Leitsatz (amtlich)
›Für die Anwendbarkeit des § 558 Abs. 1 BGB genügt nicht, daß ein Schaden auf die Verletzung von Obhutspflichten des Mieters zurückzuführen ist; vielmehr muß der Schaden hinreichenden Bezug zum Mietobjekt selbst haben (hier verneint für einen Folgeschaden, der aufgrund der Kontaminierung eines Mietgrundstücks durch ausgelaufenes Öl an einer entfernt liegenden Fischzuchtanlage eines Dritten entstanden ist - Fortführung von BGHZ 61, 227; 86, 71).‹
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main |
LG Limburg a.d. Lahn |
Tatbestand
Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks in W., das er im Jahre 1978 den Beklagten, seinen Schwiegereltern, zur Nutzung als Altenwohnheim überließ. Diese entrichteten hierfür die Zins- und Tilgungsraten der auf dem Grundstück ruhenden Belastungen sowie die Grundsteuer und Versicherungsprämien. Im Jahre 1985 erhielt der Kläger das Grundstück zurück.
Im Frühjahr 1984 war Öl aus dem Erdtank des Grundstücks in das Erdreich gedrungen. Es stellte sich heraus, daß es auch in die Ortskanalisation, von dort in Bäche und schließlich in die Fischzuchtanlage des R. gelangt war, wo es erhebliche Schäden am Fischbestand angerichtet hatte. R. nahm die Parteien dieses Rechtsstreits sowie die Gemeinde W. als Gesamtschuldner auf Schadensersatz in Anspruch und erwirkte zunächst ein Grundurteil, das in zweiter Instanz bestätigt wurde. Im Betragsverfahren wurden die in Anspruch Genommenen rechtskräftig als Gesamtschuldner zur Zahlung von 58.412, 82 DM nebst Zinsen verurteilt, und zwar die Parteien dieses Rechtsstreits aufgrund von § 22 Abs. 2 WHG, die Gemeinde W. aufgrund von § 22 Abs. 1 WHG. In einem weiteren Vorprozeß nahm ein für die Gemeinde W. in Vorlage getretener Versicherungsverband, der den Schaden voll beglichen hatte, die Parteien dieses Rechtsstreits auf Ausgleichung in Anspruch. Ergebnis dieses Verfahrens war, daß die Gemeinde W. auf die Haftung für einen Schadensanteil von 20% beschränkt und die Beklagten zur Zahlung von 38.475, 07 DM (= 50%), der Kläger zur Zahlung von 23.085, 04 DM (= 30%), jeweils nebst Zinsen, verurteilt wurden.
Mit der Anfang 1991 erhobenen Klage verlangte der Kläger von den Beklagten die Zahlung von 25.047, 26 DM nebst Zinsen. Der Betrag setzt sich zusammen aus den gegen ihn ausgeurteilten 23.085, 04 DM und für die Zeit vom 15. Juli 1988 bis 30. August 1990 angefallenen Zinsen. Der Kläger vertrat die Auffassung, daß die Beklagten im Verhältnis zu ihm allein für den Schaden verantwortlich seien. Dazu trug er im wesentlichen vor, zu dem Ölaustritt sei es durch den Bruch einer Leitung in dem Domschacht der Tankanlage gekommen. Diesen Bruch habe der Beklagte zu 1 durch mehrfaches Einsteigen in den Domschacht verursacht. Auch der ehemals sichere Isolierputz des Schachtes sei dadurch beschädigt worden. Weiter ergebe sich eine Haftung der Beklagten zu 1 und 2 daraus, daß sie Tage vorher auf einen möglichen Ölschaden hingewiesen worden seien; Zeugen hätten sie darauf aufmerksam gemacht, daß es nach Öl rieche.
Die Beklagten bestritten jedes Fehlverhalten und erhoben die Einrede der Verjährung.
