Leitsatz (amtlich)

Zur Nachprüfung der Entscheidung des Preisgerichts, wenn es einen Bewerber, der die formellen Ausschreibungsbedingungen erfüllt, zu Unrecht nicht zu einem Preisausschreiben zuläßt.

Zur Frage, welche Schadensersatzansprüche einem Architekten zustehen, der wegen angeblich verspäteter Einreichung seiner Arbeit rechtswidrig von der Teilnahme an einem Architektenwettbewerb ausgeschlossen wird.

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 13.11.1980)

LG Frankfurt am Main

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 13. November 1980 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.

Im Umfange der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Die beklagte Stadt schrieb am 27. Oktober 1976 einen Architektenwettbewerb für ein Kurhaus mit Hoteltrakt aus. Der Ausschreibung lagen "Allgemeine Wettbewerbsbedingungen" (im folgenden: AWB) zugrunde, die wiederum auf die - 1952 aufgestellten und 1954 ergänzten - "Grundsätze und Richtlinien für Wettbewerbe auf dem Gebiet des Bauwesens und des Städtebaus" (im folgenden: GRW) verwiesen. Die Wettbewerbsarbeiten waren bis zum 18. Februar 1977 bei der von der Beklagten mit der Durchführung des Wettbewerbs beauftragten "N. H. S. S. GmbH" (im folgenden: N. H. einzureichen. In Ziffer 12.1 Satz 1 AWB war bestimmt: "Die Wettbewerbsarbeiten werden von einem Preisgericht beurteilt, dessen Entscheidungen endgültig sind". Dieser Beurteilung ging eine Vorprüfung der eingereichten Entwürfe durch besondere Vorprüfer, die bei der "N. H." tätig waren, voraus.

Der Kläger, ein Architekt, beteiligte sich neben 42 weiteren Bewerbern an dem Wettbewerb. Er gab das Paket mit den Unterlagen am Gepäckschalter des Hauptbahnhofs Frankfurt am Main am 18. Februar 1977 gegen 24.00 Uhr als Expreßgut an die "N. H." auf. Das Preisgericht schloß am 21. April 1977 auf Vorschlag der Vorprüfer die Arbeit des Klägers von dem Wettbewerb aus, weil sie verspätet eingereicht worden sei.

Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz mit der Begründung, er sei zu Unrecht von dem Wettbewerb ausgeschlossen worden. Er hat seinen Schaden in erster Linie auf der Grundlage eines Architektenhonorars für einen Vorentwurf und ein Modell mit 108.947,44 DM errechnet, hilfsweise nach einem dem Zeitaufwand entsprechenden Honorar von 60.455,51 DM und höchst vorsorglich nach dem effektiven Aufwand von 82.697,88 DM.

Das Landgericht hat dem Kläger 11.213,38 DM nebst Zinsen, das Oberlandesgericht insgesamt 58.228,23 DM nebst Zinsen zugesprochen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag, die Klage in vollem Umfange abzuweisen, weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg.

I.

1.

Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, daß sich der von der Beklagten veranstaltete Architektenwettbewerb für ein Kurhaus mit Hoteltrakt rechtlich als ein Preisausschreiben im Sinne des § 661 BGB darstellt. Dem Berufungsgericht ist auch darin zu folgen, daß die Arbeit des Klägers nicht von dem Wettbewerb hätte ausgeschlossen werden dürfen, da sie innerhalb der Bewerbungsfrist eingereicht worden war. Dieser Beurteilung steht die abweichende Entscheidung des Preisgerichts nicht entgegen. Zwar sind nach Ziffer 12.1 Satz 1 AWB die Entscheidungen des Preisgerichts endgültig. Das gilt jedoch nicht für eine Fallgestaltung, wie sie hier gegeben ist. Die genannte Bestimmung ist § 661 Abs. 2 Satz 2 BGB nachgebildet, wonach die Entscheidung des Preisgerichts für die Beteiligten verbindlich ist. Für diese Vorschrift ist anerkannt, daß die Entscheidung zwar nicht auf ihre sachliche Richtigkeit nachgeprüft werden kann, daß aber das Verfahren des Preisgerichts auf schwerwiegende Mängel, die offensichtlich auch die getroffene Entscheidung selbst beeinflußt haben, überprüft werden darf, wobei als Leitlinie für den Umfang der Nachprüfungsbefugnis die für Schiedssprüche geltende Regelung des § 1041 ZPO dienen kann (Staudinger/Wittmann BGB 12. Aufl. § 661 Rdn. 10; MünchKomm-Seiler § 661 Rdn. 13; BGB-RGRK 12. Aufl. § 661 Rdn. 8; vgl. auch BGHZ 17, 366, 374 f. und BGH Urt. vom 6. April 1966 - Ib ZR 82/64 - LM § 661 BGB Nr. 2). Einen derartigen Verfahrensmangel bildet der ungerechtfertigte Ausschluß einer Arbeit wegen (angeblicher) Versäumung der Bewerbungsfrist (vgl. § 1041 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Dieses Auslegungsergebnis gilt auch für die Ziffer 12.1 Satz 1 AWB, die sich - wie ausgeführt - an § 661 Abs. 2 Satz 2 BGB anlehnt. Nach dem Vorbringen des Klägers läßt sich nicht ausschließen, daß der aufgezeigte Verfahrensfehler die Sachentscheidung des Preisgerichts beeinflußt hat, zumal er eine sachliche Bewertung der Arbeit des Klägers überhaupt verhindert hat.

2.

Die Beklagte hat, wie das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend angenommen hat, für den unberechtigten Ausschluß der Arbeit des Klägers vom Wettbewerb einzustehen.

Die Beklagte muß sich die Ausschlußentscheidung des Preisgerichts und den entsprechenden Vorschlag der Vorprüfer nach § 278 BGB zurechnen lassen. Nach dem gesetzlichen Leitbild des Preisausschreibens (vgl. § 661 Abs. 2 Satz 1 BGB) prüft der Auslobende, ob die Bewerbung fristgerecht eingegangen ist, während das fachkundige Preisgericht zu beurteilen hat, ob die Bewerbung der Auslobung inhaltlich entspricht und ob sie preiswürdig ist. Bei dieser Betrachtungsweise obliegt die Prüfung der Rechtzeitigkeit dem Auslobenden gegenüber dem Bewerber als eine "Vorbereitungspflicht" (vgl. MünchKomm-Seiler § 661 Rdn. 10). Es handelt sich dann um eine von dem Auslobenden vorzunehmende Prüfung der formellen Teilnahmevoraussetzungen im Vorfeld der Sachentscheidung des Preisgerichts. An dieser rechtlichen Einordnung ändert sich nichts, wenn - wie im Streitfall - die Vorprüfung sich auf die rechtzeitige Einreichung der Arbeiten erstreckt und dem Preisgericht auch die Entscheidung über diesen Punkt übertragen wird. Damit fällt diese mehr verwaltungsmäßige Aufgabe nicht in den Bereich der fachlichen Tätigkeit der Vorprüfer und des Preisgerichts. Die GRW trennen in § 38 zwischen den "verwaltungstechnischen Aufgaben" der Vorprüfer - dazu gehört die Prüfung der fristgerechten Abgabe der Arbeiten - und ihren "fachlichen Aufgaben". Ferner unterscheiden die §§ 40, 41 GRW für das Verfahren des Preisgerichts zwischen der "Feststellung der wettbewerbsfähigen Arbeiten" - dazu zählt die Entscheidung darüber, ob die Arbeiten rechtzeitig eingereicht wurden - und der eigentlichen Beurteilung der Arbeiten mit der Zuerkennung der Preise. Hiernach hat im vorliegenden Falle die Beklagte als Auslobende eine an sich sie treffende "Vorbereitungspflicht" aus Zweckmäßigkeitsgründen durch die Vorprüfer und das Preisgericht miterledigen lassen. Damit hat sich die Beklagte zur Erfüllung ihrer durch die Auslobung begründeten Verpflichtung, die entsprechend den Ausschreibungsbedingungen fristgerecht eingereichten Arbeiten zum Wettbewerb zuzulassen, der Vorprüfer und der Mitglieder des Preisgerichts bedient (§ 278 BGB). Sie muß daher deren Verschulden wie eigenes vertreten.

