Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurechnung der Erklärungen eines Untervertreters des Vermittlungsunternehmens beim Abschluß eines Bausparvertrages
Leitsatz (redaktionell)
Hat eine Bausparkasse die Anwerbung von Kunden einem selbständigen Vermittlungsunternehmen überlassen, so können ihr, wenn ein anderer Makler im Einverständnis mit dem Vermittlungsunternehmen die persönlichen Vertragsverhandlungen mit dem Kunden führt, dessen Erklärungen gem BGB § 278 zugerechnet werden.
Normenkette
BGB § 278
Verfahrensgang
OLG Celle (Entscheidung vom 08.03.1995; Aktenzeichen 3 U 109/94) |
LG Verden (Aller) (Entscheidung vom 22.03.1994; Aktenzeichen 4 O 425/93) |
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 8. März 1995 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte, eine Bausparkasse, gewährte den klagenden Eheleuten im Dezember 1991 für den Kauf einer vermieteten Eigentumswohnung ein durch Grundschuld gesichertes sog. Vorausdarlehen über 132.000 DM; zugleich schlossen die Parteien zwei Bausparverträge über je 39.600 DM. Die Beklagte hatte den Darlehensantrag über die – für sie als Vermittlungsagentur tätige – Firma C. GmbH erhalten; persönliche Kontakte zwischen den Parteien hatten vor Vertragsschluß nicht stattgefunden.
Als in der Folgezeit die vereinbarten monatlichen Zinsen von 1.001 DM und der Ansparbetrag von 264 DM von den Klägern nicht gezahlt wurden, kündigte die Beklagte am 21. Juli 1992 das Darlehen und verwertete die Eigentumswohnung im Wege der Zwangsversteigerung. Die danach noch verbleibende Schuld der Kläger berechnet sie per 31. Dezember 1994 mit 48.357,34 DM.
Die Kläger haben den Darlehensvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten und verlangen von der Beklagten Schadensersatz wegen Falschberatung bei Abschluß des Darlehensvertrags und der Bausparverträge. Zur Begründung haben sie vorgetragen: Sie hätten im Januar 1991 ohne Eigenkapital ein Haus für 250.000 DM gekauft und selbst bezogen; die von ihnen angesprochenen Banken hätten danach jedoch eine Finanzierung abgelehnt. Daraufhin hätten sie sich an den Finanzmakler T. von der Firma T. OHG gewandt. Er habe ihnen erklärt: Seine Firma sei für die Beklagte tätig, er vertreibe ständig Bausparverträge für sie; wenn die Beklagte die Finanzierung des Hauskaufs übernehmen solle, müßten die Kläger zunächst durch seine Vermittlung eine vermietete Eigentumswohnung erwerben, um so eine zusätzliche Möglichkeit grundbuchlicher Absicherung bieten zu können; danach werde die Beklagte ihnen auch die Finanzierung für das von ihnen bewohnte Haus ohne weiteres zur Verfügung stellen; Zinsen und Tilgung für den Erwerb der Eigentumswohnung könnten aus deren Mieterträgen erbracht werden; der Kauf der Eigentumswohnung bringe ihnen außerdem noch steuerliche Vergünstigungen. All das habe sich als falsch erwiesen; sie – die Kläger – hätten inzwischen auch das Haus mangels Finanzierung aufgeben müssen und seien wirtschaftlich am Ende. Die Beklagte müsse sich die Erklärungen T.s gemäß § 278 BGB zurechnen lassen; denn zwischen der Firma C. GmbH und der T. OHG habe schon vor Dezember 1991 ein Vertragsverhältnis bestanden, aufgrund dessen T. Aufgaben eines Untervertreters auch für die Beklagte auszuüben berechtigt und verpflichtet gewesen sei.
