Leitsatz (amtlich)
›Wird, wenn sowohl Vater wie Mutter als Beamte für ihr Kind Anspruch auf Beihilfe haben, einer von ihnen getötet und wird infolgedessen das Kind selbst beihilfeberechtigt, dann hat der Beihilfeleistungen erbringende Dienstherr des Verstorbenen aus übergegangenem Recht Anspruch auf Erstattung der Hälfte seiner Beihilfeleistungen an das Kind.‹
Verfahrensgang
Tatbestand
Am 4. Januar 1984 wurde die am 24. März 1939 geborene Lehrerin I., Beamtin des klagenden Landes Bayern, bei einem Verkehrsunfall getötet. Die Beklagte muß als Haftpflichtversicherer für die Folgen dieses Unfalls aufkommen.
Frau I. hinterließ die Kinder Barbara, geboren am 2. Oktober 1963, und Andreas, geboren am 5. August 1965, sowie ihren Ehemann, der gleichfalls Beamter des Klägers war und es heute noch ist. Sie trug mit ihrem Einkommen zu 39,983% zum Familien(bar)unterhalt bei.
Der Kläger begehrt wegen seiner Beihilfeaufwendungen für die Hinterbliebenen der Frau I. aus übergegangenem Recht (Art. 96 Bay. Beamtengesetz; im folgenden: BayBG) von der Beklagten Schadensersatz. Seine Beihilfeleistungen für die Krankheitskosten der drei Hinterbliebenen betrugen in der Zeit vom 4. Januar 1984 bis zum 10. März 1987 insgesamt 21.554 DM. Der dem Beitrag der Getöteten zum Familien(bar)unterhalt entsprechende Anteil der Beihilfeaufwendungen beläuft sich auf 8.617,94 DM. Diesen Betrag nebst Zinsen macht der Kläger mit der vorliegenden Klage geltend. Ferner begehrt er die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, ihm bis zum geschätzten Zeitpunkt des natürlichen Todes der Frau I. 39,983% der Beihilfeleistungen zu erstatten, die er künftig den Hinterbliebenen erbringen muß.
Die Beklagte macht geltend, die Krankenvorsorge der Hinterbliebenen der Frau I. habe sich durch den Unfall nicht verschlechtert, so daß mangels Schadens insoweit kein Anspruch auf den Kläger übergegangen sei. Die Kinder hätten durch den Unfall einen eigenen Beihilfeanspruch erworben, und an dem Beihilfeanspruch des Witwers, der aus dessen Beamtenstellung schon vor dem Unfall bestanden habe, habe sich nichts geändert.
Das Landgericht hat dem Kläger den Zahlungsanspruch zuerkannt und festgestellt, daß die Beklagte dem Kläger bis zum 8. Mai 2016 (geschätzter Zeitpunkt des natürlichen Todes der Frau I.) 39,983% seiner künftigen Beihilfeleistungen an die Hinterbliebenen zu erstatten hat.
Die Beklagte verfolgt mit der Sprungrevision ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Landgericht führt aus, daß Frau I. verpflichtet gewesen sei, in Höhe von 39,983% zum Familien(bar)unterhalt und damit auch zu den Krankheitskosten ihrer Angehörigen beizutragen. Diese Ansprüche hätten die Hinterbliebenen der Getöteten durch den Unfall verloren; darin bestehe ihr Schaden, den sie nach § 844 Abs. 2 BGB, § 3 PflVG von der Beklagten ersetzt verlangen könnten. Der Kläger könne deshalb von der Beklagten nach Art. 96 BayBG in Höhe von 39,983% die Erstattung der an die beihilfeberechtigten Hinterbliebenen schon erbrachten und in Zukunft zu erbringenden Beihilfeleistungen verlangen. Für den Forderungsübergang sei hinwegzudenken, daß der Witwer seinen Beihilfeanspruch unverändert behalten habe und die Kinder durch den Tod ihrer Mutter nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 der Beihilfevorschriften (BhV) einen eigenen Beihilfeanspruch erworben hätten.
II.
Diese Erwägungen halten den Angriffen der Revision zum Teil nicht stand. Eine rechtliche Nachprüfung ergibt, daß auf den Kläger wegen seiner Beihilfeleistungen an den Witwer keine Ersatzansprüche gegen den Beklagten und wegen seiner Beihilfeleistungen an die Kinder der Getöteten Ansprüche nur in Höhe der Hälfte dieser Leistungen übergegangen sind.
1. Nach Art. 96 S. 1 BayBG geht dann, wenn ein Beamter getötet wird, ein gesetzlicher Schadensersatzanspruch, der seinen Hinterbliebenen infolge der Tötung gegen einen Dritten zusteht, insoweit auf den Dienstherrn über, als dieser infolge der Tötung zur Gewährung von Leistungen verpflichtet ist. Der Anspruchsübergang kann allerdings nicht zum Nachteil der Hinterbliebenen geltend gemacht werden (Art. 96 S. 3 BayBG).
