Leitsatz (amtlich)
a) Bleibt nach dem Ausscheiden des einen von zwei gesamtvertretungsberechtigten Gesellschaftern aus einer Kommanditgesellschaft nur noch ein persönlich haftender Gesellschafter übrig, so vertritt dieser nunmehr allein die Gesellschaft.
b) Eine Klage auf Feststellung, daß die Erben eines verstorbenen Gesellschafters nicht an dessen Stelle als Kommanditisten getreten seien, kann nur von den Gesellschaftern und nicht von der Gesellschaft erhoben werden.
Normenkette
HOB §§ 124-125, 170
Verfahrensgang
OLG Bamberg (Urteil vom 07.12.1961) |
LG Würzburg |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 7. Dezember 1961 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Durch Vertrag vom 10. Juli 1955 errichteten der Glasermeister Karl Friedrich W., der Ingenieur R. und der Kaufmann Sch. eine Kommanditgesellschaft – die Klägerin –. W. und R. hatten als persönlich haftende Gesellschafter eine Bareinlage von je 5.000 DM einzubringen; Sch. wurde Kommanditist. § 7 des Gesellschaftsvertrages bestimmt folgendes:
„Stirbt ein persönlich haftender Gesellschafter, so soll die Gesellschaft unter den übrigen Gesellschaftern fortbestehen. An die Stelle des Verstorbenen treten seine Erben als Kommanditisten. Die Entnahmen nach § 3 Abs. 2 fallen für die Erben weg. Jeder Gesellschafter kann bestimmen, daß im Falle seines Todes ein Erbe oder Nichterbe an seine Stelle tritt …”
Karl Friedrich W. verunglückte am 31. Juli 1958 tödlich. Die Beklagten sind seine Erben.
Die Klägerin hat geltend gemacht, die Beklagten seien trotz der Bestimmung des § 7 des Gesellschaftsvertrages nicht ihre Kommanditisten geworden. Denn aus der zum 31. Juli 1958 aufgestellten Bilanz ergebe sich, daß das Kapitalkonto des Erblassers bei dessen Tode passiv gewesen sei. Die Klägerin hat beantragt festzustellen, daß die Beklagten durch den Tod des Karl Friedrich W. nicht Kommanditisten der Klägerin geworden seien.
Die Beklagten haben um Klageabweisung gebeten. Sie haben vorgetragen, das Kapitalkonto ihres Erblassers sei in Wirklichkeit aktiv gewesen, wenn man, wie es richtig sei, nicht die Steuerbilanz, sondern eine Handelsbilanz zugrunde lege. Im übrigen sind sie der Meinung, daß die Höhe des Kapitalkontos für ihren Eintritt als Kommanditisten unerheblich sei.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision, um deren Zurückweisung die Beklagten bitten, verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, daß die Klägerin durch ihren (z.Zt. einzigen) persönlich haftenden Gesellschafter Hans-Wilhelm R. ordnungsgemäß vertreten sei. Das trifft im Ergebnis zu.
Nach dem Gesellschaftsvertrag (§ 1) waren allerdings, die beiden persönlich haftenden Gesellschafter W. und Renkhoff nur in Gemeinschaft miteinander zur Vertretung der Kommanditgesellschaft berechtigt. Diese nach § 125 Abs. 2 i. Verb. m. § 163 Abs. 2 HGB zulässige Bestimmung einer Gesamtvertretung ist durch den Tod des Gesellschaftens W., des Erblassers der Beklagten, undurchführbar geworden. Wie sich in einem solchen Fall die Vertretungsverhältnisse gestalten, ist im Gesellschaftsvertrag nicht geregelt. Die Möglichkeit, die nach dem Gesellschaftsvertrag an die Stelle des verstorbenen Gesellschafters tretenden Erben als Nachfolger des Erblassers auch hinsichtlich der Vertretungsmacht anzusehen (vgl. dazu BGH LM HGB § 139 Nr. 2 = WM 1959, 53; Fischer BB 1956, 839), scheitert hier schon daran, daß nach § 7 Satz 1 und 2 des Gesellschaftsvertrages bei Eintritt des Erbfalles die auf die Erben übergehende Rechtsstellung des Erblassers sich sogleich in eine Kommanditbeteiligung umwandelt, ein Kommanditist aber nach der zwingenden Vorschrift des § 170 HGB zur Vertretung der Gesellschaft nicht ermächtigt werden kann.
Sieht aber der Gesellschaftsvertrag eine besondere Regelung für den Fall, daß ein vertretungsberechtigter Gesellschafter ausscheidet oder seine Vertretungsmacht aus einem sonstigen Grunde erlischt, nicht vor, so ändert der Eintritt eines solchen Tatbestandes grundsätzlich nichts an der Vertretungsmacht der anderen Gesellschafter. Fällt also ein Gesamtvertreter fort, so erhält nicht etwa der andere Gesellschafter, der mit ihm zusammen vertretungsberechtigt war, Alleinvertretungsmacht; denn ein solcher Zuwachs an Vertretungsmacht läge im Zweifel nicht im Sinne des Gesellschaftsvertrages, der die Einzelvertretung gerade ausgeschlossen hat (Hueck, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft 2. Aufl. S. 181 f; Fischer NJW 1959, 1057, 1061; RGZ 116, 116; 103, 417). Selbst in Not- oder Eilfällen kann von der Mitwirkung der nach dem Gesellschaftsvertrag erforderlichen Anzahl von Gesellschaftern nicht abgesehen werden, da § 115 Abs. 2 HGB auf die Vertretung nach außen nicht anwendbar ist (BGHZ 17, 181; Hueck a.a.O. S. 180).
