Leitsatz (amtlich)
Das Vertragspfandrecht nach Nr. 19 Abs. 2 AGB-Banken an einem sog. verdeckten Treuhandkonto wird allein durch spätere Offenlegung der Treuhandbindung nicht aufgehoben; hierzu bedarf es einer Vereinbarung zwischen Bank und Kunden. Jedoch kommt ein Schadensersatzanspruch des Treugebers aus § 826 BGB in Betracht, wenn die Bank an später eingehenden Geldern trotz Kenntnis der Treuhandbindung ein Pfandrecht für ihre Ansprüche gegen den Treuhänder persönlich entstehen läßt.
Normenkette
Allg. Geschäftsbedingungen der Banken Nr. 19 Abs. 2; BGB § 826
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 16. März 1989 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger verlangen als Mitglieder einer aus Wohnungseigentümern bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts von der beklagten Bank Schadensersatz, weil sie den Geschäftsführer der Wohnwert Haus- und Wohnungsverwaltungs-Gesellschaft mbH (im folgenden: Wohnwert), die treuhänderisch den Wohnungseigentümern zustehende Mieteinnahmen einzog, veranlaßt habe, ihnen zustehende 295.000 DM von einem bei der Beklagten geführten angeblichen Treuhandkonto auf ein debitorisches Eigenkonto der Wohnwert zu überweisen.
Eigentümer der Wohnanlage Kö.-Ju., Wi. Weg …, beauftragten die Wohnwert, ihre Eigentumswohnungen zu vermieten und die Mieten für sie einzuziehen. Die Wohnwert errichtete 1982 bei der Beklagten auf ihren Namen mehrere Konten, u. a. das Girokonto Nr. …1 mit dem Zusatz „Mietkonto” (im folgenden: Mietkonto). Am 15. Januar 1986 überwies der Geschäftsführer der Wohnwert von diesem Konto 295.000 DM zum Ausgleich auf das im Debet stehende Konto der Wohnwert Nr. …0 bei der Beklagten. Die Kläger beanspruchen diesen Betrag für sich, da es sich bei dem Mietkonto um ein Treuhandkonto gehandelt habe, was die Wohnwert der Beklagten spätestens im Mai/Juni 1985 offengelegt habe. Die Beklagte hat demgegenüber bestritten, daß ihr der Treuhandcharakter des Kontos offenbart worden sei, und sich auf ein Vertragspfandrecht nach Nr. 19 Abs. 2 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen berufen.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgen die Kläger ihren Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
I.
Das Berufungsgericht hat die Aktivlegitimation der im Berufungsurteil bezeichneten 35 Kläger unterstellt, die sich nur daraus ergeben könne, daß sie Mitglieder einer BGB-Gesellschaft seien, der außer ihnen keine weiteren Mitglieder angehörten.
Das ist insoweit rechtsfehlerhaft und wird dem Vortrag der Kläger nicht gerecht, als diese bereits im ersten Rechtszug mit Schriftsatz vom 2. Februar 1988 mitgeteilt hatten, daß noch elf weitere namentlich benannte Personen der Gläubiger- und Vermietergemeinschaft beigetreten seien, und um entsprechende Ergänzung des Rubrums gebeten hatten. Mithin waren sowohl die in der Klageschrift als auch die im Schriftsatz vom 2. Februar 1988 bezeichneten Personen Kläger und – als klagende BGB-Gesellschafter – notwendige Streitgenossen (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 48. Aufl. § 62 Anm. 3 B a; Leipold in Stein/Jonas ZPO 20. Aufl. § 62 Rdn. 8, 18; Rosenberg/Schwab Zivilprozeßrecht 14. Aufl. S. 287; Vollkommer in Zöller ZPO 15. Aufl. § 62 Rdn. 9), die ihre Rechte nur einheitlich verfolgen konnten und denen gegenüber nur eine Gesamtentscheidung ergehen durfte (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juni 1962 – V ZR 171/61, NJW 1962, 1722; BGHZ 63, 51, 53; BGH, Urteil vom 10. März 1988 – IX ZR 194/87, NJW 1988, 2113). Das Landgericht hat das offenkundig nicht verkannt und ein umfassendes, alle Kläger einbeziehendes Urteil erlassen wollen, dabei aber versehentlich die im Schriftsatz vom 2. Februar 1988 bezeichneten Kläger nicht im Rubrum aufgeführt. Ob diese im landgerichtlichen Urteil nicht erwähnten Kläger Berufung eingelegt haben, kann dahinstehen; auch wenn dies nicht geschehen sein sollte, wären sie gemäß § 62 ZPO in der Berufungsinstanz Partei geworden (vgl. Leipold aaO § 62 Rdn. 40; Rosenberg/Schwab aaO S. 294; Vollkommer aaO § 62 Rdn. 32). Das Berufungsgericht durfte deshalb nicht unterstellen, daß nur die 35 im Rubrum bezeichneten Personen Mitglieder der BGB-Gesellschaft und damit Partei seien, und so ein auf sie beschränktes unzulässiges Teilurteil erlassen.
