Leitsatz (amtlich)
Durch Allgemeine Geschäftsbedingungen und Formularverträge kann die Verpflichtung des Gläubigers, auf seinen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung die aus diesem Grund verwirkte Vertragsstrafe anzurechnen, nicht abbedungen werden,
Verfahrensgang
KG Berlin (Entscheidung vom 07.11.1972) |
LG Berlin |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 14. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 7. November 1972 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Mit Formularvertrag vom 22. April 1970 gewährte der Beklagte der Klägerin das ausschließliche Recht, in der von ihm damals pachtweise betriebenen Gaststätte vom 1. Mai 1970 an auf die Dauer von 5 Jahren einen Musikautomaten sowie 4 Spielautomaten aufzustellen. Der Vertrag enthielt - soweit hier von Interesse - in Nr. 12 folgende formularmäßige Bestimmung:
"Ist der Gastwirt dem Aufsteller gegenüber zu Schadensersatz verpflichtet, so kann der Aufsteller unbeschadet des Nachweises eines höheren Schadens 70 % des ihm nach Abzug des Wirteanteils verbliebenen durchschnittlichen Einspielergebnisses beanspruchen. ...
Bei einem Verstoß des Gastwirts, der das Ausschließlichkeitsrecht des Aufstellers verletzt oder zum Verlust des Aufstellplatzes führt, und für den Fall der Verhinderung der Aufstellung aller oder einzelner Geräte verwirkt der Gastwirt eine Vertragsstrafe von 2.000 DM. Hierdurch werden die Schadensersatzansprüche nicht berührt."
Bei einem Einbruch in die Gaststätte in der Nacht zum 17. Oktober 1970 und bei einem Überfall auf die Gaststättenräume in der Nacht zum 19. Oktober 1970 wurden u.a. auch die Automaten beschädigt. Der Beklagte betrieb nach dem Überfall die Gaststätte nicht weiter; die Klägerin ließ am folgenden Tag sämtliche Automaten abholen.
Mit der Begründung, der Beklagte habe durch die Schließung der Gaststätte die Erfüllung des Automatenaufstellvertrages schuldhaft unmöglich gemacht, hat die Klägerin im ersten Rechtszug eine Vertragsstrafe von 2.000 DM und als pauschalierten Schadenersatz einen - rechnerisch unstreitigen - Verdienstausfall für die Zeit vom 19. Oktober bis 31. Dezember 1970 in Höhe von 1.852,62 DM geltend gemacht. Das Landgericht hat der Klage lediglich in Höhe von 2.000 DM nebst Zinsen stattgegeben, die darüber hinausgehende Klage dagegen mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin könne gemäß § 340 Abs. 2 Satz 1 BGB zwar die verwirkte Vertragsstrafe als Mindestschaden verlangen; in diesem Betrag sei jedoch der Verdienstausfall für den geltend gemachten Zeitraum enthalten. Die entgegenstehende Bestimmung in Nr. 12 a.E. des Formularvertrages sei unwirksam. Im Berufungsrechtszug hat die Klägerin ihr Klagebegehren aufrechterhalten, vorsorglich und hilfsweise jedoch den Ersatz des Verdienstausfalls von 1.852,62 DM für den Zeitraum verlangt, der nicht durch die Vertragsstrafe von 2.000 DM verbraucht sei. Das Berufungsgericht hat dem Klagebegehren auf Grund des Hilfsvorbringens der Klägerin entsprochen, ihr einen Betrag von 3.852,62 DM nebst Zinsen für die Zeit bis einschließlich 20. März 1971 zuerkannt und die Kosten des ersten Rechtszuges dem Beklagten, die Kosten des Berufungsrechtszuges dagegen mit Rücksicht auf das verspätete Hilfsvorbringen der Klägerin auferlegt. Mit der zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin, den Beklagten zur Zahlung von 1.852,62 DM als Schadenersatz für die Zeit vom 19. Oktober bis 31. Dezember 1970 zu verurteilen. Der Beklagte hat sich - obwohl ordnungsgemäß geladen - im Revisionsrechtszug nicht vertreten lassen.
Entscheidungsgründe
I.