Das Landgericht wies die Klage ab, weil der Anspruch des Klägers aufgrund von § 558 BGB verjährt sei. Die hiergegen eingelegte Berufung blieb ohne Erfolg. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
1. Nach den in den Vorprozessen getroffenen Entscheidungen steht rechtskräftig fest, daß die Parteien dieses Rechtsstreits als Inhaber einer Anlage im Sinne von § 22 Abs. 2 WHG (zur Inhabermehrheit vgl. BGHZ 80, 1, 4) gesamtschuldnerisch für 80% des Schadens haften, der dem Fischzüchter R. durch den Ölunfall im Frühjahr 1984 entstanden ist. Mit der Klage will der Kläger aufgrund von § 426 Abs. 1 BGB im Verhältnis zu den Beklagten die vollständige Haftungsfreistellung erreichen. Dies setzt eine Abwägung der beiderseitigen Schadensbeiträge voraus, die ergibt, daß der Verursachungsbeitrag auf seiten der Beklagten gegenüber demjenigen auf seiten des Klägers so überwiegt, daß im Verhältnis der Parteien zueinander nach den Grundgedanken der §§ 426, 254 BGB für eine Haftung des Klägers kein Raum bleibt (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 1993 - III ZR 135/92 - zur Veröffentlichung vorgesehen m.w.N.). Davon ist das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen.
2. Eine Abwägung im vorgenannten Sinn hat das Berufungsgericht nicht vorgenommen, weil jedenfalls die auf § 558 BGB gestützte Verjährungseinrede der Beklagten durchgreife. Dazu hat es im wesentlichen ausgeführt: Durch die Regelung des § 558 BGB solle zwischen den Parteien eines Gebrauchsüberlassungsverhältnisses eine rasche Auseinandersetzung gewährleistet und eine beschleunigte Klarstellung der Ansprüche wegen des Zustandes der überlassenen Sache bei ihrer Rückgabe erreicht werden. Die Vorschrift sei nach allgemeiner Ansicht weit auszulegen. Neben den mietvertraglichen Ansprüchen verjährten auch alle mit ihnen konkurrierenden Ansprüche aus demselben Sachverhalt. Auch vorliegend gehe es um Ersatzansprüche des Klägers als Vermieter wegen einer Verschlechterung der Mietsache. Die Beschädigung der Tankanlage des Mietobjekts habe nämlich zu einem Vermögensschaden des Klägers geführt, der darin bestehe, daß er mit Ansprüchen des Fischzüchters R. gemäß § 22 WHG belastet worden sei. Er stütze seinen Freistellungsanspruch auf eine Verletzung mietvertraglicher Obhutspflichten durch die Beklagten; diese hätten die Tankanlage des vermieteten Grundstücks schuldhaft beschädigt und damit die Ursachenkette in Lauf gesetzt, die zu dem Schaden in der Fischzuchtanlage des R. geführt habe. Eine Untersuchung der Tankanlage bei Rückgabe des Mietobjektes hätte näheren Aufschluß über den Hergang der Schadensverursachung geben können, der nunmehr schwer aufzuklären sei. Die Eigenhaftung des Klägers aufgrund von § 22 WHG habe schon seinerzeit im Bereich des Möglichen gelegen. Unter diesen Umständen hätte er zur Unterbrechung der Verjährung innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 558 BGB gegen die Beklagte eine Feststellungsklage erheben müssen. Bei Erhebung der vorliegenden Klage sei die Frist abgelaufen gewesen, ohne daß eine Hemmung oder Verjährung eingetreten wäre.