Der von Amts wegen zu berücksichtigende (OGH NJW 1950, 597, 598; BGH, Urteil vom 8. Juni 1962 aaO; BVerfGE 3, 208, 211; Leipold aaO § 301 Rdn. 10; offengelassen in BGHZ 63, 51, 53) Verfahrensfehler führt zur Aufhebung des Berufungsurteils.
II.
Für die erneute Verhandlung und Entscheidung wird auf folgende Gesichtspunkte hingewiesen:
Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Beklagte sei gemäß Nr. 19 Abs. 2 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen berechtigt gewesen, das Guthaben auf dem bei ihr geführten Mietkonto zur Verrechnung mit ihren Forderungen gegen die Wohnwert heranzuziehen.
Dagegen wendet sich die Revision mit Recht.
1. Ohne Rechtsverstoß nimmt das Berufungsgericht an, daß den Rechtsbeziehungen zwischen der Beklagten und der Wohnwert die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken zugrundelagen, die in Nr. 19 Abs. 2 ein bankübliches Pfandrecht vorsehen. Auch die Revision bringt dagegen nichts vor.
2. Das Vertragspfandrecht ist – entgegen der Ansicht der Revision – bei Errichtung des Mietkontos nicht etwa wegen dessen Treuhandcharakters stillschweigend abbedungen worden.
Ein stillschweigender Ausschluß dieses Vertragspfandrechts wird von der Rechtsprechung allerdings hinsichtlich solcher Vermögenswerte angenommen, die für die Bank erkennbar einer besonderen Zweckbestimmung dienen, z. B. wenn der Bank bekannt ist, daß die auf einem Konto eingehenden Gelder dem Kontoinhaber nur als Treuhänder zustehen und daß dieser auch den Willen hat, die Beträge treuhänderisch für den Treugeber auf seinem Konto anzulegen (BGHZ 61, 72, 77; BGH, Urteil vom 13. Oktober 1987 – VI ZR 270/86, NJW 1988, 263, 265). Diese Voraussetzungen hat das Berufungsgericht für das Mietkonto rechtsfehlerfrei verneint.
Zwar ist für das Revisionsverfahren davon auszugehen, daß es sich bei dem Mietkonto um ein wirtschaftlich separat geführtes Treuhandkonto handelte, das der Wohnwert dazu diente, die den Klägern zustehenden Mieteinnahmen zu sammeln und nur für sie zu verwenden. Es fehlt aber an der weiter erforderlichen Offenlegung der Treuhandnatur des Kontos gegenüber der Beklagten. Die Angriffe der Revision gegen diese Auffassung sind unbegründet.
Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß die Treuhandnatur des Kontos bei seiner Eröffnung nicht durch einen ausdrücklichen Hinweis der Wohnwert offengelegt wurde. Das entspricht – ausweislich des Tatbestandes des Berufungsurteils – dem Vorbringen der Kläger in der Berufungsinstanz, die ihren ursprünglich anders lautenden, vom Landgericht als unsubstantiiert gewerteten Vortrag nicht mehr aufrecht erhalten haben.
