Leitsatz

Die Klägerin hatte in der Erbschaftssteuer-Erklärung als Verwandtschaftsverhältnis "Nichte II. Grades" angegeben, ohne im Sinne des § 1925 BGB gesetzliche Erbin II. Ordnung zu sein. Das Finanzamt hat jedoch seine Ermittlungspflicht hinsichtlich des tatsächlichen Verwandtschaftsverhältnisses verletzt, so dass der ergangene Erbschaftssteuerbescheid nicht mehr in die Steuerklasse III geändert werden kann.

 

Sachverhalt

Die Erblasserin ist auf Grund notariellen Testaments von der Klägerin, der Nichte ihres vorverstorbenen Ehemannes, allein beerbt worden. In der Erbschaftssteuererklärung hat die Klägerin als Verwandtschaftsverhältnis "Nichte II. Grades" angegeben. Im Steuerbescheid, der hinsichtlich der Zusammensetzung und des Wertes des Nachlasses, der Höhe der Pflichtteile sowie der anrechenbaren ausländischen Erbschaftssteuer vorläufig erging, ging das beklagte Finanzamt fälschlicherweise von der Steuerklasse II aus.

In dem 3 Jahre später geänderten Steuerbescheid legte das Finanzamt die Steuerklasse III zu Lasten der Klägerin zu Grunde, da ihm in einem Einspruchsverfahren bekannt geworden war, dass die Klägerin nicht die Nichte der Erblasserin, sondern ihres Ehemannes war. Der Bescheid erging weiterhin vorläufig hinsichtlich des Verkehrswertes des ererbten Grundstückes. Nach bekannt werden des Verkehrswertes erhöhte das Finanzamt nochmals die Erbschaftssteuer durch geänderten Bescheid.

Im Rahmen der Klage begehrt die Klägerin die Anwendung der zuerst festgesetzten Steuerklasse II, da einer Änderung insoweit der Grundsatz von Treu und Glauben entgegenstehe.

 

Entscheidung

Einer Änderung des bestandskräftigen Erstbescheides steht der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen, so dass die Änderung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ausgeschlossen ist.

Das Finanzamt hat seine ihm obliegende Ermittlungspflicht dahingehend nicht gehörig erfüllt, als es die Verwandtschaftsangabe der Klägerin "Nichte II. Grades" hätte überprüfen und eine genaue Angabe hätte verlangen müssen (z.B. Tochter des Bruders der Mutter). Im allgemeinen Sprachgebrauch wird unter Nichte auch die Tochter des Schwagers oder der Schwägerin verstanden, was auch die testamentarische Bezeichnung der Klägerin durch die Erblasserin beweist.

Der Pflichtverstoß der Klägerin - ungenaue Angabe des Verwandtschaftsverhältnisses - ist dementsprechend unbedeutend, zumal die Klägerin die Erklärung selbst erstellt hat, so dass ein Verstoß des Finanzamtes gegen seine Ermittlungspflicht überwiegt. Es bleibt daher bei dem Ansatz der günstigeren Steuerklasse II.

 

Link zur Entscheidung

FG München, Urteil vom 29.03.2006, 4 K 2477/05

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