Tatbestand
Die Kl. hatte im Februar 1981 sechs auf ihrem Betriebsgelände stehende gebrauchte Sandentwässerungssilos an die Bekl. verkauft; die Bekl. wollte diese Silos demontieren und in ihrem Betrieb wieder aufbauen. Die Kl. hatte vor und bei Abschluß des Kaufvertrags zugesichert, die Silos seien nur verschraubt und nicht verschweißt und daher einfach zu demontieren und wieder aufzubauen. Am 3. 6. 1981 erfuhr die Bekl. durch die von ihr mit einem Kostenvoranschlag für die Demontage der Silos beauftragte Firma, eine Untersuchung habe ergeben, daß die Silos nach dem Zusammenschrauben vollständig verschweißt worden seien; aus diesem Grund sei eine Demontage der Anlage zum Zwecke der Wiedererrichtung außerordentlich schwierig, so daß ein Festpreis nicht genannt werden könne. Die Bekl. rügte gegenüber der Kl., daß die Silos entgegen der Zusicherung verschweißt und nicht nur verschraubt worden seien. Nunmehr erklärte die Bekl. die Wandelung des Kaufvertrags. Die Zahlungsklage der Kl. blieb in allen Instanzen ohne Erfolg. Ä Zur Frage des Zeitpunktes der Ablieferung i. S. von § 377 Abs. 1 HGB führt der Senat aus:
(b) ›... Die Untersuchungslast des Käufers nach § 377 Abs. 1 HGB beginnt frühestens mit der Ablieferung der Kaufsache. Das OLG ist zu Lasten der Kl. davon ausgegangen, daß die Silos bei Entdeckung des Mangels durch die Bekl. Anfang Juni 1981 noch nicht abgeliefert waren. Das ist im Ergebnis zutreffend.
Nach der Formulierung in den Senatsurteilen [in] BGHZ 60, 5, 6 und [in] DB 1973, 371 und 1981, 1816 [hier: II (214) 211 c-d] liegt eine ›Ablieferung‹ dann vor, wenn die Ware in der Weise in den Machtbereich des Käufers verbracht wird, daß dieser sie an dem Ort, an dem sie sich nunmehr befindet, untersuchen kann. Diese Urteile betreffen indessen Fälle, in denen der Verkäufer die Kaufsache an den Käufer zu liefern oder anderweitig zu versenden hatte. Im vorl. Fall dagegen sollten die Kaufsachen noch längere Zeit nach Kaufabschluß auf dem Grundstück des Verkäufers verbleiben und dort erst später vom Käufer abgeholt werden. Wann in einem derartigen Fall die Kaufsachen abgeliefert sind, ist höchstrichterlich bisher nicht entschieden.
Die Ablieferung der Kaufsache begründet für den Käufer die Obliegenheit zu deren unverzüglicher Untersuchung. Wird sie versäumt oder nicht rechtzeitig vorgenommen, so führt das zum Verlust der Gewährleistungsansprüche (§ 377 Abs. 2 HGB). Diese einschneidende Rechtsfolge ist nur gerechtfertigt, wenn für den Käufer bei objektiver Betrachtungsweise erkennbar ist, daß in Vollziehung des Kaufvertrages nunmehr ihm anstelle des Verkäufers die Verfügungsmöglichkeit über die Kaufsache zusteht und ihn instand setzt, diese zu untersuchen. ...
In den bisher entschiedenen Fällen ging es überwiegend um die Bestimmung des Ortes und des Zeitpunktes, an dem die Kaufsache auf ihrem Weg vom Verkäufer in den Machtbereich des Käufers übergegangen war. Die Kaufsachen hatten also den Machtbereich des Verkäufers äußerlich sichtbar verlassen; aus diesem Grund war für den Käufer hinreichend deutlich erkennbar, daß nunmehr ihm die Verfügungsmöglichkeit über die Sachen zustand. Im vorl. Fall dagegen, in dem die verkauften Silos vereinbarungsgemäß auch nach Kaufabschluß bis zu ihrer Abholung durch die Käuferin auf dem Grundstück der Verkäuferin verbleiben sollten, sprach schon der äußere Anschein dafür, daß sich die Kaufsachen weiterhin im Machtbereich der Verkäuferin befanden. Hier kann der das Wesen der Ablieferung ausmachende Wechsel in der Verfügungsmöglichkeit über die Kaufsache regelmäßig nur durch eine hinreichend deutliche Parteivereinbarung bewirkt werden, die den durch das Verbleiben der Kaufsache beim Verkäufer gesetzten äußeren Anschein entkräftet. Daran fehlt es [im Streitfall].
Nach dem Kaufvertrag vom 12. 2. 1981 war die Bekl. vorleistungspflichtig, sie sollte zur Demontage und zum Abtransport der Silos erst dann berechtigt und verpflichtet sein, wenn sie den gesamten Kaufpreis bezahlt hatte; die letzte Kaufpreisrate war am 31. 5. 1981 fällig.
War danach die beiderseitige Erfüllung des Kaufvertrages nicht vor dem 31. 5. 1981 vorgesehen, so kann in einem Fall wie hier, wo die Kaufsache auf dem Grundstück der Verkäuferin Ä mit diesem verbunden Ä verblieb, von einer ›Ablieferung‹ im Sinne des Gesetzes und damit einem Beginn der Untersuchungslast nicht gesprochen werden.
Weitere Umstände, aus denen erkennbar wäre, daß eine Ablieferung der Silos i. S. des § 377 Abs. 1 HGB schon vor dem 3. 6. 1981 stattgefunden hat, sind [nicht ersichtlich]. Das geht zu Lasten der Kl..
(c) Zwar muß regelmäßig der Käufer dartun und gegebenenfalls beweisen, daß er die Kaufsache rechtzeitig untersucht und etwaige Mängel rechtzeitig gerügt hat (BGH LM HGB § 377 Nr. 1 ..).
Gesetzl. Voraussetzung für die Untersuchungs- und Rügelast nach § 377 HGB ist jedoch, daß die Kaufsache vom Verkäufer an den Käufer abgeliefert wurde; daher hat der Verkäufer, der aus der unterlassenen oder verspäteten Rüge des Käufers Rechte herleiten will, darzutun und gegebenenfalls zu beweisen, daß die Sache abgeliefert wurde (RGZ 5, 28, 30 f.; HGB-GroßKomm. Brüggemann § 377 Rdn. 205 ..). ...‹
Anmerkung von Prof. Dr H. Köhler, Bayreuth, in JR 1985 Heft 9 S. 368.
Fundstellen
Haufe-Index 2992772 |
BGHZ 93, 338 |
BGHZ, 338 |
BB 1985, 546 |
DB 1985, 1226 |
NJW 1985, 1333 |
DRsp II(214)222b-c |
JR 1985, 364 |
WM 1985, 518 |
ZIP 1985, 416 |