Es ist auch nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht im Hinblick auf die sonstigen Umstände einen Pfandrechtsausschluß anläßlich der Kontoerrichtung verneint hat. Seine Beurteilung, die Beklagte habe den Kontoeröffnungsantrag der Wohnwert ohne besondere Aufklärung nicht dahin verstehen können, daß ein Treuhandkonto errichtet werden solle und deshalb eine Verpfändung nach Nr. 19 Abs. 2 AGB-Banken auszuscheiden habe, verstößt nicht gegen gesetzliche Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze. Die Zusatzbezeichnung „Mietkonto” ist kein zwingendes Indiz für eine Treuhänderstellung der Wohnwert (vgl. BGHZ 61, 72, 77 f.; Canaris Bankvertragsrecht 3. Aufl. Rdn. 265; Hopt/Mülbert Kreditrecht vor §§ 607 ff. BGB Rdn. 189), auch dann nicht, wenn die Beklagte gewußt haben sollte, daß das Konto zum Mieteinzug für Wohnungen bestimmt war, die nicht im Eigentum der Wohnwert standen; denn die vom Berufungsgericht erwogene Möglichkeit, daß die Wohnwert als gewerbliche Zwischenmieterin die Mietzinsen beanspruchen konnte, war nicht fernliegend.
Es ist nach alledem davon auszugehen, daß die Wohnwert das Konto als Eigenkonto eröffnet und der Beklagten dabei nicht den Willen deutlich gemacht hat, die Beträge auf dem Konto nur treuhänderisch für die Kläger anzulegen. Damit hatte die Beklagte kraft der umfassenden Vereinbarung ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen ein Pfandrecht an allen gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüchen der Wohnwert aus dem Mietkonto erlangt.
3. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die spätere Offenlegung der Treuhandbindung nach Kontoerrichtung durch die Wohnwert stehe dem Pfandrecht der Beklagten nicht entgegen. Eine Änderung der Vertragsbedingungen könne nur durch Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien erfolgen. Für die Frage, ob ein Pfandrecht entstanden sei, komme es deshalb nicht darauf an, ob die Beklagte von dem Geschäftsführer der Wohnwert oder den Klägern vor dem 15. Januar 1986 auf die Treuhandbindung der auf dem Mietkonto eingehenden Beträge hingewiesen worden sei.
Diese Begründung hält der rechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
a) Im rechtlichen Ansatz ist den Ausführungen des Berufungsgerichts zuzustimmen. Um das einmal begründete Vertragspfandrecht auszuschließen, bedurfte es des Einverständnisses der beklagten Bank als Pfandrechtsgläubigerin. Die bloße, der Kontoeröffnung nachfolgende Kenntnis davon, daß der Kontoinhaber die auf dem Konto eingehenden Gelder für einen Treugeber verwaltet, reicht nicht aus, das Pfandrecht zu beseitigen. Sind die AGB-Banken für die Geschäftsbeziehungen vereinbart, so können die sich daraus zugunsten der Bank ergebenden Rechte nicht einseitig durch den Kunden entzogen werden; es bedarf hierfür vielmehr – wie für deren Begründung – der Parteivereinbarung. Dies ist für die Errichtung eines sogenannten offenen Treuhandkontos, bei dem die Treuhandnatur vom Kunden von vornherein offengelegt wird, anerkannt. Nur wenn beide Parteien den erkennbaren Willen haben, ein solches Konto zu errichten (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 1987 – III ZR 263/85, WM 1987, 922, 923; BGHZ 61, 72, 80; Canaris aaO Rdn. 284), kann von einem Ausschluß des Pfandrechts ausgegangen werden (vgl. BGHZ 61, 72, 77, 80; Canaris aaO Rdn. 284; BGH, Urteil vom 14. März 1985 – III ZR 186/83, WM 1985, 688, 689). Für die Umwandlung eines Eigenkontos und damit auch eines verdeckten Treuhandkontos in ein offenes Treuhandkonto kann insoweit nichts anderes gelten.
