Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen eines Auskunftsanspruchs bezüglich der Höhe eines Sparguthabens auf einem Sparbuch

 

Normenkette

BGB §§ 410, 242, 952, 808

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 14. Mai 1980 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.

 

Tatbestand

Eine Tante des Ehemannes der Klägerin, Frau Veronika R., unterhielt bei der beklagten Sparkasse ein Sparkonto. Sie starb am 3. Januar 1970, ohne ein Testament zu hinterlassen. Ihre Erben sind den Parteien nicht bekannt.

Nach dem Tode der Frau R. befand sich die Klägerin im Besitz des Sparbuches; nach ihrem Vorbringen hatte ihr die Erblasserin am 23. Dezember 1969 das Sparguthaben für Anschaffungen schenkweise abgetreten, das Sparbuch übergeben und das mit der Beklagten vereinbarte Kennwort genannt. Als die Klägerin am 28. Januar 1970 Geld abheben wollte, verlangte die Beklagte die Vorlage eines Erbscheins und behielt das Sparbuch gegen Empfangsbescheinigung zurück. Der damalige Kontostand betrug 8.302,40 DM. Aus dem Sparguthaben wurden später die Beerdigungskosten bestritten.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten im Wege der Stufenklage Auskunft über die jetzige Höhe des Guthabens und dessen Auszahlung. Die Beklagte hat die schenkweise Abtretung bestritten und die Vorlage einer Erklärung der Erben verlangt, die sie vor erneuter Inanspruchnahme schütze.

Das Landgericht hat durch Teilurteil die Beklagte zur Auskunftserteilung verurteilt, jedoch nur Zug um Zug gegen Aushändigung von Urkunden der Erben der Veronika R., daß sie Ansprüche auf das Sparguthaben nicht erheben. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Beklagte ohne diese Einschränkung zur Auskunftserteilung verurteilt. Mit der zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Klägerin bittet um Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Aufgrund der Beweisaufnahme stehe fest, daß die Erblasserin die Bankforderung zu Weihnachten 1969 schenkweise an die Klägerin abgetreten habe. Ein Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten aus § 410 BGB komme allenfalls gegenüber dem Zahlungsanspruch in Betracht, nicht aber gegenüber dem Auskunftsbegehren. Im übrigen sei § 410 BGB bei Abtretung eines Sparguthabens unter gleichzeitiger Übergabe des Sparbuchs nicht anwendbar, da § 808 BGB eine Sonderregelung enthalte, die den Schuldner hinreichend schütze. Da die Beklagte nach § 952 BGB verpflichtet sei, das Sparbuch jederzeit herauszugeben, müsse sie sich so behandeln lassen, als sei die Klägerin noch im Besitz des Sparbuchs.

II.

Gegen diese Ausführungen des Berufungsgerichts wendet sich die Revision ohne Erfolg.

1.

Zu Recht hat das Berufungsgericht keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage auf Auskunftserteilung erhoben. Das Rechtschutzbedürfnis kann nicht mit der Begründung verneint werden, die Klägerin habe, wenn sie durch Abtretung Inhaberin des Sparguthabens geworden sei, die Herausgabe des Sparbuchs verlangen und daraus unschwer die Höhe ihrer Forderung feststellen können. Da die Beklagte die Berechtigung der Klägerin bestritt und allen Ansprüchen die gleichen Einwendungen entgegensetzte, hätte die Klägerin auch die Herausgabe des Sparbuchs und die Eintragung des neuen Kontostandes im Klagewege erzwingen und dabei ihre Berechtigung nachweisen müssen. Ein solches Verfahren wäre gegenüber der Auskunftsklage kein einfacherer oder billigerer Weg gewesen, um der Klägerin die Bezifferung ihres Zahlungsanspruchs zu ermöglichen.

2.

Auch die materiellen Voraussetzungen eines Auskunftsanspruchs hat das Berufungsgericht zutreffend bejaht.

a)

Nach gefestigter Rechtsprechung ist ein Schuldner innerhalb bestehender vertraglicher Beziehungen gemäß § 242 BGB zur Auskunft verpflichtet, wenn der Gläubiger entschuldbar keine Kenntnis über den Umfang seiner Ansprüche hat, der Schuldner aber zur Erteilung einer entsprechenden Auskunft unschwer in der Lage ist (BGHZ 55, 201, 203; 81, 21, 24).

b)

Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht aufgrund der Beweisaufnahme festgestellt, daß die Klägerin durch Abtretung einen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte aus dem Sparvertrag erworben hat.