Der Dienstherr der Getöteten war und ist verpflichtet, den Hinterbliebenen Beihilfeleistungen zu erbringen, die zum Bestreiten von Krankheitskosten bestimmt sind. Auch dies sind Leistungen, die Art. 96 BayBG meint (vgl. Art. 90 BayBG). Das bedeutet, daß wegen dieser Leistungsverpflichtung ein Anspruchsübergang auf den Kläger stattgefunden hat, wenn und soweit die Hinterbliebenen aus dem Unfall gegen den Schädiger bzw. gegen die Beklagte als dessen Haftpflichtversicherer einen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Krankheitskosten erlangt haben. Dies folgt aus dem Erfordernis der sachlichen Kongruenz von Ersatzpflicht des Schädigers und Leistungsverpflichtung des Dienstherrn, die der Anspruchsübergang voraussetzt (vgl. Senatsurteil vom 18. Januar 1977 - VI ZR 250/74 - VersR 1977, 427), und der Einschränkung des Art. 96 S. 3 BayBG, der den Regreß des Klägers in den Unterhaltsersatzanspruch hier auf diesen durch die Beihilfe abgedeckten Schadensposten beschränkt.
Der Schadensersatzanspruch, den die Hinterbliebenen der Frau I. durch deren Tod gegen den Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer erlangt haben, bestimmt sich gemäß § 844 Abs. 2 BGB nach den gesetzlichen Unterhaltsansprüchen, die die Hinterbliebenen gegen die Getötete bei deren Fortleben gehabt hätten. Frau I. war nach S§ 1360 a, 1610 BGB verpflichtet, zur Krankenvorsorge für ihre Angehörigen beizutragen. Dieser Anspruch der Hinterbliebenen trat neben ihren Barunterhaltsanspruch als ein Faktor des einheitlichen Unterhaltsanspruchs (vgl. Senatsurteil vom 8. November 1960 - VI ZR 183/59 - VersR 1960, 1122, 1124).
Als Beamtin konnte Frau I. zur teilweisen Absicherung ihrer Angehörigen im Krankheitsfall ihren Beihilfeanspruch gegen ihren Dienstherrn einsetzen und die verbliebene Lücke auf andere Weise (z.B. durch einen Krankenversicherungsvertrag) absichern. Dies ist eine für Beamte übliche Form der Erfüllung der Unterhaltspflicht. Der Anspruch der Unterhaltsberechtigten wurde durch diese Form der Absicherung geprägt; nach dieser konkreten Gestaltung der Krankheitsvorsorge bestimmen sich deshalb die Schadensersatzansprüche der Hinterbliebenen aus § 844 Abs. 2 BGB gegen die Beklagte. Sie richten sich mithin u.a. auf Freistellung von den diesen entstandenen und noch entstehenden Krankheitskosten in Höhe der Beihilfeberechtigung der Verunglückten (vgl. Senatsurteil vom 17. Dezember 1985 - VI ZR 155/84 - VersR 1986, 463, 464).
Im Streitfall besteht indes die Besonderheit, daß nicht nur die Getötete, sondern auch ihr Ehemann als Beamter beihilfeberechtigt war und ist. Das wirkt sich auf den Schadensersatzanspruch aus § 844 Abs. 2 BGB aus. Denn jedenfalls im Umfang seiner eigenen Beihilfeberechtigung bedurfte ihr Ehemann eines unterhaltsrechtlichen Beitrags der Verunglückten zu seiner Krankheitsvorsorge nicht (§ 1360 a Abs. 2 BGB). Da beide Berechtigungen einander ausschließen, war Frau I. wegen der eigenen Beihilfeberechtigung ihres Ehemannes nicht verpflichtet, ihren Beihilfeanspruch einzusetzen, um ihren Ehemann von den Krankheitskosten zu entlasten. Dies bedeutet, daß ihrem Ehemann insoweit durch ihren Tod ein Schaden nicht entstanden ist. Daraus folgt, daß ein Regreß dem Kläger mangels Schadensersatzanspruchs des Witwers versagt ist, soweit der Kläger für diesen Beihilfeleistungen erbracht hat und erbringt.
2. Die eigene Beihilfeberechtigung des Witwers wirkt sich aber auch auf die Schadensersatzansprüche aus, die die Kinder der Verstorbenen aus dem Unfall erlangt haben. Die beiderseitige Beihilfeberechtigung der Eltern hatte zur Folge, daß sie - unabhängig von ihrem Einkommen und ihrem Beitrag zum Familien(bar)unterhalt - unterhaltsrechtlich in gleichem Maße verpflichtet waren, ihre inhaltsgleichen Beihilfeansprüche zur Abdeckung der Krankheitskosten ihrer Kinder einzusetzen. Die Kinder konnten ihren entsprechenden Anspruch aber nur gegenüber einem Elternteil geltend machen; es handelte sich also um einen alternativen Anspruch. Das beruht darauf, daß die Beihilfeleistungen nur einem der beiden Beihilfeberechtigten gewährt wurden (§§ 4 Abs. 6, 17 Abs. 3 Satz 2 BhV). Diese durch das Beihilferecht vorgegebene Rechtslage wirkte sich, wie oben ausgeführt, auf den Schadensersatzanspruch der Hinterbliebenen aus. Sie hatte zur Folge, daß der Schaden der Kinder darin besteht, durch den Tod ihrer Mutter ihre alternative Absicherung für den Krankheitsfall verloren zu haben. Statt zweier Anspruchsadressaten steht ihnen nur noch einer zur Verfügung.
