Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachehelicher Unterhalt
Leitsatz (amtlich)
a) Haben geschiedene Ehegatten in einem Unterhaltsvergleich vereinbart, daß ein bestimmter monatlicher Nettoverdienst des Berechtigten anrechnungsfrei bleiben soll, ist der Verpflichtete ungefragt zu informieren, wenn der Verdienst diese Grenze deutlich übersteigt.
b) Zur Anwendung der Härteklausel des § 1579 Nr. 2 BGB bei betrügerischem Verhalten des Unterhaltsberechtigten.
Normenkette
BGB §§ 242, 1579 Nr. 2; StGB § 263 Abs. 1
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OLG (Urteil vom 21.09.1995) |
AG Pinneberg |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 4. Senats für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 21. September 1995 wird auf Kosten der Beklagten zu 1 zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die am Revisionsverfahren noch beteiligten Parteien schlossen am 27. April 1977 die Ehe, aus der zwei in den Jahren 1977 (Marc) und 1981 (Andre) geborene. Kinder hervorgingen. Durch Urteil vom 6. Oktober 1989 wurde ihre Ehe geschieden; in einem Prozeßvergleich vom selben Tage vereinbarten sie, daß der Kläger Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 487,50 DM bzw. 402,50 DM zu zahlen hat, ferner an die Beklagte Elementarunterhalt in Höhe von monatlich 1.077 DM, Altersvorsorgeunterhalt in Höhe von monatlich 292 DM und Krankenvorsorge in Höhe von monatlich 137 DM. Ziff. 3 des Vergleichs lautet:
Die Antragstellerin (jetzige Beklagte) kann bis zu 600 DM netto monatlich hinzuverdienen, ohne daß es zu einer Anrechnung auf ihren Unterhaltsanspruch kommt, bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres des Sohnes Andre der Parteien.
Die Beklagte nahm im Juli 1990 eine Teilzeitbeschäftigung auf, aus der sie bis zum Ende des Jahres brutto 10.447 DM verdiente. Auch in den folgenden Jahren war sie erwerbstätig, wobei sie 1991 brutto 22.120 DM und 1992 brutto 37.937 DM erzielte. Über die Höhe dieser Einkünfte informierte sie den Kläger nicht, sondern nahm fortlaufend dessen Unterhaltszahlungen in der im Vergleich vereinbarten Höhe entgegen.
Mitte 1993 erhob der Kläger Stufenklage auf Auskunft über die Einkünfte der Beklagten und gegebenenfalls Herabsetzung des titulierten nachehelichen Unterhalts. Widerklagend verlangte die Beklagte ihrerseits Auskunft über die Einkommensverhältnisse des Klägers. Nachdem beiderseits Auskünfte erteilt worden waren, wurden die diesbezüglichen Ansprüche übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Der Kläger beantragte sodann, in Abänderung des Prozeßvergleichs vom 6. Oktober 1989 den Unterhaltsanspruch der Beklagten ab 16. März 1993 entfallen zu lassen, weil sich diese durch Verschweigen ihrer Erwerbseinkünfte betrügerisch verhalten und dadurch ihren Unterhaltsanspruch gemäß § 1579 Nr. 2 BGB verwirkt habe. Die Beklagte begehrte widerklagend eine Abänderung des Prozeßvergleichs zu ihren Gunsten, nämlich daß der Kläger an sie ab 1. August 1993 monatlich Elementarunterhalt in Höhe von 1.088,70 DM sowie Vorsorgeunterhalt in Höhe von 272,10 DM zu zahlen habe.
Ferner wurde über eine Erhöhung des Kindesunterhalts und um Sonderbedarf gestritten.
Das Amtsgericht – Familiengericht – folgte hinsichtlich des nachehelichen Unterhalts der Auffassung des Klägers und erkannte insoweit nach dessen Antrag. Die Beklagte legte u.a. hiergegen Berufung ein. In der ersten Berufungsverhandlung stellte sie zu diesem Punkt keine Anträge, woraufhin insoweit ein ihr Rechtsmittel zurückweisendes Versäumnis-Teilurteil erging. Dagegen legte sie Einspruch ein und beantragte zuletzt, „die Abänderungsklage des Klägers im Umfang von monatlich 300 DM abzuweisen und dessen Verpflichtung zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt ab 1. August 1993 in Höhe von monatlich 100 DM bestehen zu lassen.”
