Entscheidungsstichwort (Thema)
Fluglotsenstreik: Haftung des Verbandes Deutscher Flugleiter eV auf Schadensersatz. Fluglotsenstreik ist Amtspflichtverletzung. Keine Haftungsfreiheit des Fluglotsenverbandes unter Berufung auf das Grundrecht der Koalitionsfreiheit - GG Art. 9 Abs. 3
Leitsatz (redaktionell)
1. Die streikähnliche Aktion der Flugleiter (Fluglotsen) im Jahre 1973 ("Dienst nach Vorschrift", "go sick") verletzte die Regeln eines fairen Arbeitskampfs; sie war schon nach Form und Ausmaß sittenwidrig iS von BGB § 826.
2. Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit (GG Art 9 Abs 3) verbietet nicht schlechthin, eine Koalition auch dann als Gehilfin nach BGB § 830 für Schäden eines sittenwidrigen Streiks ihrer Mitglieder heranzuziehen, wenn sie zwar den Streik innerlich ablehnt, ihn aber durch die eigene Verbandspolitik unterstützt.
3. Die Anwendung des BGB § 830 wird für die übrigen Teilnehmer an einer unerlaubten Handlung nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Haftung eines der Beteiligten besonderen, die Deliktsvorschriften verdrängenden Regeln unterliegt.
4. Haben zwei Deliktsschuldner für den Schaden eines Dritten gesamtschuldnerisch einzustehen, so steht die Regelung des Innenausgleichs in BGB § 426 der auf BGB § 826 gestützten Inanspruchnahme des einen Schuldners durch den anderen für dessen Haftungsschaden dann nicht entgegen, wenn jener Schuldner diesen vorsätzlich in die Mithaftung gedrängt hat.
Orientierungssatz
1. Die "Aktion" der Flugleiter ("Dienst nach Vorschrift", "go sick" etc) stellte eine Amtspflichtverletzung der einzelnen Flugleiter gegenüber den geschädigten Reiseunternehmen dar, für die die Bundesrepublik Deutschland gemäß GG Art 34, BGB § 839 Abs 1 einzustehen hat. (Fortführung BGH, 1977-06-16, III ZR 179/75, BGHZ 69, 128)
2. Der Koalitionsfreiheit ist kein inhaltlich unbegrenzter und gesetzlich unbegrenzbarer Haftungsspielraum eingeräumt. Sie reicht nur soweit, wie es der sachlich gebotene Schutz anderer Rechtsgüter zuläßt. (Vergleiche BVerfG, 1975-02-19, 1 BvR 418/71, NJW 1975, 968)
Normenkette
GG Art. 9 Abs. 3; BGB §§ 826, 830 Abs. 2, §§ 426, 830 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Fundstellen
Haufe-Index 541199 |
BGHZ 70, 277-290 (LT) |
BGHZ, 277 |
DB 1978, 685-687 (LT) |
NJW 1978, 816 |
NJW 1978, 816-820 (LT) |
LM BGB § 426, Nr. 45 (L1-4) |
LM BGB § 826, Nr. 30 (L1-4) |
LM BGB § 830, Nr. 21 (L1-4) |
LM GrundG Art. 9, Nr. 7 (L1-4) |
EBE/BGH 1978, 102-107 (LT1-4) |
ARST 1978, 89-90 (LT1-2, 4) |
DRiZ 1978, 117 |
DRiZ 1978, 117-117 (LT) |
ZBR 1978, 103-109 (LT1-4) |
ZfSH 1978, 177-179 (LT) |
AP GG Art. 9, Nr. 61 (LT1-4) |
DÖV 1978, 325-327 (LT) |
DVBl 1978, 405-410 (LT) |
Fremdenverkehrsrechtliche Entscheidungen Entscheidungen Zivilrecht, Nr. 127 (ST) |
JZ 1978, 239 |
JZ 1978, 239-242 (LT) |
JuS 1978, 560-561 (L1-4) |
MDR 1978, 480-481 (LT) |
VRS 55, 91-100 (1978) (LT1-4) |
VerfRspr GG Art. 9 Abs. 3, Nr. 74 (LT1-4) |
VersR 1978, 463-467 (LT) |
ZLW 1978, 114-124 (LT) |