3. Diesen Ausführungen hält die Revision unter Bezugnahme auf die Entscheidung BGHZ 86, 71 entgegen, daß es sich um Schäden handele, die weder an der Mietsache selbst noch an anderen Sachen des Vermieters entstanden seien. § 558 Abs. 1 BGB sei deshalb nicht anwendbar. Damit dringt sie im Ergebnis durch.
a) Nach seinem Wortlaut bezieht sich § 558 Abs. 1 BGB lediglich auf Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen und Verschlechterungen der vermieteten Sache selbst. Personenschäden scheiden von vornherein aus. Das Reichsgericht hat die Vorschrift ausdehnend angewendet in einem Fall, in dem ein vom Mieter verschuldeter Brand sowohl die Mieträume als auch nicht vermietete andere Teile des Hausgrundstücks beschädigt hatte (RGZ 75, 116). Es hat dazu erwogen, daß der Vermieter sofort in der Lage gewesen sei, auch die Schäden zu entdecken, die an den in seinem Alleinbesitz verbliebenen Sachen entstanden seien. Durch Verletzung von Mieterpflichten sei ein einheitlicher Schaden entstanden, so daß es sinnwidrig sei, die Verjährung der Ersatzansprüche hinsichtlich der vermieteten und nicht vermieteten Sachen aufzuspalten. Diese Rechtsprechung ist in der Entscheidung BGHZ 61, 227 fortgeführt worden. In dem zugrundeliegenden Fall hatte ein Mieter ebenfalls unter Verletzung der vertraglichen Obhutspflicht durch eine Gasexplosion einen einheitlichen Schaden an vermieteten und nicht vermieteten Teilen eines Grundstücks verursacht. In den Gründen heißt es, die kurze Verjährung der Ansprüche wegen des Gesamtschadens benachteilige den Vermieter zumindest dann nicht, wenn die beschädigten nicht vermieteten Teile des Grundstücks in seinem unmittelbaren Besitz gestanden hätten, so daß er nach Rückgabe der Mietsache in der Lage gewesen sei, Art und Ausmaß der Schäden insgesamt sofort festzustellen (aaO S. 230). Es komme nicht darauf an, ob die Schäden an den vermieteten Teilen überwögen. Offen gelassen wurde die Frage, ob § 558 Abs. 1 BGB auch gilt, wenn ausschließlich Schäden an nicht mitvermieteten Teilen des Objekts entstanden sind (aaO S. 231). In der Entscheidung BGHZ 86, 71, auf die sich die Revision bezieht, ist die Anwendbarkeit des § 558 Abs. 1 BGB auf Fälle als zweifelhaft bezeichnet worden, in denen es um die Beschädigung von Sachen gehe, die sich auf einem ebenfalls dem Vermieter gehörenden Nachbargrundstück befänden, auch wenn der Schaden auf den Gebrauch der Mietsache zurückzuführen sei. Es spreche manches dafür, eine so weit gehende Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Vorschrift nicht zuzulassen (aaO S. 81). Die Frage ist letztlich unentschieden geblieben, weil der Mieter vertraglich auch die Haftung für Schäden am Eigentum des Vermieters außerhalb der Mietsache übernommen hatte.
b) Vorliegend handelt es sich zwar nicht um einen Fall, in dem das aus der Tankanlage gesickerte Öl ausschließlich nicht vermietete Sachen beschädigt hat. Denn das Öl muß zunächst in das Erdreich des Mietgrundstücks gedrungen sein, ehe es die weiteren Schäden angerichtet hat, wegen der es zur Verurteilung des Klägers gekommen ist. Auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung kann aber die Anwendbarkeit des § 558 Abs. 1 nicht bejaht werden. Eingetreten ist der Schaden in der räumlich vom Mietobjekt weit entfernten Fischzuchtanlage eines Dritten. Diese Anlage nach der Rückgabe der Mietsache auf Schäden zu untersuchen, hatte der Kläger als Vermieter weder rechtlich noch tatsächlich die Möglichkeit. Eine Untersuchung der auf dem Mietgrundstück befindlichen Tankanlage hätte zwar möglicherweise Hinweise auf die Schadensursache und das Ausmaß des Schadens am Mietgrundstück ergeben, nicht aber auf die Schäden, um die es hier geht. Auch von einem einheitlichen Schadensvorgang kann nicht ausgegangen werden. Feststellungen dazu sind zwar nicht getroffen, aber es ist anzunehmen, daß die Schäden an der Fischzuchtanlage des R. nicht in einem engen Zusammenhang mit der Kontaminierung des Mietgrundstücks entstanden sind, da das Öl darauffolgend durch undichte Verbindungsstellen in die Kanalisation gedrungen, von dort über Wasserläufe in diese Anlage gelangt ist und hier schließlich Schäden am Fischbestand verursacht hat.
