Entscheidungsstichwort (Thema)

Verband

 

Leitsatz (amtlich)

Einem Verband fehlt die Klagebefugnis i. S. des § 13 II Nr. 2 UWG, wenn er schon bei seiner Gründung keine eigene Geschäftsstelle unterhalten und die Geschäftsführung von vornherein einem Rechtsanwaltsbüro übertragen hat (Abgrenzung zu BGH, NJW-RR 1986, 972 = LM § 3 UWG Nr. 244 = GRUR 1986, 676 f.- Bekleidungswerk).

 

Normenkette

UWG § 13 Abs. 2

 

Tatbestand

Der Kläger ist ein seit Februar 1989 eingetragener Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Förderung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder durch einheitliche Überwachung und Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs gehört.

Der Beklagte ist Inhaber eines Reformhauses. Er warb in einem Anzeigenblatt vom 30. Mai 1991 u.a. mit dem Satz: "Kostenlose Beratung in Ihrem Reformhaus B.".

Der Kläger hat darin eine gegen die §§ 1 und 3 UWG verstoßende Werbung mit einer Selbstverständlichkeit gesehen und den Beklagten auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Der Beklagte ist dem entgegengetreten. Er hat die Klagebefugnis des Klägers in Abrede gestellt und vorgebracht, bei dem Kläger handele es sich um einen Abmahn- und Gebührenverein.

Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen (OLG Hamm RUR 1992, 544 f. = WRP 1992, 578 f.).

Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat dem Kläger die Klagebefugnis gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG abgesprochen und dazu ausgeführt: Es könne nicht festgestellt werden, daß der Kläger seinen satzungsgemäßen Hauptzweck, die gewerblichen Interessen seiner Mitglieder zu fördern, auch durch eigene Aktivitäten tatsächlich verfolge. Insoweit könne, da der Kläger erst seit drei Jahren bestehe, nicht von einer tatsächlichen Vermutung ausgegangen werden. In jedem Falle wäre eine solche Vermutung aber widerlegt. Zwar möge die bei einem Wettbewerbsverein zu fordernde Voraussetzung noch zu bejahen sein, daß er überwiegend gewerbliche Mitglieder haben müsse, die in einer für einen solchen Verein ausreichenden Weise am Vereinsgeschehen mitwirkten. Dem Kläger selbst fehle jedoch die nötige sachliche und personelle Ausstattung, um den Satzungszweck erfüllen zu können; er habe seine Aufgaben praktisch vollständig einem Rechtsbeistands- und Rechtsanwaltsbüro übertragen und verfolge damit die Vereinsinteressen nicht mehr selbst. Es fehle auch an einem substantiierten Vorbringen, daß der Kläger schwerpunktmäßig solche Wettbewerbsverstöße verfolge, die die gewerblichen Belange der in ihm zusammengeschlossenen Mitglieder in irgendeiner Weise berührten. Schließlich stehe auch nicht fest, ob der Kläger über eine geordnete Finanzstruktur verfüge.

II.

Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

Dem Kläger fehlt die Klagebefugnis im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG.

1.

Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsverstoß davon ausgegangen, daß ein Wettbewerbsverein seinen satzungsgemäßen Hauptzweck, die Interessen seiner Mitglieder zu fördern, auch durch eigene Aktivitäten tatsächlich selbst verfolgen muß (vgl. u.a. BGH, Urt. v. 5.10.1989 - I ZR 56/89, GRUR 1990, 282, 284 - Wettbewerbsverein IV; st. Rspr.). Dazu gehört, daß er über die erforderliche personelle und sachliche Ausstattung verfügen muß, um den Satzungszweck erfüllen zu können. Bezweckt er die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, muß er in der Lage sein, das Wettbewerbsverhalten zu beobachten und zu bewerten, so daß typische und durchschnittlich schwer zu verfolgende Wettbewerbsverstöße von ihm selbst erkannt und abgemahnt werden können, falls er sich nicht, was ihm freisteht, im Einzelfall eines Rechtsanwalts bedienen wollte (vgl. u.a. BGH, Urt. v. 11.4.1991 - I ZR 82/89, GRUR 1991, 684 f. - Verbandsausstattung I; st. Rspr.). Neben der unmittelbaren Verfolgung von Wettbewerbsverstößen muß er auch andere - ebenfalls der Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs dienende - Tätigkeiten entfalten, wie die Abhaltung von Mitgliederversammlungen, Herausgabe aufklärender Schriften, Durchführung von Testkäufen, unter Umständen auch die Teilnahme an wettbewerbspolitischen Veranstaltungen oder einen Rundschreibendienst (vgl. BGH GRUR 1990, 282, 284 - Wettbewerbsverein IV).