Gegen die Zulässigkeit der Revision bestehen keine durchgreifenden Bedenken. Obwohl das Berufungsgericht dem Zahlungsantrag der Klägerin ziffernmäßig entsprochen hat, ist sie durch das angefochtene Urteil deswegen beschwert, weil ihr ein Schadenersatzanspruch in Höhe von 1.852,62 DM nicht - wie in erster Linie geltend gemacht - als entgangener Gewinn für die Zeit vom 19. Oktober bis 31. Dezember 1970, sondern nur für einen späteren Zeitraum zuerkannt worden ist.
1.
Richtig ist allerdings, daß bei einer Zahlungsklage im Regelfall eine Beschwer nur insoweit gegeben ist, als der in der Urteilsformel zuerkannte Betrag hinter dem Klageantrag zurückbleibt, eine Beschwer mithin entfällt, wenn sich beide Beträge decken (vgl. Senatsurteile vom 28. Januar 1958 - VIII ZR 265/56 = BGHZ 26, 295, vom 27. Januar 1959 - VIII ZR 3/58 = MDR 1959, 486 und vom 2. Dezember 1964 - VIII ZR 260/63 = NJV 1965, 441 = LM ZPO § 545 Nr. 15). Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn eine Partei bei gleichem Antrag mehrere prozessuale Ansprüche im Eventualverhältnis geltend gemacht hat, ihrem Klagebegehren jedoch nur unter dem Gesichtspunkt des Hilfsanspruchs stattgegeben worden ist. In einem solchen Fall liegt trotz ziffernmäßig völligen Obsiegens eine Beschwer dann vor, wenn der Hauptanspruch - wäre das Urteil nicht angefochten - rechtskräftig abgewiesen wäre (BGHZ 26, 295; vgl. dazu Gelhaar in LM ZPO § 546 Nr. 30 mit weiteren Nachweisen; Baumbach/Lauterbach, ZPO 32. Aufl. Grundzüge vor § 511 Anm. 3 A; Stein/Jonas/Schumann/Leipold, ZPO 19. Aufl. § 260 Anm. II A 2; Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 11. Aufl. § 96 III 3). Das setzt allerdings voraus, daß es sich - was in erster Linie der Tatrichter durch Auslegung des Antrages und des Eventualvorbringens zu beurteilen hat - nicht um ein und denselben, lediglich auf eine unterschiedliche Haupt- und Hilfsbegründung gestützten prozessualen Anspruch (vgl. dazu RGZ 149, 202, 204), sondern um zwei selbständige Ansprüche mit dementsprechend in Wirklichkeit zwei, sich allerdings der Höhe nach deckenden Anträgen handelt (vgl. Stein/Jonas/Schumann/Leipold a.a.O.).
2.
Letzteres liegt hier vor. Die Klägerin hat in erster Linie Ersatz desjenigen Gewinns verlangt, der ihr durch die Schließung der Gaststätte seitens des Beklagten in Höhe von 1.852,62 DM während des Zeitraumes vom 19. Oktober bis 31. Dezember 1970 entgangen ist, - und zwar neben der verfallenen Vertragsstrafe von 2.000 DM. Lediglich hilfsweise für den Fall, daß sie sich auf ihren Schadenersatzanspruch zunächst die Vertragsstrafe anrechnen lassen müsse, hat die Klägerin entgangenen Gewinn in gleicher Höhe für den Zeitraum verlangt, der insoweit nicht schon durch die 2.000 DM abgedeckt war, also - wovon auch das Berufungsgericht zutreffend ausgeht - für den Zeitraum vom 7. Januar bis 20. März 1971. Damit hat die Klägerin zwei nach Betrag und zugrunde liegendem Zeitraum hinreichend deutlich umgrenzte, den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entsprechende (vgl. BGH Urteil vom 15. Dezember 1952 - III ZR 102/52 = LM ZPO § 253 Nr. 7) Ansprüche zur Entscheidung gestellt, die zwar Teile eines einheitlichen Schadenersatzanspruchs sind, selbst aber auf unterschiedlichen Voraussetzungen (Berechnungszeiträumen) beruhen und - obwohl pauschaliert - hinsichtlich der Höhe zumindest aus in der Person der Klägerin liegenden Gründen ein unterschiedliches Schicksal haben konnten. Wäre das Berufungsurteil rechtskräftig geworden, so wäre trotz Obsiegens der Klägerin damit zugleich der von ihr in erster Linie geltend gemachte, neben dem Vertragsstrafeanspruch stehende Schadenersatzanspruch für die Zeit vom 19. Oktober bis 31. Dezember 1970 - und das genügt für das Vorliegen einer Beschwer - aberkannt worden. Daß das Berufungsgericht das Vorbringen der Klägerin in diesem Sinne verstanden hat und von zwei gleich hohen, aber selbständigen prozessualen Ansprüchen ausgegangen ist, zeigt die ausdrückliche Zulassung der Revision, die andernfalls gegenstandslos gewesen wäre. Wenn dabei das Berufungsgericht gleichwohl den Hauptanspruch nicht, wie dies geboten gewesen wäre (Baumbach/Lauterbach a.a.O. § 260 Anm. 4 B), ausdrücklich abgewiesen, vielmehr rechtsirrig eine derartige Abweisung nicht für notwendig gehalten hat, so ist dies für die hier allein zu entscheidende Frage, ob die Klägerin durch das Berufungsurteil beschwert ist, ohne Bedeutung.