Soweit es um den unrichtigen Entscheidungsvorschlag der Vorprüfer geht, war dieser auch für den eingetretenen Schaden (dazu unten) kausal, obwohl das Preisgericht die Letztentscheidung über den Ausschluß des Klägers traf. Der Zurechnungszusammenhang wird hier durch die - selbständige - Entscheidung des Preisgerichts schon deshalb nicht unterbrochen, weil diese durch den unrichtigen Vorschlag der Vorprüfer "erleichtert" (Herrn. Lange, Schadensersatz, 1979, S. 99) bzw. "tendenziell begünstigt" wurde (Staudinger/Medicus BGB 12. Aufl. § 249 Rdn. 70).

II.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte für den Ausschluß der Arbeit des Klägers aus dem Gesichtspunkt der positiven Forderungsverletzung (vgl. auch MünchKomm-Seiler § 661 Rdn. 11) oder der Unmöglichkeit haftet.

1.

Der Schadensersatzanspruch wegen Unmöglichkeit (§ 280 BGB) geht auf Ersatz des positiven Interesses (MünchKomm-Emmerich § 280 Rdn. 6, allg. Meinung); d.h. der Kläger ist so zu stellen, wie er ohne die Pflichtverletzung der Beklagten (Ausschluß der Arbeit vom Wettbewerb) gestanden hätte. Davon geht im Ansatz auch das Berufungsgericht aus, wenn es auch das positive Interesse auf der Grundlage einer positiven Forderungsverletzung zuspricht. Es schätzt (§ 287 Abs. 1 ZPO) den Wert, den die Beteiligung des Klägers an dem Architektenwettbewerb hatte, und erblickt die mit der Teilnahme verbundenen wirtschaftlichen Vorteile u.a. in der "Chance, einen Preis zu gewinnen und den anschließenden Auftrag zu erhalten", und in der Erhöhung des fachlichen Renommees sowie der Werbewirkung der Teilnahme beim interessierten Publikum, die zu Aufträgen führen könnten. Den auf der Vereitelung dieser Chancen und Auswirkungen beruhenden materiellen Schaden bemißt das Berufungsgericht anhand der Aufwendungen (Unkosten) des Klägers; die Zubilligung eines darüber hinausgehenden entgangenen Gewinns lehnt es ab. Von den tatsächlichen Aufwendungen des Klägers setzt es ein Drittel als nicht ersatzfähig ab, weil mit einer Teilnahme an einem Architektenwettbewerb auch "immaterielle Vorstellungen" verbunden seien (Befriedigung rein fachlicher und künstlerischer Interessen, Vermittlung von Anregungen für die künftige Arbeit) und "insoweit ein Teil des Aufwandes des Architekten von vornherein immer als unrentabel abgebucht" werde.

2.

Diese Schadensberechnung des Berufungsgerichts ist von Rechtsirrtum beeinflußt.

a)

Dem Berufungsgericht ist allerdings darin zuzustimmen, daß die oben genannten immateriellen Faktoren nach der gesetzlichen Wertung des § 253 BGB bei der Berechnung des dem Kläger entstandenen Schadens ausgeklammert werden müssen.

b)

Das Berufungsgericht schätzt den entgangenen Gewinn des Klägers auf den (um ein Drittel reduzierten) Betrag seiner nutzlosen Aufwendungen. Damit verknüpft es in rechtsfehlerhafter Weise zwei voneinander unabhängige und selbständige Methoden der Schadensermittlung. Die Annahme, daß der Kläger im Falle der ihm rechtswidrig vorenthaltenen Zulassung zum Wettbewerb "seine Unkosten hereingeholt hätte" entbehrt der tatsächlichen Grundlage. Das Berufungsgericht stellt weder fest, daß der Kläger, wenn er nicht ausgeschlossen worden wäre, einen Preis gewonnen hätte, noch daß ihm von dem Auslobenden oder einem Dritten ein Auftrag erteilt worden wäre. Es hebt vielmehr ausdrücklich auf den Wert der Beteiligung am Wettbewerb und der damit verbundenen Gewinnchancen und wirtschaftlich vorteilhaften Auswirkungen beim interessierten Publikum ab. Damit sind jedoch die Voraussetzungen der beweiserleichternden Vorschrift des § 252 Satz 2 BGB nicht dargetan. Weder die Feststellungen des Berufungsgerichts noch der unstreitige Sachverhalt lassen den Schluß zu, daß der Kläger mit Wahrscheinlichkeit die Verleihung eines Preises oder die Erteilung eines Auftrages seitens der Beklagten oder eines durch den Wettbewerb auf den Kläger aufmerksam gemachten Dritten erwarten konnte. Bei dieser Sachlage entzieht sich auch die vom Kläger ganz allgemein und unsubstantiiert behauptete Werbewirkung einer Teilnahme am Wettbewerb der schadensrechtlichen Bewertung.

