Leitsatz
Der Ausschluss von Partnern einer eingetragenen Lebenspartnerschaft vom Ehegattensplitting ist verfassungswidrig, weil die Förderung der Ehe andere Lebensformen benachteiligt.
Sachverhalt
Die Steuerpflichtige begründete mit ihrer Lebenspartnerin im Dezember 2008 eine eingetragene Lebenspartnerschaft und beantragte, mit ihrer Partnerin zusammen zur Einkommensteuer veranlagt zu werden. Das Finanzamt führte dagegen eine Einzelveranlagung durch. Hiergegen legte die Steuerpflichtige Einspruch ein, über den noch nicht entschieden ist. Den ebenfalls gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte das Finanzamt ab. Mit ihrem beim FG gestellten Aussetzungsantrag machte die Steuerpflichtige die verfassungswidrige Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft geltend.
Das FG folgte der Steuerpflichtigen und entsprach dem Aussetzungsantrag, da ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Einzelveranlagung bestehen. Es hält den Ausschluss der Steuerpflichtigen als Partnerin einer eingetragenen Lebenspartnerschaft von der Anwendung der Regelungen über das Ehegattensplitting für verfassungswidrig. Denn die Ungleichbehandlung von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern im Einkommensteuerrecht in Anknüpfung an die sexuelle Orientierung erfordert hinreichend gewichtige Unterschiede zwischen diesen beiden Formen einer auf Dauer angelegten, rechtlich verfestigten Partnerschaft, um diese zu rechtfertigen.
Zwar ist es dem Gesetzgeber wegen des verfassungsrechtlichen Schutzes der Ehe grundsätzlich nicht verwehrt, sie gegenüber anderen Lebensformen zu begünstigen. Geht jedoch die Förderung der Ehe mit einer Benachteiligung anderer Lebensformen einher, obgleich diese nach dem geregelten Lebenssachverhalt und den mit der Normierung verfolgten Zielen der Ehe vergleichbar sind, rechtfertigt die bloße Verweisung auf das Schutzgebot der Ehe eine solche Differenzierung nach Auffassung des Gerichts nicht.
Hinweis
Nachdem das BVerfG mit Beschluss v. 21.7.2010, 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, BFH/NV 2010 S. 1985, die Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Erbschaftsteuerrecht für verfassungswidrig erklärt hat, war es nur eine Frage der Zeit, wann die dortigen Überlegungen auch zu einer entsprechenden Entscheidung auf der (wesentlich breiteren) Einkommensteuerebene gerichtsrelevant werden würden. Da das FG die Beschwerde gegen seine Entscheidung zugelassen hat, darf man auf die Entscheidung des BFH, sofern das Verfahren an ihn herangetragen wird, gespannt sein. Die Partner betroffener Lebenspartnerschaften können sich jedenfalls auf den Beschluss des FG berufen und versuchen, einen Anspruch auf Zusammenveranlagung geltend zu machen.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Beschluss v. 9.11.2010, 10 V 309/10.