b) Daraus folgt, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, daß Mitteilungen Dritter an die Beklagte über die Treuhandbindungen der Wohnwert das Vertragspfandrecht der Beklagten nicht aufgehoben oder beschränkt haben können.
c) Ein Verzicht auf das Vertragspfandrecht nach Nr. 19 Abs. 2 AGB-Banken wäre allerdings zu bejahen, wenn der Geschäftsführer der Wohnwert – wie die Kläger behaupten – die Beklagte im Mai/Juni 1985 über die Treuhandbindung unterrichtet und die Beklagte dem nicht widersprochen hätte.
Die Situation wäre dann nicht anders zu beurteilen, als wenn die Wohnwert von Anfang an den Treuhandcharakter des Kontos offengelegt und die Beklagte dies akzeptiert hätte. Für die Annahme eines solchen stillschweigenden Verzichts bietet der derzeitige Sach- und Streitstand allerdings noch keine tragfähige Grundlage, da die Kläger nicht vorgetragen haben, wie die Beklagte auf die von ihnen behauptete Mitteilung der Wohnwert reagiert hat.
Nach dem Vortrag der Kläger kommt allerdings nur ein in die Zukunft wirkender Verzicht der Beklagten auf das Vertragspfandrecht nach Nr. 19 Abs. 2 AGB-Banken in Betracht, von dem bereits erworbene Rechte nicht berührt werden. Für einen umfassenden nachträglichen Pfandrechtsverzicht fehlt es bereits an einem hinreichend eindeutigen Verlangen durch die Wohnwert. Deren angebliche Mitteilung an die Beklagte, es handele sich bei dem Mietkonto um ein Treuhandkonto, kann nicht als ein solches Ansinnen verstanden werden.
d) Aber auch dann, wenn die Feststellungen des Berufungsgerichts ergeben sollten, daß die Beklagte nicht auf ihr Vertragspfandrecht verzichtet hat, käme eine Schadensersatzpflicht unter dem Gesichtspunkt einer vorsätzlichen, sittenwidrigen Schädigung i. S. von § 826 BGB in Betracht, wenn die beklagte Bank an später eingehenden Geldern trotz Kenntnis der Treuhandbindung ein Pfandrecht für ihre Ansprüche gegen die W. persönlich entstehen ließ. Ein solches Festhalten an dem Vertragspfandrecht zur Erlangung eigener wirtschaftlicher Vorteile würde jede billige Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen der Treugeber außer acht lassen und deren „bessere” Ansprüche vereiteln (vgl. BGHZ 20, 43, 50; BGH, Urteil vom 8. Oktober 1964 – II ZR 132/64, NJW 1965, 249, 250; BGH, Urteil vom 14. März 1978 – VI ZR 68/76, NJW 1978, 2031, 2032; Staudinger/Schäfer BGB 12. Aufl. § 826 Rdn. 63, 178).
Die Voraussetzungen für diesen Schadensersatzanspruch hätten die Kläger darzulegen und zu beweisen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 1976 – VI ZR 245/74, VersR 1977, 252, 253; Baumgärtel Handbuch der Beweislast im Privatrecht § 826 BGB Rdn. 1), wobei ihnen allerdings, soweit es für Schadenseintritt und -höhe auf den Kontostand des debitorischen Eigenkontos der W. ankommt, Beweiserleichterungen zugute kommen können, wenn sich die Beklagte insoweit zu Unrecht auf das Bankgeheimnis berufen sollte (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juni 1967 – VI ZR 201/65, NJW 1967, 2012, 2013; Stein/Jonas/Leipold ZPO 20. Aufl. § 286 Rdn. 123).
Unterschriften
Schimansky, Dr. Halstenberg, Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Nobbe
Fundstellen
Haufe-Index 947891 |
BB 1990, 2217 |
NJW 1991, 101 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1990, 1463 |
ZBB 1990, 223 |