Diesen Anforderungen genügt der Kläger nicht.

2.

Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß der Kläger keine tatsächliche Vermutung dafür in Anspruch nehmen kann, daß er seine satzungsgemäßen Aufgaben auch wirklich erfüllt. Eine solche Vermutung kommt bei einem ordnungsgemäß errichteten und aktiv tätigen Verband vor allem dann in Betracht, wenn er jahrelang unbeanstandet als klagebefugt angesehen worden ist (vgl. BGH, Urt. v. 7.11.1985 - I ZR 105/83, GRUR 1986, 320, 321 - Wettbewerbsverein I). Davon kann bei dem im Jahre 1989 gegründeten Kläger, dessen Klagebefugnis in dem vorliegenden, seit 1990 anhängigen Verfahren, von Anfang an in Zweifel gezogen worden ist, nicht ausgegangen werden.

3.

Auch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger verfüge nicht über die nötige personelle und sachliche Ausstattung, um seine satzungsgemäßen Aufgaben auch tatsächlich erfüllen zu können, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

Das Berufungsgericht hat insoweit angeführt, der Kläger habe keine eigene Geschäftsstelle, keinen Geschäftsführer und keine Angestellten. Sein erster Vorsitzender sei für den Kläger wöchentlich im Umfang von einer Stunde bis zu einem halben Tag tätig. Damit sei der Kläger selbst kaum in der Tage, eigene Aktivitäten zur Verfolgung von Wettbewerbsverstößen Dritter zu entwickeln. Er habe seine Aufgaben praktisch vollständig auf ein bestimmtes Rechtsbeistands- und Anwaltsbüro übertragen. Die von diesem Büro überprüften und eventuell verfolgten Fälle würden - nach den Angaben des Vorsitzenden des Klägers - bis zu höchstens 50 % von der Mitgliederseite benannt, im übrigen würden sie im Wege der Auswertung von Zeitungen durch eine Angestellte des Anwaltsbüros ermittelt, die entsprechend geschult sei und deren Tätigkeit im Umfang von 20 bis 30 Stunden monatlich gegenüber dem Kläger abgerechnet werde. Der Vorsitzende des Klägers entscheide in einem Gespräch mit dem betrauten Anwaltsbüro, das einmal wöchentlich stattfinde und von einer Stunde bis zu einem halben Tag dauere, welche Fälle weiter überprüft und gegebenenfalls verfolgt werden sollen. Unter diesen Umständen könne nicht davon ausgegangen werden, daß der Kläger die Vereinsinteressen selbst wahrnehme.

Die Revision beruft sich demgegenüber ohne Erfolg auf die Rechtsprechung des Senats, wonach es ausnahmsweise ausreichen kann, daß ein Wettbewerbsverein, der keine Geschäftsstelle unterhält, ein Anwaltsbüro mit der Erledigung sämtlicher Aufgaben betraut, wenn dies im Einzelfall zweckmäßig erscheint (BGH, Urt. v. 6.3.1986 - I ZR 14/84, GRUR 1986, 676, 677 - Bekleidungswerk; s.a. BGH GRUR 1986, 320, 321 - Wettbewerbsverein I). Entsprechende Ausnahmen sind nur in engen Grenzen anzuerkennen, um auszuschließen, daß die Aufgabenverlagerung auf ein Anwaltsbüro nicht als bloßer Vorwand für eine gewinnbringende Abmahn-, Vertragsstrafeeinziehungs- und Prozeßtätigkeit benutzt wird. Ein Verband, der die ausnahmsweise zugelassene Möglichkeit der Aufgabenverlagerung für sich in Anspruch nehmen will, muß jeden Zweifel an einer mißbräuchlichen Ausnutzung ausschließen. In der von der Revision angeführten Bekleidungswerk-Entscheidung traten solche Zweifel schon deshalb nicht auf, weil der im Jahre 1913 gegründete Verband seine satzungsgemäßen Aufgaben fünf Jahrzehnte lang mit einer eigenen Geschäftsstelle erledigt hatte, bevor er die Geschäftsführung in den 60er Jahren aus Zweckmäßigkeitsgründen einem Anwaltsbüro mit umfangreichen Erfahrungen im Wettbewerbsrecht übertrug, das für den Verein inzwischen zahlreiche höchstrichterliche Entscheidungen zum Wettbewerbsrecht herbeigeführt hatte. Der Verband hatte zudem zur Mitgliederstruktur, zu den Aktivitäten und zur Kostenberechnung weitere Tatsachen dargelegt und bewiesen, die es unbedenklich erscheinen ließen, die Tätigkeit des von ihm eingeschalteten Anwaltsbüros ausnahmsweise als eine solche des Vereins selbst anzuerkennen.