Etwas anderes muß aber dann gelten, wenn, wie im vorliegenden Fall, in einer Kommanditgesellschaft nach dem Ausscheiden des einen von zwei gesamtvertretungsberechtigten Gesellschaftern nur noch ein persönlich haftender Gesellschafter vorhanden ist. Hier ist aus Rechtsgründen keine andere Lösung denkbar als die, daß der nunmehr einzige persönlich haftende Gesellschafter die Gesellschaft vertritt. Zum Wesen der Personalgesellschaft gehört deren Selbstvertretung durch mindestens einen unbeschränkt haftenden Gesellschafter, der für die Handlungen der Gesellschaft persönlich die volle Verantwortung trägt; ein Nichtgesellschafter scheidet daher für die in §§ 125 ff HGB geregelte organschaftliche Vertretungsmacht grundsätzlich ebenso aus wie nach ausdrücklicher Bestimmung des § 170 HGB ein Kommanditist (BGHZ 33, 105, 108; 26, 330, 333). Daraus folgt, daß der Gesellschaftsvertrag nicht alle persönlich haftenden Gesellschafter wirksam von der Vertretungsmacht ausschließen kann (Schlegelberger/Geßler HGB 4. Aufl. § 125 Randz. 11; Weipert in HGB – RGRK 2. Aufl. § 125 Anm. 4; Hueck a.a.O. S. 174, 176). Aus demselben Grund kann aber auch eine im Kommanditgesellschaftsvertrag festgelegte Gesamtvertretung nicht die Wirkung haben, daß der einzige persönlich haftende Gesellschafter, der nach dem Ausscheiden aller anderen Gesamtvertreter noch in der Gesellschaft bleibt, wegen der nunmehr fortgefallenen Möglichkeit einer Gesamtvertretung von der Vertretung der Gesellschaft überhaupt ausgeschlossen oder an die Mitwirkung der Kommanditisten gebunden wäre (vgl. Geßler a.a.O. § 170 Randz. 3; Weipert a.a.O. § 170 Anm. 2; KG JW 1939, 424). Vielmehr muß in einem solchen Fall zwangsläufig das Gesamtvertretungsrecht des einzigen persönlich haftenden Gesellschafters zur Alleinvertretungsmacht erstarken.
2. Das Berufungsgericht sieht die klagende Gesellschaft als befugt an, durch eine Feststellungsklage zu klären, ob die Beklagten als Erben des Karl Friedrich W. Kommanditisten der Klägerin geworden sind. Diese Ansicht ist nicht richtig. Die Streitfrage, welche Rechtsstellung die Beklagten als Erben eines Gesellschafters der Klägerin nach dem Gesellschaftsvertrag einnehmen, betrifft nicht ein der Gesellschaft als Gesamthandsverband einerseits gegenüber den Beklagten andererseits zustehendes Recht oder umgekehrt, sondern die durch den Gesellschaftsvertrag begründeten Rechtsbeziehungen der Gesellschafter untereinander. Von der Antwort auf diese Frage hängt die personelle Zusammensetzung der Klägerin ab, die wiederum für die Rechtsstellung jedes einzelnen Gesellschafters von entscheidender Bedeutung ist. Die Klage berührt damit, ähnlich wie etwa eine Ausschließungsklage nach § 140 HGB, die Grundlagen des Gesellschaftsverhältnisses überhaupt.
Eine solche Klage kann aber nach der Rechtsprechung des Senats schon deshalb nicht von der Gesellschaft selbst erhoben werden, weil die nach § 125 HGB vertretene Gesellschaft sich damit unter Überschreitung ihres sachlichen Wirkungsbereichs die Disposition über ihren personellen Bestand anmaßen würde. Streitigkeiten dieser Art müssen vielmehr unter den Partnern des Gesellschaftsvertrages oder, wie hier, zwischen der Partei, die eine Rechtsstellung als Gesellschafter in Anspruch nimmt, und den Gesellschaftern, die ihr diese Rechtsstellung streitig machen, gerichtlich ausgetragen werden (BGHZ 30, 195, 197 f; BGH WM 1959, 53; 1955, 1583; vgl. auch LM HGB § 140 Nr. 6).
3. Die Klage erweist sich hiernach schon wegen fehlender Sachbefugnis der Klägerin als unbegründet. Die Revision war daher ohne Erörterung der mit der Klage aufgeworfenen Frage nach der Rechtsstellung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Unterschriften
Dr. Fischer, Dr. Kuhn, Dr. Bukow, Dr. Schulze, Fleck
Fundstellen
Haufe-Index 1134336 |
BGHZ 41, 367 |
BGHZ, 367 |
NJW 1964, 1624 |
Nachschlagewerk BGH, zu a) und b) |
MDR 1964, 739 |