c)

Das Berufungsgericht wendet auch nicht die Vorschrift des § 252 Satz 2 BGB an, sondern sieht die fehlgeschlagenen Aufwendungen des Klägers als Schaden an (sog. "Frustationsschaden"). Auch insoweit sind seine Erwägungen jedoch nicht frei von Rechtsirrtum. Allerdings ist im Bereich der vertraglichen Haftung für Ansprüche auf das positive Interesse (Erfüllungsinteresse) in der Rechtsprechung anerkannt, daß der Käufer oder Werkbesteller die geleistete Zahlung sowie die mit dem Vertragsschluß verbundenen (nutzlos gewordenen) Auslagen als Mindestschaden berechnen dürfen (BGHZ 57, 78, 80; 71, 234, 238 f.; BGH Urteil v. 18. Juni 1979 - VII ZR 172/78 = NJW 1979, 2034, 2035, jeweils m.w. Rechtsprechungsnachw.). Es braucht hier nicht entschieden zu werden, ob sich dieser für die Vertragshaftung entwickelte Grundsatz überhaupt auf einseitige Rechtsgeschäfte - darunter fällt das Preisausschreiben als Unterfall der Auslobung (BGB-RGRK a.a.O. § 661 Rdn. 1, § 657 Rdn. 1) - übertragen läßt. Immerhin stellt die erwähnte Rechtsprechung auf den - für das einseitige Rechtsgeschäft nicht zutreffenden - Gedanken des synallagmatischen Zusammenhangs von Leistung und Gegenleistung ab (BGHZ 71, 234, 238 m.w.Nachw.). Jedenfalls bei der vorliegenden Fallgestaltung können die im Rahmen eines Preisausschreibens (§ 661 BGB) erbrachten Aufwendungen für eine später zu Unrecht ausgeschlossene Arbeit nicht unter dem Gesichtspunkt des Frustrationsschadens ersetzt verlangt werden. Ob etwas anderes gilt, wenn die Aufwendungen z.B. durch unrichtige oder unvollständige Ausschreibungsbedingungen veranlaßt wurden, braucht nicht entschieden zu werden, da ein derartiger Fall hier nicht gegeben ist. Im Streitfall ist kein Raum für die bei einem gegenseitigen Vertrag sachgerechte Erwägung, daß sich die beiderseitigen Leistungen nach dem Parteiwillen als gleichwertig gegenüberstehen (vgl. BGHZ 71, 234, 238). Ebensowenig trägt hier der in den zitierten Entscheidungen für die dort zu beurteilenden Rechtsgeschäfte angeführte Grund, es bestehe eine (widerlegbare) "Rentabilitätsvermutung" in dem Sinne, daß der Geschädigte seine Aufwendungen durch Vorteile, die er aus der Durchführung des gescheiterten Geschäfts gezogen hätte, wieder eingebracht haben würde (BGHZ aaO; BGH NJW 1979, 2034, 2035). Das Berufungsgericht verkennt bei seiner gegenteiligen Annahme, daß der Kläger mit der Einreichung einer Arbeit für den Wettbewerb keinen Anspruch auf einen der ausgesetzten 4 Preise und 2 Ankäufe, sondern nur eine entsprechende Chance, wie sie auch allen anderen 42 Bewerbern eröffnet wurde, erlangt hat. Daher kann von einer Rentabilitätsvermutung im vorliegenden Falle keine Rede sein (vgl. MünchKomm-Seiler § 661 Rdn. 11). Das gilt um so mehr, als der 1. Preis nur mit 22.000 DM dotiert war und die Aufwendungen des Klägers nach seiner Behauptung 82.697,88 DM betrugen. Anders als bei einem Vertrag, bei dem die Parteien beiderseitige Leistungen aushandeln, die sie als gleichwertig ansehen und sodann unter diesem Blickwinkel Aufwendungen erbringen, hat der Kläger Kosten für eine bloße Chance aufgewendet, ohne daß er einen rechtsgeschäftlich begründeten Anspruch auf eine Gegenleistung besaß. Der Kläger konnte also anders als ein Käufer oder Werkbesteller nicht davon ausgehen, daß sich seine Aufwendungen als rentabel erweisen würden; er mußte schon, als ihm die Unkosten entstanden, damit rechnen, daß sich seine Bewerbung mit ihren hohen Investitionen als Verlustgeschäft herausstellen werde.