Eine solche Ausnahme kann der Kläger nicht für sich in Anspruch nehmen. Bei ihm ist keine vergleichbare Situation gegeben. Er kann - anders als der klagende Verband in der Bekleidungswerk-Entscheidung - nicht auf eine jahrzehntelange eigene Geschäftstätigkeit verweisen. Er hat vielmehr nie über eine eigene Geschäftsstelle verfügt und hatte schon im Gründungsstadium die Aufgabenverlagerung auf ein Anwaltsbüro angestrebt. In der Klageschrift hat er selbst vorgebracht, er habe sich von vornherein entschlossen, anstelle der Einrichtung einer eigenen Geschäftsstelle ein bestimmtes Anwaltsbüro mit der Wahrnehmung der Geschäftsführung einschließlich der Wettbewerbsüberwachung zu beauftragen und diesem die entsprechenden finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen. Darauf hat er schon bei der Mitgliederwerbung hingewiesen. So hat der erste Vorsitzende des Klägers bei seiner Anhörung vor dem Berufungsgericht zum Thema "Gründung" angegeben, er habe ein bestimmtes Mitglied u.a. mit dem Argument geworben, "Wir hätten eine Vereinbarung mit einem Anwaltsbüro, wo wir die erforderlichen Informationen bekommen würden". Die in den Fällen der vollständigen Aufgabenverlagerung auf ein Anwaltsbüro ohnehin bestehenden Zweifel werden bei einer Gründung der vorliegenden Art in einem Maße verstärkt, daß hier an den zuletzt in der Entscheidung "Verbandsausstattung I" (BGH GRUR 1991, 684 f.) herausgestellten hohen Anforderungen, die in personeller und sachlicher Hinsicht an die Klagebefugnis gestellt werden, festgehalten werden muß; d.h. ein Verband erfüllt diese Anforderungen grundsätzlich nur dann, wenn er personell und sachlich in der Lage ist, selbst abzumahnen und konkrete Auftrags-, Überwachungs- und Abrechnungsmaßnahmen im Verhältnis zu den beauftragten Rechtsanwälten wahrzunehmen. Dazu ist eine eigene Geschäftsstelle und Geschäftsführung in der Regel unerläßlich. Es handelt sich hierbei um eine Grundvoraussetzung, die von vornherein gegeben sein muß, um einer mißbräuchlichen Ausnutzung der Klagebefugnis zu begegnen. Ausnahmen kommen nur in den dargelegten engen Grenzen in Betracht, z.B. dann, wenn ein Verband die Geschäftsführung auf ein Anwaltsbüro überträgt, nachdem er zuvor - wie der in dem der Bekleidungswerk-Entscheidung zugrundeliegenden Fall klagende Verband - durch eine jahrzehntelange eigene Tätigkeit jeden Zweifel daran ausgeschlossen hat, daß es ihm ernsthaft und vordringlich um die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs und nicht vorwiegend um die Beschaffung von Aufwendungsersatz, Vertragsstrafegeldern und Gebühren geht.

Ist danach jedenfalls eine Verbandsgründung ohne eigene Geschäftsstelle und Geschäftsführung ausgeschlossen, so kommt es auf die vom Berufungsgericht weiter angeführten Zweifel nicht mehr an, ob die Tätigkeit des Klägers einen hinreichenden Bezug zu den gewerblichen Belangen seiner Mitglieder hat, ob sich der Kläger im wesentlichen auf die Verfolgung leicht erkennbarer und rechtlich einfach zu beurteilender Wettbewerbsverstöße beschränkt, ob er neben der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen in hinreichendem Umfange weitere der Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs dienende Tätigkeiten entfaltet, ob er eine geordnete Finanzstruktur hat und ob die Gebührenberechnung des eingeschalteten Anwaltsbüros unbedenklich ist.

III.

Nach alledem war die Revision des Klägers mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1456513

BGHZ, 145

BB 1994, 1656

NJW 1994, 2548

GRUR 1994, 831

Dieser Inhalt ist unter anderem im Erbschaftsteuergesetz-Kommentar enthalten. Sie wollen mehr?