Der Senat hat für eine vergleichbare Fallgestaltung, in der beide Elternteile ihren Kindern den Schutz in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 205 RVO vermittelt hatten, entschieden, daß bei dem Unfalltod eines Elternteils ein Teilausfall auch an der Unterhaltsberechtigung der Kinder auf Krankheitsvorsorge eintritt. Da einerseits jeder Elternteil den Unterhalt für die Kinder nur anteilig schuldet (§ 1606 Abs. 3 S. 1 BGB), andererseits jeder Elternteil den Kindern einen gleich wirksamen Schutz im Krankheitsfall vermittelt, ist bei dem Unfalltod eines Elternteils davon auszugehen, daß die Kinder haftungsrechtlich den halben Schutz verloren haben (vgl. Senatsurteil vom 24. Januar 1978 - VI ZR 95/75 - VersR 1978, 346, 347). Diese Entscheidung ist auf den vorliegenden Fall zu übertragen; es sind keine Sachgründe ersichtlich, die es rechtfertigen könnten, den Fortfall des doppelten Schutzes durch Beihilfeleistungen haftungsrechtlich anders zu beurteilen als den Fortfall des doppelten Versicherungsschutzes. Daß für die Beihilfeleistung jeweils nur eine von beiden Beihilfeberechtigungen in Anspruch genommen werden kann, steht dieser Betrachtung nicht entgegen. Insoweit handelt es sich um eine Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Leistungssystems, das ebensowenig wie der doppelte Krankenversicherungsschutz der Kinder bei einem Zusammentreffen eigenständiger Mitgliedschaften ihrer Eltern in der gesetzlichen Krankenversicherung auf deren gesetzliche Unterhaltspflicht dahin durchschlägt, daß sie mit der Vorsorge für den Krankheitsfall der Kinder nicht mehr nur anteilig belastet wären, sondern jeder Elternteil auf Freistellung von den gesamten Krankheitskosten im Rahmen seiner Beihilfeberechtigung haftet, oder gar, wie die Revision geltend macht, von einem Unterhaltsschaden der Kinder erst bei Wegfall beider elterlicher Beihilfeberechtigungen auszugehen wäre.
Danach steht den Kindern gegen den Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer gemäß § 844 Abs. 2 BGB ein Anspruch auf Erstattung der Hälfte der Beihilfeleistungen zu. Dieser Anspruch ist nach Art. 96 BayBG auf den Kläger übergegangen. Demgegenüber kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg darauf berufen, daß die Kinder durch den Tod ihrer Mutter nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 BhV, § 23 BeamtVG eine eigene Beihilfeberechtigung erlangt haben. Denn diese Rechtsposition darf auf die Ersatzansprüche aus § 844 Abs. 2 BGB nicht im Wege der Vorteilsausgleichung angerechnet werden, vielmehr ist sie für den Forderungsübergang hinwegzudenken, weil andernfalls die Zweckbestimmung der Anspruchsübergangsregelung verfehlt würde. Mit ihr will der Gesetzgeber gerade sicherstellen, daß die Versorgungsleistungen des Dienstherrn, die zum Ausgleich des Unterhaltsschadens dienen, nicht den Schädiger entlasten (vgl. Senatsurteil vom 17. Dezember 1985 - VI ZR 155/84 - aaO S. 464).
III.
Das Berufungsurteil war daher hinsichtlich des Zahlungsantrags aufzuheben und die Sache war an das Landgericht zurückzuverweisen. Dem Senat war insoweit eine Entscheidung verwehrt, weil der Kläger nicht auf geschlüsselt hat, in welchem Umfang seine Beihilfeleistungen auf den Witwer einerseits und die beiden Kinder andererseits entfallen. Der Feststellungsausspruch war ebenfalls nur insoweit zu bestätigen, als er sich auf die Verpflichtung des Beklagten zur Erstattung von Beihilfeleistungen an die Kinder richtet; insoweit war ferner zu berücksichtigen, daß der Kläger die Feststellung einer Erstattungspflicht von mehr als 39,983% der Leistungen bisher nicht verlangt hat (§ 308 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 2992977 |
BGHR BGB § 844 Abs. 2 Beihilfe 1 |
DRsp I(147)245b-d |
DRsp I(147)245b |
FamRZ 1989, 596 |
NJW-RR 1989, 608 |
ZBR 1989, 368 |
DAR 1989, 222 |
MDR 1989, 625 |
VRS 77, 93 |
ES Kfz-Schaden M-2/47 |