 59 Abs. 1 Nr. 3 a KO), sondern auch die nach der Konkurseröffnung fälligen Arbeitslöhne sind Masseschulden (§ 59 Abs. 1 Nr. 2 KO) und belasten infolgedessen die Konkursmasse. Einen vom Geschäftsführer auszugleichenden Schaden stellt diese Belastung nur dar, wenn sie sich durch eine rechtzeitige Antragsstellung hätte vermeiden lassen, wenn – mit anderen Worten – der Konkursverwalter die Arbeitsverhältnisse zu einem früheren Zeitpunkt hätte kündigen und damit die Verpflichtung, Löhne zahlen zu müssen, eher hätte beenden können, als es ihm nach der Verschleppung des Konkurses möglich war. Dafür hat der Kläger nichts vorgetragen.
2. Die Verurteilung kann auch nicht unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt aufrechterhalten werden. Eine Erstattungspflicht aufgrund §§ 30, 31 GmbHG hat das Berufungsgericht aus tatsächlichen Gründen verneint, weil der Kläger nichts dafür vorgetragen habe, daß der Anspruch nicht vollwertig gewesen sei, den die Gemeinschuldnerin aus der Geschäftsbesorgung erlangt habe, zu deren Ausführung sie der Beklagten zu 1 die Arbeitskräfte überließ. Gegen diese Ausführungen hat sich der Kläger als Revisionsbeklagter nicht gewandt.
3. Mit der Haftung des Beklagten zu 2 wegen Konkursverschleppung entfällt auch die der Beklagten zu 1 wegen Beihilfe zu diesem Delikt. Die Klage ist deshalb auch abzuweisen, soweit das Berufungsgericht die Beklagte zu 1 wegen des Einsatzes der Arbeitskräfte verurteilt hat.
Allerdings ist nicht ausgeschlossen, daß sich für den Kläger aus der Gesamtabrechnung über die Geschäftsbesorgung noch ein Anspruch auf Herausgabe des Erlangten gegen die Beklagte zu 1 ergibt, der in Form kassierter Entgelte auch den Wert der Arbeitsleistung einschließen könnte. Dieser Anspruch ist jedoch nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits.
Unterschriften
Dr. Bauer, Bundschuh, Brandes, Dr. Hesselberger, Röhricht
Fundstellen