d)

Dem Kläger steht jedoch der Nachweis offen, daß er bei Zulassung zum Architektenwettbewerb einen der ausgesetzten Preise errungen hätte oder bei einem Ankauf berücksichtigt worden und ihm von der Beklagten ein Auftrag erteilt worden wäre. Eine Beweiserhebung hierüber stellt keine gegen § 661 Abs. 2 Satz 2 BGB verstoßende Nachprüfung der Verbindlichkeit der Sachentscheidung des Preisgerichts dar. Dieses hat die Arbeit des Klägers nicht inhaltlich beurteilt; der dem Preisgericht unterlaufene Verfahrensfehler unterliegt ohnehin der Nachprüfung (vgl. oben I 1). Auch das Bedenken, daß hier im Wege einer hypothetischen Inzidentprüfung gewissermaßen ein neues Preisausschreiben durchgeführt würde, greift nicht durch. Die Frage der Preiswürdigkeit der Arbeit des Klägers im Vergleich zu den anderen Entwürfen ist der Beantwortung durch einen Sachverständigen anhand sachbezogener Kriterien zugänglich; es geht nicht - wie etwa bei einem Gesangs- oder Instrumentalwettbewerb - um eine nicht mehr unter denselben Voraussetzungen nachvollziehbare Bewertung. Bei dem hier ausgeschriebenen Wettbewerb standen auch nicht subjektive künstlerische oder ästhetische Beurteilungsmomente derart im Vordergrund, daß die Vergleichbarkeit der Leistungen aller Teilnehmer nicht mehr gewährleistet wäre. Der Senat hat z.B. schon den hypothetischen Nachvollzug einer Wahl im Wege einer Beweisaufnahme für erforderlich und sachdienlich erachtet (LM § 839 (Fd) BGB Nr. 19; vgl. auch Urteil vom 26. März 1981 - VII ZR 185/80 = NJW 1981, 1673: hypothetisches Ergebnis einer Ausschreibung nach VOB/A).

Soweit der Kläger für entgangene Aufträge Dritter und die vereitelte Werbewirkung in der Öffentlichkeit Schadensersatz verlangt, kann schon zweifelhaft sein, ob derartige Schäden noch in den sachlichen Schutzbereich der Ersatznorm fallen. Ersatzansprüche des Klägers scheiden insoweit Jedenfalls deshalb aus, weil er solche Schäden aus entgangenen Drittaufträgen und vereitelter Werbewirkung nicht substantiiert dargelegt hat, und zwar auch nicht für den Fall, daß ihm ein Preis verliehen und von der Beklagten ein Auftrag erteilt worden wäre. Es spricht auch weder eine tatsächliche Vermutung noch ein Erfahrungssatz für derartige Schäden.

3.

