Leitsatz
Erbschafts- und Einkommensteuer sind wegen ihrer unterschiedlichen Besteuerungsgegenstände grundsätzlich kumulativ anwendbar. Diese im System beider Steuern begründete Doppelbelastung ist nicht zwingend verfassungsrechtlich unzulässig.
Sachverhalt
Die Kläger werden als Ehegatten zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Kläger ist Alleinerbe. Zum Nachlass gehört Grundbesitz im Wert von 241.500 €. Teile hiervon gehörten zum Betriebsvermögen des ruhenden Gewerbebetriebes des Erblassers und wurden von dem Kläger in das Privatvermögen überführt. Der steuerpflichtige Erwerb betrug 58.400 €. Bei einem Steuersatz von 11 % wurde Erbschaftsteuer i.H.v. 6.424 € erhoben. Die für den Veranlagungszeitraum 2003 festgesetzte Einkommensteuer betrug - unter Berücksichtigung des Freibetrages nach § 16 Abs. 4 S. 1 EStG sowie § 34 Abs. 1 EStG - 5.990 €. Der Aufgabegewinn wurde hierbei von der Beklagten mit 86.855 € ermittelt. Die Klage richtet sich gegen die angesetzte Höhe des Aufgabegewinns bei Einkünften aus Gewerbebetrieb.
Entscheidung
Die Klage ist unbegründet, da die von der Beklagten in Ansatz gebrachten Werte korrekt sind. Erbschaft- und Einkommensteuer können grundsätzlich kumulativ nebeneinander erhoben werden. Es kann durchaus vorkommen, dass Vermögensgegenstände, die latent mit Einkommensteuer belastet sind, ausnahmsweise zunächst der Erbschaft- oder Schenkungsteuer unterfallen und später dann der Einkommensteuer. Infolge spezieller ertragsteuerlicher Regelungen - wie bspw. § 6 Abs. 3 EStG - werden vom Erblasser erwirtschaftete und bei diesem noch nicht besteuerte Einkünfte zum einen ggf. später beim Erben erfasst. Durch das erbschaftsteuerrechtliche strenge Stichtagsprinzip wird die - auf diesen "übergehenden Einkünften" lastende - latente Einkommensteuer im Rahmen der Erbschaft- oder Schenkungsteuer zum anderen berücksichtigt.
Zum 31.12.1998 wurde der § 35 EStG a.F. aufgehoben, der diese Doppelbelastung abmilderte. Dies war verfassungsrechtlich zulässig, da Erbschaft- und Einkommensteuer unterschiedliche wirtschaftliche Vorgänge erfassen und es somit dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung entspricht, auch in der Person des Erben anfallendes, aber vom Erblasser wirtschaftlich geschaffenes Einkommen mit beiden Steuern zu belasten. Diese Doppelbelastung verstößt werder gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG noch gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG, da sie im Rahmen des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers liegt und die Kläger auch nicht übermäßig belastet.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Urteil vom 29.05.2008, 11 K 69/06