Das Oberlandesgericht hielt das Versäumnis-Teilurteil aufrecht (veröffentlicht in FamRZ 1996, 221). Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Revision hierzu das zweitinstanzliche Begehren der Beklagten weiter. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts im übrigen ist nicht angefochten.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Das Berufungsgericht geht davon aus, daß die Beklagte aufgrund von Ziff. 3 des Vergleichs vom 6. Oktober 1989 verpflichtet gewesen sei, den Kläger ungefragt über ihre Einkünfte aus Erwerbstätigkeit zu informieren, sobald sie deutlich mehr als monatlich 600 DM netto verdient habe. Denn nach der getroffenen Vereinbarung habe sich dann die Höhe des ihr geschuldeten nachehelichen Unterhalts verringern müssen.
Dem hält die Revision entgegen, eine Pflicht zur unverlangten Information bestehe im Hinblick auf das Auskunftsrecht des Unterhaltsverpflichteten nur in Ausnahmefällen, in denen das Schweigen evident unredlich wäre. Das könne nicht schon dann angenommen werden, wenn eine wesentliche Änderung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse i.S.d. § 323 Abs. 1 ZPO eingetreten sei, sondern erst bei solchen Veränderungen, die den materiell-rechtlichen Unterhaltsanspruch ersichtlich erlöschen ließen oder zumindest grundlegend veränderten (Hinweis auf die Senatsurteile vom 19. Februar 1986 – IVb ZR 71/84 – FamRZ 1986, 450, 453 und vom 23. April 1986 – IVb ZR 29/85 – FamRZ 1986, 794, 796). Ein solcher Ausnahmefall sei vorliegend nicht gegeben.
Diese Rüge ist unbegründet. Die von der Revision angezogene Senatsrechtsprechung betrifft Informationspflichten, die den Unterhaltsberechtigten nach einem streitigen Urteil über die Tatbestände der §§ 1580, 1605 BGB hinaus aus § 242 BGB treffen. Geht es, wie hier, um die Durchführung einer Unterhaltsvereinbarung, erhöht sich dessen Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Belange des anderen Teils (ebenso Hoppenz FamRZ 1989, 337, 339). Nach herrschender Auffassung hat der Unterhaltsverpflichtete aufgrund der Bestimmung des § 1605 Abs. 2 BGB vor Ablauf von zwei Jahren seit Abschluß einer Unterhaltsvereinbarung (§ 1585 c BGB) ohnehin keine Möglichkeit, ein Auskunftsverlangen durchzusetzen (vgl. etwa OLG Karlsruhe FamRZ 1991, 1470 m.w.N.). Auch deswegen ist der Unterhaltsberechtigte im Hinblick auf seine vertragliche Treuepflicht gehalten, jederzeit und unaufgefordert dem anderen Teil Umstände zu offenbaren, die ersichtlich dessen Verpflichtungen aus dem Vertrag berühren (vgl. dazu auch Palandt/Heinrichs BGB 56. Aufl. § 242 Rdn. 37). In einem Fall, in dem in einer Scheidungsvereinbarung der unterhaltsberechtigten Ehefrau zugestanden worden war, anrechnungsfrei monatlich 50 DM hinzuzuverdienen, hat der Bundesgerichtshof bereits im Jahre 1959 eine vertragliche Pflicht zur unaufgeforderter Information über die Erzielung höherer Einkünfte bejaht (vgl. BGHZ 30, 36, 39; s.a. OLG Hamm FamRZ 1994, 1265, 1266). Im vorliegenden Fall hat deshalb das Berufungsgericht zu Recht angenommen, daß die Beklagte aufgrund des Vergleichs vom 6. Oktober 1989 verpflichtet war, dem Kläger einen deutlich über 600 DM liegenden monatlichen Nettoverdienst ungefragt mitzuteilen; es handelte sich dabei um eine durch Ziff. 3 begründete vertragliche Nebenpflicht (zur entsprechenden Verpflichtung des Unterhaltsschuldners vgl. Senatsurteil vom 25. November 1987 – IVb ZR 96/86 – FamRZ 1988, 270, 271 f.).