II.
Die Revision ist somit zulässig. Sie hat jedoch keinen Erfolg.
1.
Allerdings läßt die Festellung des Berufungsgerichts, der Beklagte sei deswegen zur Zahlung der Vertragsstrafe und zur Leistung von Schadenersatz wegen Nichterfüllung des Automatenaufstellvertrages vom 22. April 1970 verpflichtet, weil er mit der endgültigen Schließung der Gaststätte am 19. Oktober 1970 die weitere Erfüllung des Vertrages unmöglich gemacht und sein mangelndes Verschulden nicht dargetan habe, einen Rechtsfehler nicht erkennen. Das Berufungsgericht, das mit seiner Entscheidung insoweit den vom Senat in seinem Urteil vom 9. Dezember 1970 (VIII ZR 9/69 = WM 1971, 243 = LM BGB § 133 [C]Nr. 32 = Mm 1971, 209) aufgestellten Grundsätzen Rechnung trägt, stellt zutreffend in erster Linie darauf ab, daß der Beklagte nach dem Überfall vom 18./19. Oktober 1970 nicht einmal den Versuch unternommen hat, die Gaststätte wieder zu eröffnen und seinen befristeten Pachtvertrag entsprechend zu verlängern. Das will der Beklagte, wie bereits sein Vorbringen im zweiten Rechtszug zeigt, offensichtlich auch nicht ernsthaft in Abrede stellen.
2.
Hat die Klägerin somit Anspruch sowohl auf die schuldhaft verwirkte Vertragsstrafe von 2.000 DM (§ 339 BGB) als auch auf Ersatz des durch die vorzeitige Beendigung des Vertrages entgangenen Gewinns (§§ 325, 252 BGB), so muß sie sich doch - und nur darum geht im wesentlichen noch der Streit der Parteien - gemäß § 340 Abs. 2 BGB die verwirkte Vertragsstrafe auf den Schadenersatzanspruch wegen Nichterfüllung anrechnen lassen. Die gegenteilige Abrede in Nr. 12 Abs. 2 Satz 2 des Formularvertrages vom 22. April 1970, nach der Schadenersatzansprüche durch die Vertragsstrafe nicht berührt werden, ist unwirksam.
a)
Allerdings wird in Rechtsprechung und Schrifttum nahezu einhellig die Ansicht vertreten, daß es sich bei § 340 BGB allgemein um nachgiebiges Recht handelt, von dem durch Parteivereinbarung abgewichen werden kann (vgl. dazu BGH Urteil vom 13. März 1953 - I ZR 136/52 = LM BGB § 339 Nr. 2; Staudinger/Kaduk, BGB 10./11. Aufl. § 340 Anm. 3, 30; Reimer Schmidt bei Soergel/Siebert, BGB 10. Aufl. § 340 Rdn 6; Erman/Westermann, BGB 5. Aufl. § 340 Anm. 1; Palandt/Degenhardt, BGB 33. Aufl. § 340 Anm. 1 a.E.). Ob trotz des allgemeinen schuldrechtlichen Grundsatzes der Vertragsfreiheit für die hier umstrittene Anrechnungsvorschrift des § 340 Abs. 2 BGB etwas anderes gilt und, wie Lindacher (Phänomenologie der Vertragsstrafe 1972, 188 ff) mit beachtlichen Gründen meint, die Unabdingbarkeit der Anrechnungsvorschrift auch durch Individualvertrag aus der Natur der Sache folgt, mag hier dahinstehen. Jedenfalls ist eine Abdingung durch einen einseitig vom Gläubiger aufgestellten Formularvertrag unwirksam.