Die Kläger haben zunächst beantragt, die aus der Grundschuldbestellungsurkunde betriebene Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären und festzustellen, daß die Beklagte zum Ersatz allen ihnen aus der Falschberatung entstandenen Schadens verpflichtet ist. Die Klage ist vom Landgericht abgewiesen worden. Mit der Berufung haben die Kläger dann die Feststellung begehrt, daß sich ihre Vollstreckungsgegenklage in der Hauptsache erledigt habe; ihren Antrag auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung der Beklagten haben sie aufrecht erhalten. Das Berufungsgericht hat die Klageabweisung in vollem Umfang bestätigt. Mit der Revision verfolgen die Kläger ihre Berufungsanträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Im Berufungsurteil wird zur Begründung der Klageabweisung ausgeführt: Die gesamte Klage sei mangels haftungsrechtlicher Anspruchsgrundlage von Anfang an unbegründet gewesen. Zwar seien die Kläger nach ihrem Vortrag durch den Finanzmakler T. arglistig getäuscht worden. Es fehle jedoch jeder Anknüpfungspunkt dafür, sein Verhalten der Beklagten gemäß § 278 BGB zuzurechnen. Durch die Verwendung ihrer Antragsformulare sei T. nicht Verhandlungsgehilfe der Beklagten geworden. Daß zwischen ihm und der Beklagten ein irgendwie geartetes rechtliches Verhältnis oder überhaupt nur eine Kenntnis der Beklagten von der Tätigkeit dieses Maklers bestanden habe, sei von den Klägern nicht dargelegt worden. Ihre pauschalen Behauptungen stellten insoweit reine Vermutungen dar, die durch Tatsachen nicht belegt würden. Eine Beweiserhebung durch Zeugenvernehmung scheide als unzulässige Ausforschung aus. Die Beklagte selbst habe bei der Kreditvergabe keine Aufklärungs- oder Beratungspflichten verletzt; die ihr vorgelegten Angaben der Kläger über ein gemeinsames Monatseinkommen von nahezu 3.700 DM habe monatliche Zahlungen von 1.001 DM Zinsen und 264 DM Ansparrate für die Eigentumswohnung möglich erscheinen lassen.
II.
Diese Begründung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Klage durfte nicht ohne weitere Sachaufklärung durch Beweiserhebung abgewiesen werden.
1. Das Berufungsgericht geht selbst davon aus, daß die Kläger nach ihrem Vortrag von dem Finanzmakler T. durch arglistige Täuschung dazu gebracht worden sind, das Vorausdarlehen der Beklagten für den Kauf der Eigentumswohnung in Anspruch zu nehmen und zugleich zwei Bausparverträge abzuschließen. Die Auffassung, die Beklagte brauche für das Verhalten T.s nicht einzustehen, der Makler sei vielmehr Dritter im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB, weil er die Interessen beider Vertragsparteien wahrgenommen habe, ist abzulehnen. Hatte T. – wie die Kläger vortragen – schon vor den im Dezember 1991 geführten Vertragsverhandlungen mit der – unstreitig ständig für die Beklagte arbeitenden – Vermittlerfirma C. GmbH vereinbart, daß er als ihr Untervertreter Kunden für die Beklagte werben solle, so muß sich die Beklagte sein Verhalten gegenüber den Klägern gemäß § 278 BGB zurechnen lassen. Die selbständige Stellung des Maklers steht seiner Einordnung als Erfüllungsgehilfe nicht grundsätzlich entgegen: Übernimmt er mit Wissen und Wollen einer der späteren Vertragsparteien Aufgaben, die typischerweise ihr obliegen, so wird er in ihrem Pflichtenkreis tätig und ist daher zugleich als ihre Hilfsperson zu betrachten (BGH, Urteil vom 24. November 1995 – V ZR 40/94 = WM 1996, 315, 316). Wann eine solche Einschätzung gerechtfertigt ist, läßt sich nach der Rechtsprechung des BGH nur aufgrund einer die Interessen beider Parteien wertenden Betrachtung der Einzelfallumstände entscheiden (BGH aaO m.w.Nachw.); maßgeblich ist dabei nicht, ob dem Makler für den Vertrag Vertretungsmacht eingeräumt ist (BGH aaO).