Dem Kläger würden auch keine weitergehenden Ansprüche zustehen, wenn er aus dem Gesichtspunkt der positiven Forderungsverletzung ersatzberechtigt und hier Jeder Schaden ohne Rücksicht auf die Unterscheidung zwischen positivem und negativem Interesse zu ersetzen wäre (so MünchKomm-Emmerich Rdn. 254 vor § 275). Zwar umfaßt ein aus Vertragsverletzung abgeleiteter Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens (negatives Interesse) auch nutzlose Aufwendungen (BGHZ 71, 234, 237; Staudinger/Medicus a.a.O. § 249 Rdn. 126). Der Kläger kann aber nicht beanspruchen, besser gestellt zu werden, als er bei ordnungsgemäßer Zulassung zu dem Wettbewerb gestanden hätte. Denn er begründet seinen Schaden gerade damit, daß ihm die Teilnahme zu Unrecht verwehrt worden sei. Im Falle der Teilnahme hätte er aber bestenfalls den 1. Preis in Höhe von 22.000 DM und einen Anschlußauftrag der Beklagten erhalten. Mehr kann er auch als Schadensersatz nicht beanspruchen. Seine Aufwendungen können sich unter Schadensersatzgesichtspunkten nicht als rentabler darstellen als bei fehlerfreier Abwicklung des Wettbewerbs. Zudem lag in dem Zeitpunkt, als der Kläger seine Aufwendungen erbrachte, noch kein der Beklagten zurechenbarer Verstoß gegen ihre Pflichten, die durch die Ausschreibung des Wettbewerbs begründet wurden, vor.

Zwar ist das negative Interesse nicht allgemein, sondern nur in bestimmten Fällen (vgl. §§ 122 Abs. 1, 179 Abs. 2, 307 Abs. 1 Satz 1 BGB) nach oben auf das positive Interesse begrenzt. Diese Obergrenze gilt nicht für alle Fälle des negativen Interesses, wohl aber auch außerhalb der gesetzlich geregelten Fälle für solche mit gleicher Interessenlage (Staudinger/Medicus a.a.O. § 249 Rdn. 25). Durch den Ersatz des Vertrauensschadens dürfen aber die Vertragsrisiken nicht anders verteilt werden (so für c.i.c. Erman/Battes BGB 7. Aufl. § 276 Rdn. 124; vgl. auch RGZ 151, 358 f.). Das wäre aber der Fall, wenn man dem Kläger über die Preissumme und den Gewinn aus einem Anschlußauftrag der Beklagten hinaus Ersatzansprüche zubilligen wollte.

4.

Das Berufungsurteil ist daher, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist, aufzuheben und die Sache in diesem Umfange an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

Für die weitere Sachbehandlung durch das Berufungsgericht wird darauf hingewiesen, daß gegen die Ablehnung eines Mitverschuldens des Klägers keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken bestehen. Die Vorprüfer und die Mitglieder des Preisgerichts hätten auch und gerade wenn der Datumsstempel auf dem Ablieferungsschein der Expreßgutkarte undeutlich erschien, darauf hinwirken müssen, daß dem Kläger Gelegenheit gegeben wurde, die Rechtzeitigkeit der Bewerbung nachzuweisen.

Bei der nach § 287 ZPO vorzunehmenden Beurteilung, ob der Kläger bei ordnungsgemäßer Zulassung zum Wettbewerb mit einem Preis oder Ankauf bedacht worden wäre, wird auch zu berücksichtigen sein, nach welchen Kriterien und Gesichtspunkten bei der Preisverleihung und dem Ankauf tatsächlich verfahren wurde. Ebenso kann es für die Frage, ob dem Kläger bei Durchführung des Bauvorhabens die weiteren Architektenleistungen übertragen worden wären, darauf ankommen, wie die Beklagte nach Abwicklung des Wettbewerbs auf der Grundlage der Ziffer 14.1 AWB gegenüber den Preisträgern vorgegangen ist. Auch insoweit kann das von ihr gezeigte Verhalten Rückschlüsse darauf zulassen, ob sie, wenn der Kläger einen Preis errungen hätte, ihm nach Maßgabe der angeführten Bestimmung mit der weiteren Bearbeitung des Projekts beauftragt hätte (vgl. ferner die zu einem anderen Wortlaut der Wettbewerbsbedingungen ergangene Entscheidung BGH LM § 661 BGB Nr. 2 a).

 

Fundstellen

Haufe-Index 3018817

NJW 1983, 442-444 (Volltext mit amtl. LS)

MDR 1983, 201 (Volltext mit amtl. LS)

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