2. Dadurch, daß die Beklagte ihre höheren Einkünfte ab Mitte 1990 bis zum Wirksamwerden des Abänderungsbegehrens des Klägers am 16. März 1993 pflichtwidrig verschwieg, hat sie nach der Beurteilung des Berufungsgerichts einen vollendeten Betrug (§ 263 Abs. 1 StGB) begangen. Dazu hat es ausgeführt: In der zweiten Jahreshälfte 1990 habe ihr monatliches Nettoeinkommen bei ca. 1.000 DM gelegen. Im Jahre 1991 sei dieses auf ca. monatlich 1.700 DM angestiegen, im darauffolgenden Jahr habe es bei einem Bruttoeinkommen von 37.937 DM den eingeräumten Freibetrag teilweise um das drei- bis vierfache überschritten. Für 1993 seien monatlich 2.487,80 DM anzusetzen, von denen 200 DM für Fahrtkosten abzuziehen seien. Die Beklagte habe angesichts der Höhe dieser Bezüge „erkennen müssen”, daß sich Auswirkungen auf den ihr nach dem Vergleich geschuldeten Unterhalt ergäben. Sie könne sich nicht darauf berufen, daß ihr Einkommen überobligationsmäßig erzielt worden sei, diverse Abzugsposten zu berücksichtigen seien oder daß der Kläger wegen zwischenzeitlichen Anstiegs seiner Einkünfte zu wenig Kindesunterhalt gezahlt habe. Eine „interne Verrechnung” mit angeblich zu wenig gezahltem Kindesunterhalt habe sie nicht vornehmen dürfen, sondern insoweit hätte sie Abänderungsklage auf Erhöhung des Kindesunterhalts oder Klage auf Zahlung von Sonderbedarf erheben müssen. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ihr eigenes Einkommen überobligationsmäßig erzielt worden sei oder welche Positionen von ihrem Einkommen hätten abgesetzt werden können, hätte sie nicht selbst entscheiden dürfen, sondern sie hätte den Kläger durch Mitteilung über die Tatsache ihrer Arbeitsaufnahme und die Höhe der erzielten Einkünfte Gelegenheit geben müssen, die nach dem Vergleich geschuldeten Unterhaltsbeträge einer Überprüfung zu unterziehen. Bis weit in das Jahr 1993 hinein habe sie den Kläger über die Höhe ihres Erwerbseinkommens nicht informiert. Anläßlich eines Telefongesprächs der Parteien im Herbst 1992 habe sie nach eigenem Vortrag zwar die Tatsache ihrer Arbeitsaufnahme mitgeteilt, aber keine Angaben zur Höhe des Verdienstes gemacht. Das gleiche gelte für ein persönliches Gespräch mit dem Kläger im März 1993. Noch in einem vorprozessualen Schreiben vom 31. März 1993 habe sie dem Anwalt des Klägers diesbezügliche Auskünfte strikt verweigert. Auf die erhobene Auskunftsklage hin habe sie mit Schriftsatz vom 17. Juni 1993 zunächst nur Angaben für die Zeit von März 1992 bis Februar 1993 gemacht. Daß sie bereits ab 1990 erwerbstätig gewesen sei, habe sie erstmals mit Schriftsatz vom 28. Dezember 1993 zugegeben. Insgesamt habe sie vom Kläger nacheheliche Solidarität eingefordert, es selbst aber erheblich daran fehlen lassen. Durch das Verschweigen ihrer Einkünfte habe sie bewirkt, daß ihr Unterhaltsbeträge ausgezahlt worden seien, die ihr jedenfalls teilweise nicht zugestanden hätten.
Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision stand.
a) Soweit Verfahrensrügen gegen die Feststellungen zu den Nettoeinkünften der Beklagten in den Jahren 1990 bis 1993 erhoben wurden, hat sie der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet (§ 565 a ZPO) Die Revisionserwiderung weist insoweit auch zutreffend darauf hin, daß angesichts der durch die vorgelegten Steuerbescheide belegten und unstreitigen Jahresbruttoeinkommen auf eine Berechnung des jeweiligen monatlichen Nettoeinkommens auf Mark und Pfennig verzichtet werden konnte, da dieses schon ab der Arbeitsaufnahme Mitte 1990 deutlich über 600 DM lag und in den Folgejahren noch erheblich angestiegen ist.
b) In dem Prozeßvergleich vom 6. Oktober 1989 haben die Parteien unter Berücksichtigung des Umstands, daß die Beklagte die beiden gemeinschaftlichen Kinder betreuen würde, den anrechnungsfreien Zuverdienst der Beklagten auf monatlich 600 DM festgelegt. Allgemein kann eine neben der Kindesbetreuung ausgeübte Erwerbstätigkeit als überobligationsmäßig zu beurteilen sein mit der Folge, daß die daraus erzielten Einkünfte gemäß § 1577 Abs. 2 BGB jedenfalls teilweise anrechnungsfrei bleiben (vgl. dazu Senatsurteile vom 24. November 1982 – IVb ZR 310/81 – FamRZ 1983, 146 und vom 11. Januar 1995 – XII ZR 236/93 – FamRZ 1995, 343). Vorliegend ist dieser Punkt vertraglich durch die Festlegung des Freibetrages von 600 DM geregelt worden. Es ist daher entgegen der Auffassung der Revision unerheblich, ob die Beklagte nach der gesetzlichen Regelung möglicherweise einen höheren Abzug hätte vornehmen können; auch insoweit war vielmehr allein die abgeschlossene Unterhaltsvereinbarung maßgebend.