b)
Wie der Bundesgerichtshof, insbesondere der erkennende Senat, in einer Vielzahl von Entscheidungen ausgeführt hat, muß derjenige, der durch die Aufstellung und Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen und umfangreichen Formularverträgen die Vertragsfreiheit allein für sich in Anspruch nimmt, von vornherein die Interessen seiner künftigen Geschäftspartner angemessen berücksichtigen. Maßstab für die Angemessenheit der einzelnen Klauseln sind dabei - soweit vorhanden - die Vorschriften des dispositiven Rechts. Entsprechen sie nicht nur Zweckmäßigkeitserwägungen, sondern einem sich aus der Natur der Sache ergebenden Gerechtigkeitsgebot, so müssen gewichtige Gründe vorliegen, die eine abweichende Regelung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen als noch mit Recht und Billigkeit vereinbar erscheinen lassen (ständige Rechtsprechung; vgl. etwa BGHZ 51, 55 und 54, 106, beide mit weiteren Nachweisen).
c)
Um eine solche, dem sachgerechten Interessenausgleich zwischen Gläubiger und Schuldner dienende und damit am Gerechtigkeitsgebot orientierte Norm handelt es sich bei der Anrechnungsvorschrift des § 340 Abs. 2 BGB. Die Vertragsstrafe (§§ 339 ff BGB) ist vom Gesetzgeber mit einer doppelten Zweckrichtung geschaffen: Sie soll einmal als Zwangsmittel den Schuldner zur Erbringung der geschuldeten Leistung anhalten, zum anderen aber auch dem Gläubiger im Verletzungsfall die Möglichkeit einer erleichterten Schadloshaltung eröffnen (vgl. Motive II S. 275; RGZ 103, 99; BGH Urteil vom 13. März 1953 a.a.O.; Staudinger/Kaduk a.a.O. Vorbemerkung zu §§ 339 ff Anm. 1; Lindacher a.a.O. S. 13 ff mit weiteren Nachweisen, insbesondere Fußn. 7 und 8). Jede Vertragsstrafe enthält mithin neben der Erfolgssicherung typischerweise von vornherein auch ein schadenersatzrechtliches Moment. Andererseits entspricht es dem Wesen des Schadenersatzes, daß der Gläubiger für erlittenen Schaden zwar vollen Ersatz verlangen kann, die "Ersatzleistung" aber grundsätzlich nicht zu einer darüber hinausgehenden Bereicherung führen soll. Wäre im Verletzungsfall der Gläubiger berechtigt, nebeneinander die verwirkte Vertragsstrafe und den vollen Schadenersatz zu verlangen, so würde dies im Regelfall zu einer mit dem Schadenersatzrecht nicht zu vereinbarenden und mit dem Interesse an der Erfüllungssicherung allein nicht zu rechtfertigenden Bereicherung des Gläubigers führen und damit zugleich die Rechte des Schuldners unangemessen verkürzen. Das gilt gleichermaßen für einen pauschalierten Schadensersatzanspruch wie für den Anspruch auf Ersatz des im Einzelfall nachgewiesenen Schadens, so daß es auf die weitere Frage, ob Nr. 12 Abs. 2 Satz 2 des Formularvertrages überhaupt den - hier allein streitigen - pauschalierten Schadensersatzanspruch erfaßt, nicht ankommt.