Hier hat die Beklagte unstreitig mit den Kunden keinerlei persönlichen Kontakt aufgenommen, sondern es einem selbständigen Vermittlungsunternehmen überlassen, Kredit- und Bausparkunden anzuwerben und mit ihnen die persönlichen Vertragsverhandlungen bis zur Unterschriftsreife zu führen. Die Beklagte hat sich darauf beschränkt, von der Firma C. GmbH den fertig ausgefüllten und von den Klägern unterschriebenen Darlehensantrag mit Angaben über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse und über den Verwendungszweck entgegenzunehmen und den Klägern dann nur noch einen Darlehensvertrag über ein Vorausdarlehen mit anschließendem Bauspardarlehen zur Unterschrift zu übersenden. Die Beklagte kann sich nicht auf den Standpunkt stellen, alles, was der Vermittler oder ein von ihm beauftragter Untervertreter vorher mit den Kunden besprochen habe, gehe sie nichts an, es sei ihr „völlig gleichgültig, wer Formulare einreicht”. Der Beklagten mußte klar sein, daß dem Darlehensantrag für eine Grunderwerbsfinanzierung durch eine Privatperson in aller Regel eingehende Gespräche vorauszugehen pflegen, bei denen der Vermittler nicht nur die Wünsche und Möglichkeiten des Kunden ermitteln, sondern ihm auch die Angebote der Finanzierungsinstitute nahebringen und seine Fragen zum Vertragsinhalt an deren Stelle beantworten muß. Gerade bei der hier angebotenen speziellen Finanzierungsmethode – Verbindung von Vorausdarlehen und Bausparverträgen – besteht für den Kunden ein erheblicher Aufklärungs- und Beratungsbedarf. Es kann nicht gebilligt werden, daß sich die Beklagte der Verantwortung für die persönlichen Vertragsverhandlungen durch die Einschaltung einer selbständigen Vermittlungsfirma völlig entzieht. Sie mußte auch damit rechnen, daß diese Vermittlungsfirma nicht nur eigene Mitarbeiter einsetzt, sondern auch andere Makler als Untervermittler tätig werden läßt. Auch deren Verhalten bei den Darlehensvertragsverhandlungen muß sich die Beklagte gemäß § 278 BGB zurechnen lassen.
2. Die Beweiserhebung über die von den Klägern behaupteten Vereinbarungen zwischen T. und der Firma C. GmbH durfte das Berufungsgericht nicht mit der Begründung ablehnen, es handele sich um „reine Vermutungen”. Eine Partei hat das Recht, im Zivilprozeß Tatsachen zu behaupten, über die sie keine genauen Kenntnisse haben kann, die sie aber nach Lage der Dinge für wahrscheinlich hält (BGH, Urteil vom 25. April 1995 – VI ZR 178/94 = WM 1995, 1561, 1562; zust. Anm. Baumgärtel MDR 95, 987 m.w.Nachw.). Rechtsmißbräuchlich und daher unzulässig ist ein solches Vorgehen nur dort, wo die Partei willkürlich Behauptungen, an deren Richtigkeit sie selbst nicht glaubt, „aufs Geratewohl” oder „ins Blaue hinein” aufstellt; bei der Bejahung dieser Voraussetzungen ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Zurückhaltung geboten; die Annahme von Willkür ist nur bei Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte gerechtfertigt (BGH aaO und Urteil vom 23. April 1991 – X ZR 77/89 = NJW 1991, 2707, 2709 m.w.Nachw.).
Hier konnten sich die Kläger für ihre Behauptung, T. sei aufgrund von Vereinbarungen mit der Firma C. GmbH für die Beklagte tätig geworden, auf greifbare Anhaltspunkte stützen: Nach ihrem Vortrag hatte T. ihnen gegenüber von Anfang an erklärt, er arbeite für die Beklagte; er hatte den Klägern ein Formular der Beklagten zur Unterschrift vorgelegt; T. muß den von ihnen unterschriebenen Darlehensantrag der Firma C. zugeleitet haben; denn von ihr hat die Beklagte den Antrag unstreitig erhalten.
Das Berufungsgericht muß daher, wenn es über die Anwendung des § 278 BGB entscheiden will, die von den Klägern für die behaupteten Abreden benannten Zeugen C. und T. vernehmen.
3. Erfolg kann die Klage erst haben, wenn das Berufungsgericht nicht nur zu der Feststellung kommt, daß der Finanzmakler T. bei den Vertragsverhandlungen mit den Klägern als Erfüllungsgehilfe der Beklagten handelte, sondern wenn die Kläger außerdem ihre – bestrittene – Behauptung beweisen, T. habe sie dabei schuldhaft falsch beraten und durch unrichtige Angaben und unerfüllbare Versprechungen zum Vertragsschluß veranlaßt.
Unterschriften
Schimansky, Dr. Halstenberg, Dr. Schramm, Nobbe, Dr. van Gelder
Fundstellen
Haufe-Index 542513 |
NJW 1997, 651 |
ZIP 1996, 1950 |
MDR 1997, 155 |
ZBB 1996, 381 |