Ein Leistungsverweigerungsrecht aus § 410 BGB steht der Beklagten nicht zu. Diese Vorschrift ist, wenn der Abtretende verstorben ist, ohne eine Abtretungsurkunde ausgestellt zu haben, nicht mehr unmittelbar anwendbar. Die Erben können die bereits von der Erblasserin vollzogene Abtretung nicht wiederholen. Sie sind mangels eigener Kenntnis auch nicht in der Lage, eine zum Beweise gegenüber dem Schuldner dienende tatsächliche Bestätigung der Abtretung zu geben. Der Abtretungsempfänger ist daher in einem solchen Fall auf Verlangen des Schuldners berechtigt und gezwungen, sein Recht auf andere Weise nachzuweisen (Krautschneider, Legitimationswirkung des Sparbuchs, S. 7 m.w.Nachw. Fußn. 3). Das ist der Klägerin nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts durch die Zeugenaussagen gelungen.

c)

Da die Klägerin entschuldbar keine Kenntnis von der - durch die Abbuchung der Beerdigungskosten und die Zinsgutschriften veränderten - Höhe des Sparguthabens hat, die Beklagte dagegen unschwer darüber Auskunft geben kann, liegen die Voraussetzungen des Auskunftsanspruchs nach § 242 BGB vor.

d)

Zu Unrecht will die Beklagte, obwohl die Klägerin den Nachweis ihrer Berechtigung auf andere Weise geführt hat, die Auskunftserteilung noch von der Aushändigung einer Erklärung der Erben abhängig machen, daß sie keine Ansprüche auf das Sparguthaben erheben.

Auf das Urteil des II. Senats vom 17. Februar 1969 (II ZR 102/67 = LM § 285 BGB Nr. 10 = WM 1969, 598 = MDR 1969, 554) kann die Beklagte sich nicht berufen. Dort ist zwar aus § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB, der den Schuldner vor doppelter Inanspruchnahme schützen will, sein Recht hergeleitet worden, die Erfüllung eines Zahlungsanspruchs auch dann, wenn der ursprüngliche Gläubiger verstorben ist und daher eine Abtretungsurkunde nicht mehr ausgestellt werden kann, von der Aushändigung einer Erklärung der Erben abhängig zu machen, die den Schuldner in ähnlicher Weise wie eine Abtretungsurkunde sichert.

Der Senat braucht noch nicht zu entscheiden, ob diese entsprechende Anwendung des § 410 BGB auch gegenüber dem Zahlungsanspruch aus einem Sparguthaben geboten ist oder ob der Schuldner in einem solchen Fall schon durch § 808 BGB hinreichend geschützt ist (vgl. Steffen in RGRK 12. Aufl. § 808 BGB Rdz. 39).

Gegenüber dem Auskunftsanspruch, über den im gegenwärtigen Verfahrensstadium allein zu entscheiden ist, besteht ein solches Leistungsverweigerungsrecht jedenfalls nicht. Die Sparkasse, die dem neuen Gläubiger, der seine Berechtigung nachgewiesen hat, Auskunft über die Höhe des Sparguthabens geben muß, bedarf nicht des Schutzes durch eine entsprechende Anwendung des § 410 BGB. Ihr droht bei einer Auskunftserteilung keine Gefahr, die mit einer doppelten Inanspruchnahme auf Zahlung vergleichbar wäre. Sie kann sich - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - gegenüber der Klägerin als Inhaberin des Sparguthabens auch nicht auf das Bankgeheimnis berufen.

Die Kosten der Revision hat die Beklagte gemäß § 97 ZPO zu tragen.

Bei der Kostenentscheidung des Schlußurteils wird das Landgericht die Voraussetzungen des § 94 ZPO zu prüfen haben.

 

Unterschriften

Krohn

Tidow

Kröner

Scholz-Hoppe

Halstenberg

 

Fundstellen

Haufe-Index 1456443

ZIP 1982, 827

Dieser Inhalt ist unter anderem im Erbschaftsteuergesetz-Kommentar enthalten. Sie wollen mehr?