c) Die Ansprüche auf Kindes- und Ehegattenunterhalt sind in dem Prozeßvergleich getrennt geregelt, wobei die Anrechnungsklausel nur auf den letzteren bezogen ist. Auch deswegen hat das Oberlandesgericht zu Recht angenommen, daß die Beklagte keine „interne Verrechnung” hat vornehmen dürfen, falls der Kläger wegen des Anstieges seines Einkommens höheren Kindesunterhalt als im Vergleich vereinbart geschuldet hat. Zutreffend sind auch die Ausführungen dazu, daß eine eigenmächtige Verrechnung mit sonstigen Abzugsposten die Beklagte der Informationspflicht nicht enthob.
d) Der Auffassung der Revision, der Beklagte könne allenfalls Fahrlässigkeit vorgeworfen werden, weil nach der Anrechnungsklausel des Vergleichs die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit an sich erlaubt gewesen und die Beklagte tatsächlich nicht davon ausgegangen sei, daß ihr Verdienst zu einer Reduzierung des vom Kläger geschuldeten nachehelichen Unterhalts führen müsse, folgt der Senat nicht. Der festgestellte Sachverhalt rechtfertigt den Schluß des Oberlandesgerichts, daß die Beklagte zumindest mit bedingtem Vorsatz (vgl. BGH bei Dallinger MDR 1975, 22) handelte und daß es ihr darauf ankam, sich durch das Verschweigen der Höhe ihres Verdienstes Vermögensvorteile zu verschaffen. Bedenken gegen die Verwirklichung des Tatbestandes des § 263 Abs. 1 StGB durch Unterlassen bestehen danach nicht.
3. Das Oberlandesgericht wertet das Verhalten der Beklagten als schweres vorsätzliches Vergehen gegen den unterhaltsverpflichteten Kläger im Sinne von § 1579 Nr. 2 BGB mit der Folge, daß ihr an sich bis zum 11. August 1997 bestehender Unterhaltsanspruch aus § 1570 BGB ab 16. März 1993 wegen grober Unbilligkeit der Inanspruchnahme des Klägers zu versagen sei. Die Beklagte habe in der Zeit von Juli 1990 bis zum 16. März 1993 deutlich überhöhte Unterhaltsansprüche realisiert und beim Kläger einen bedeutenden Schaden verursacht. Als Sanktion reiche eine Herabsetzung des noch bestehenden restlichen Unterhaltsanspruchs oder eine zeitliche Befristung nicht aus. Denn dem Unterhaltspflichtigen, der einmal in erheblicher Weise über die Einkommensverhältnisse des geschiedenen Partners getäuscht worden sei, sei nicht zumutbar, ihm weiterhin Unterhalt zu gewähren. Er habe Anlaß zu der Befürchtung, auch in Zukunft getäuscht und betrügerisch geschädigt zu werden. Es dürfe auch nicht der Eindruck entstehen, daß sich ein Verstoß gegen die Offenbarungspflicht „lohnen” könne. Der dauernde Ausschluß des Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt könne zwar auch einen eventuell noch entstehenden Anspruch der Klägerin aus § 1572 BGB erfassen. Das sei aber angesichts der Schwere ihres Vergehens hinzunehmen.
Auch dagegen wendet sich die Revision vergebens.
a) Soweit sie rügt, dem Berufungsurteil seien keine hinreichenden Feststellungen dazu zu entnehmen, ob ein schweres Vergehen im Sinne des § 1579 Nr. 2 BGB vorliege, kann ihr nicht gefolgt werden. Ob ein strafbares vorsätzliches Vergehen gegen den Unterhaltsverpflichteten schwer im Sinne dieser Vorschrift ist, hat der Tatrichter zu entscheiden. Das Revisionsgericht kann nur prüfen, ob er dabei von richtigen Rechtsvorstellungen ausgegangen ist (vgl. Senatsurteil vom 9. November 1983 – IVb ZR 8/82 – FamRZ 1984, 34, 35). Das Oberlandesgericht hat hier im wesentlichen auf die lange Dauer der Tatverwirklichung und darauf abgehoben, daß die Handlungsweise der Beklagten dem Kläger, der in dieser Zeit Einkünfte als Berufssoldat erzielte, empfindlich getroffen hat. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
b) Die Revision rügt weiter, das Berufungsgericht habe nicht hinreichend abgewogen, ob mildere Sanktionen als die Versagung des Unterhalts ausreichend seien, nämlich die vom Gesetz alternativ vorgesehene Herabsetzung sowie die zeitliche Begrenzung des Unterhalts. Die völlige Versagung des Anrechts liege nicht im Ermessen des Gerichts, sondern sei auf Fälle beschränkt, bei denen jede Unterhaltsleistung schlechthin unerträglich wäre. Die pauschale Erwägung, daß beim Kläger ein bedeutender Schaden entstanden sei, sei nicht ausreichend, vielmehr seien konkrete Feststellungen zu dessen wirtschaftlichen Verhältnissen erforderlich. Die Beklagte habe auch nicht aus verwerflicher Gesinnung gehandelt, sondern habe allenfalls irrig angenommen, auch bei Erzielung höherer Einkünfte weiterhin uneingeschränkt unterhaltsberechtigt zu sein. Schließlich habe das Oberlandesgericht die Möglichkeit in Betracht gezogen, daß der Beklagten ein Unterhaltsanspruch wegen Krankheit (§ 1572 BGB) zustehen könnte, diesen Umstand aber bei seiner Abwägung nicht hinreichend berücksichtigt.