d)
Das vorgenannte unerwünschte Ergebnis soll die Anrechnungsvorschrift des § 340 Abs. 2 BGB vermeiden. Abgesehen davon, daß - jedenfalls bei dem in § 340 BGB geregelten Fall des Schadenersatzes wegen Nicht erfüllung des Vertrages - bei Verlangen der Vertragsstrafe im Verletzungsfall für eine weitere, künftige Erfüllungssicherung ohnehin kein Raum ist, sind die Interessen des Gläubigers bei einer Anrechnung der verwirkten Strafe auf den Schadenersatzanspruch ausreichend gewahrt. Er kann mit dem Verlangen der Vertragsstrafe - in den durch § 343 BGB gezogenen Grenzen - die in dieser Strafe liegende materielle Schadloshaltung erreichen, ohne den Einwand des Schuldners befürchten zu müssen, ihm sei in Wirklichkeit ein Schaden gar nicht entstanden (RGZ 103, 99; Senatsurteil vom 27. November 1968 - VIII ZR 9/67 = WM 1969, 249 = NJW 1969, 461; Staudinger/Kaduk a.a.O. Vorbemerkung vor §§ 339 ff Rdn 11; Larenz, Schuldrecht, 10. Aufl. I S. 277). Er ist ferner, wenn er Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangt, jedenfalls hinsichtlich eines Betrages bis zur Höhe der verwirkten Vertragsstrafe des Schadensnachweises enthoben (§ 340 Abs. 2 Satz 1 BGB) und kann sich schließlich durch eine auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Formularverträgen zulässige Pauschalierungsabrede (vgl. dazu Senatsurteil vom 8. Oktober 1969 - VIII ZR 20/68 = WM 1969, 1391 = NJW 1970, 29) die Geltendmachung des die Vertragsstrafe übersteigenden Schadens weitgehend erleichtern. Dagegen erscheint es nach Treu und Glauben nicht gerechtfertigt, die Recht Stellung des Schuldners durch Allgemeine Geschäftsbedingungen und Formularverträge darüber hinaus noch weiter zu verkürzen. Auch die Revision hat insoweit kein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers an einer Regelung, wie sie in Nr. 12 Abs. 2 Satz 2 des Vertrages vom 22. April 1970 vorgesehen ist, dartun können. Soweit sie rügt, das Berufungsgericht habe eine Auskunft des Deutschen Industrie- und Handelstages darüber einholen müssen, daß mit einem Nebeneinander von Vertragsstrafe und Schadenersatz im Wirtschaftsleben allgemein gerechnet werde, verkennt sie im vorliegenden Zusammenhang, daß es sich bei der formularmäßigen Abdingbarkeit des § 340 Abs. 2 BGB um eine am gerechten Interessenausgleich orientierte Wertung im Rahmen der offenen richterlichen Inhaltskontrolle handelt, für die der tatsächlichen Handhabung keine entscheidende Bedeutung zukommt. Wenn sich die Revision in diesem Zusammenhang auf das Senatsurteil vom 3. März 1971 (VIII ZR 55/70 = WM 1971, 503) beruft und darauf verweist, der Senat habe dort bei einem vergleichbaren Formularvertrag die umstrittene Klausel nicht beanstandet, so verkennt sie, daß es im damaligen Rechtsstreit wesentlich darauf ankam, ob der Vertrag infolge des Ineinandergreifens einer Vielzahl von unangemessenen Klauseln oder wegen seiner unübersichtlichen Fassung insgesamt gemäß § 138 BGB sittenwidrig war; zu einer Auseinandersetzung mit der hier streitigen Klausel bestand dagegen im damals entschiedenen Fall keine Veranlassung. Auf die weiterhin mit der Revisionsrüge angeschnittene Frage, ob die Klausel in Nr. 12 Abs. 2 Satz 2 für den Schuldner überraschend war und damit, weil von seinem "Unterwerfungswillen" nicht erfaßt, gar nicht Vertragsinhalt geworden ist, kommt es, da die Klausel bereits inhaltlich unangemessen ist, nicht mehr an.
e)
Die Anrechnungsvorschrift in § 340 Abs. 2 BGB ist somit durch Nr. 12 Abs. 2 des Formularvertrages vom 22. April 1970 nicht abgeändert. Die Klägerin kann daher, wie das Berufungsgericht zu Recht ausführt, die verwirkte Vertragsstrafe nicht neben und unabhängig von dem Schadenersatzanspruch wegen Nichterfüllung geltend machen. Sie muß sich vielmehr zunächst den Betrag von 2.000 DM auf ihren Schadenersatzanspruch anrechnen lassen, so daß ihr ein Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns nicht schon für die Zeit vom 19. Oktober bis 31. Dezember 1970, sondern erst für den Zeitraum seit dem 7. Januar 1971 - und zwar entsprechend der Beschränkung auf einen Teilschaden von 1.852,62 DM - bis zum 20. März 1971 zusteht.
III.
Die Revision konnte daher keinen Erfolg haben. Sie war mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 3018696 |
BGHZ 63, 256 - 261 |
BGHZ, 256 |
DB 1975, 96-97 (Volltext mit amtl. LS) |
NJW 1975, 163 |
NJW 1975, 163-165 (Volltext mit amtl. LS) |
JR 1975, 160 |
JZ 1975, 94-95 (Volltext mit amtl. LS) |
MDR 1975, 223-224 (Volltext mit amtl. LS) |