Der Senat hält es auch nicht für gerechtfertigt, über die bisherige Rechtsprechung hinaus den Anwendungsbereich des § 558 Abs. 1 BGB so auszudehnen, daß der vorliegende Fall erfaßt würde. Nach der Fassung des Gesetzes genügt nicht, daß der Schaden auf eine Verletzung mietvertraglicher Obhutspflichten zurückzuführen ist; vielmehr muß der Schaden als solcher einen hinreichenden Bezug zum Mietobjekt haben. Es ist daran festzuhalten, daß der Wegfall der Durchsetzbarkeit von Ersatzansprüchen mit Ablauf von sechs Monaten nach Rückgabe der Mietsache korrespondieren muß jedenfalls mit der Möglichkeit für den Vermieter, etwaige Schäden alsbald durch eine Untersuchung festzustellen (vgl. auch BGHZ 98, 235, 239). Vorliegend ist der Schaden an Sachen eingetreten, mit denen die Beklagten beim vertragsmäßigen Gebrauch der Mietsache nicht in Kontakt kommen konnten. Daß insoweit für den Kläger eine Untersuchungsmöglichkeit bestand, ist nicht ersichtlich. Es handelte sich um einen zunächst nicht erkennbaren und auch nicht zwangsläufigen Folgeschaden des durch ausfließendes Öl kontaminierten Mietgrundstücks, der sich nicht in engem Zusammenhang mit der Schädigung der Mietsache selbst verwirklichte und das Eigentum eines Dritten betrifft. Daß für die Regulierung eines solchen Schadens eine eigene Verjährungsfrist läuft, kann nicht als sinnwidrig angesehen werden. So wird auch im Werkvertragsrecht für die Anwendbarkeit der kurzen Verjährung nach § 638 BGB auf Ansprüche wegen positiver Vertragsverletzung danach differenziert, ob es sich um einen engeren oder weiteren Folgeschaden handelt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 8. Dezember 1992 - X ZR 85/91 - NJW 1993, 923, 924 m.w.N.).
4. Nach allem scheidet eine kurze Verjährung des Anspruchs des Klägers schon nach der Art des geltend gemachten Schadens aus, so daß es nicht mehr darauf ankommt, ob ein speziell auf § 426 Abs. 1 S. 1 BGB gestützter Ausgleichsanspruch des Vermieters von § 558 Abs. 1 BGB erfaßt werden kann. Eine vertragliche Erweiterung der Haftung der Beklagten - entsprechend der Gestaltung BGHZ 86, 71, 81 - ist nicht festgestellt. Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben, weil die somit geltende Regelverjährung von 30 Jahren (§ 195 BGB) nicht eingetreten ist. Eine abschließende Entscheidung ist dem Senat nicht möglich, weil das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zu den beiderseitigen Verursachungsbeiträgen getroffen hat. Dies wird es nachholen müssen.
Streitwert der Revision: 23.085 DM.
Fundstellen
Haufe-Index 538119 |
BGHZ 124, 186 |
BGHZ, 186 |
NJW 1994, 251 |
BGHR BGB § 558 Abs. 1 Folgeschaden 1 |
DRsp I(133)509b |
WM 1994, 356 |
ZIP 1994, 37 |
MDR 1994, 160 |
WuM 1994, 20 |
UPR 1994, 100 |