Auch damit kann die Revision nicht durchdringen. Das Berufungsgericht war sich, wie seine Ausführungen zeigen, der verschiedenen Sanktionsmöglichkeiten im Rahmen des § 1579 BGB bewußt. Bei der Anwendung dieser Härteklausel unter Würdigung der Umstände des Einzelfalles und im Rahmen der dabei gebotenen Zumutbarkeitsprüfung hat der Tatrichter einen ihm vorbehaltenen Beurteilungsspielraum, der nur einer rechtlichen Kontrolle durch das Revisionsgericht unterliegt (vgl. Senatsurteil vom 27. April 1988 – IVb ZR 58/87 – FamRZ 1988, 930, 933). Die hier vom Oberlandesgericht vorgenommene Würdigung und Abwägung der Belange beider Parteien läßt keinen Rechtsverstoß erkennen. Der Vorwurf der Revision, daß die Entscheidung in Bezug auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers aufgrund unzulänglicher tatsächlicher Grundlage getroffen worden sei, ist unbegründet. Die Beklagte selbst fordert aufgrund ihres offenbar mittlerweile beträchtlichen Eigeneinkommens nur noch ergänzenden nachehelichen Unterhalt von monatlich 300 DM für die Zeit vom 16. März 1993 bis 31. Juli 1993 sowie von monatlich 100 DM für die Zeit danach. Der Ausschluß eines Restunterhalts in dieser Höhe begegnet bei dem evident unredlichen Verhalten der Beklagten keinen rechtlichen Bedenken. Was den Unterhaltsanspruch aus § 1572 BGB angeht, so hat ihn das Berufungsgericht – ohne konkrete Anhaltspunkte für eine Krankheit oder ein Gebrechen – nur in Betracht gezogen, weil nach seiner Beurteilung der bestehende Anspruch der Beklagten aus § 1570 BGB am 11. August 1997 ohnehin auslaufen würde. Es handelt sich demnach um keinen Umstand von großem Gewicht. Die Revisionserwiderung weist im übrigen zutreffend darauf hin, daß die Härteklausel des § 1579 BGB gegenüber jedem Anspruch auf nachehelichen Unterhalt durchgreifen kann.
c) Die Revision verweist schließlich darauf, daß die Härteklausel des § 1579 BGB nur unter Wahrung der Belange gemeinschaftlicher Kinder angewendet werden darf. Unter diesem Gesichtspunkt bestehen gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts ebenfalls keine durchgreifenden Bedenken. Insoweit ist zu fordern, daß die Pflege und Erziehung von Kindern trotz der Anwendung der Härteklausel gesichert bleibt. Das ist in der Regel der Fall, wenn die dem betreuenden Ehegatten verbleibenden Mittel das Maß dessen übersteigen, was er zur Deckung seines Mindestbedarfs benötigt (vgl. Senatsurteil vom 27. September 1989 – IVb ZR 78/88 – NJW 1990, 253, 254 und vom 30. September 1987 – IVb ZR 79/86 – FamRZ 1987, 1238, 1239). Im Hinblick auf die von der Beklagten seit März 1993 erzielten Eigeneinkünfte liegt fern, daß ihr bei Versagung ihres restlichen Unterhaltsanspruchs Mittel in diesem Umfang nicht verblieben.
Unterschriften
Blumenröhr, Krohn, Zysk, Hahne, Gerber
Fundstellen
Haufe-Index 1128082 |
NJW 1997, 1439 |
NWB 1997, 430 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 1997, 478 |
NJ 1997, 131 |