Leitsatz
Eheleute stritten sich mit dem Finanzamt darüber, ob das Finanzamt die tarifliche Einkommensteuer der Eheleute für die Streitjahre wegen des in Norwegen lebenden minderjährigen Sohnes des Ehemannes zu Recht um einen Betrag i.H.d. in § 66 Abs. 1 EStG in der jeweils für die Streitjahre geltenden Fassung vorgesehenen Kindergeldes erhöht hatte.
Sachverhalt
Die Kläger sind Ehegatten und wurden mit ihren Einkünften für die Streitjahre zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger zu 1) bezahlte in den Streitjahren nach norwegischem Recht Unterhalt für seinen im Jahre 1994 geborenen nichtehelichen Sohn, der bei seiner Mutter in Norwegen lebte. Das beklagte Finanzamt ließ bei Ermittlung des Einkommens der Kläger für die Streitjahre 1998 und 1999 im Hinblick auf den genannten Sachverhalt jeweils einen doppelten Kinderfreibetrag i.H.v. 6.912,00 DM bzw. für das Streitjahr 2000 einen doppelten Kinderfreibetrag sowie einen doppelten Betreuungsfreibetrag von 9.936,00 DM zum Abzug zu, erhöhte die tarifliche Einkommensteuer um einen Kindergeldbetrag von 2.640,00 DM für das Jahr 1998 und geringfügig höhere Beträge für die Folgejahre. Entsprechend wurde die Einkommensteuer der Kläger festgesetzt. Gegen den Einkommensteuerbescheid für 1998 legten sie Einspruch ein und wandten sich gegen die Zurechnung des Kindergeldes mit der Begründung, der Kläger zu 1) habe für seinen in Norwegen lebenden Sohn Kindergeld nicht erhalten. Das Finanzamt wies den Einspruch zurück. Klage hiergegen wurde nicht erhoben. Der Einkommensteuerbescheid für 1999 blieb unangefochten. Gegen den Einkommensteuerbescheid für 2000 legten die Kläger aus anderen Gründen Einspruch ein, dem das Finanzamt abhalf. Das diesbezügliche Einspruchsverfahren war damit abgeschlossen.
Mit Schreiben vom 27.12.2002 beantragten die Kläger beim Finanzamt u.a. betreffend die Streitjahre die Änderung der bis dahin jeweils festgesetzten Einkommensteuer mit der Maßgabe der Herabsetzung um die Höhe des jeweils zugerechneten Kindergeldes. Ihren Antrag stützten sie dabei auf ein Schreiben der norwegischen Behörde vom 29.11.2002. Das in deutscher Sprache abgefasste behördliche Schreiben enthielt die Bestätigung, dass der Kläger zu 1) in den Streitjahren von einer norwegischen Behörde Kindergeld nicht erhalten hatte. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab. Hiergegen richtete sich die Klage der Kläger, die primär damit begründet wurde, die Zurechnung des Kindergeldbetrages sei nicht zulässig gewesen, da der Kläger zu 1) weder nach deutschem noch nach norwegischem Recht Kindergeld für seinen in Norwegen lebenden Sohn erhalten habe. Auch die in Norwegen lebende Mutter habe Kindergeld nicht bekommen.
Die Kläger beantragten, das Finanzamt zu verpflichten, die Einkommensteuerbescheide für 1998, 1999 und 2000 mit dem Ziel der Herabsetzung der festgesetzten Einkommensteuer zu ändern.
Das Finanzamt beantragte Klageabweisung.
Die Klage erwies sich als nur teilweise begründet.
Entscheidung
Das FG sah die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Änderung der die Streitjahre betreffenden Einkommensteuerbescheide zugunsten der Kläger nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 AO für erfüllt.
Danach seien bestandskräftige Steuerbescheide zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt würden, die zu einer niedrigeren Steuer führten und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran treffe, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt geworden seien. Nachträglich bekannt gewordene Tatsachen seien solche, die nach dem Zeitpunkt, in dem die Willensbildung des Finanzamts über die Steuerfestsetzung abgeschlossen sei, bekannt würden (BFH-Urteil vom 26. November 1996 IX R 77/95, BStBl II 1997, 422).
Dem Finanzamt sei nicht bekannt gewesen, dass der Kläger zu 1) nach norwegischem Recht keinen zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch des Inhalts habe, dass er seine Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem minderjährigen Kind um den vollen oder auch nur teilweisen Betrag des vermutlich in Norwegen an die Mutter des Kindes bezahlten Kindergeldes zu vermindern befugt gewesen wäre. Die gesetzlichen Regelungen im norwegischen Unterhaltsrecht stellten eine Tatsache i.S.d. § 173 Abs. 1 AO dar. Der Umstand, dass das Finanzamt hinsichtlich der Frage eines zivilrechtlichen Ausgleichsanspruchs nach norwegischem Recht im Zeitpunkt der Entscheidung über den den Rechtsstreit auslösenden Änderungsantrag möglicherweise keine Überlegungen angestellt hatte, stehe dem Klageantrag nicht entgegen. Dem Finanzamt sei in Bezug auf die Entscheidung über eine Korrektur nach § 173 Abs. 1 AO kein Ermessen eingeräumt. Vielmehr sei und bleibe es zur Vornahme der Änderung verpflichtet, falls die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen hierfür erfüllt seien.
Den Klägern sei auch kein grobes Verschulden daran vorzuhalten, dass die Norwegen geltenden Unterhaltsvorschriften dem Finanzamt bis zur erstmaligen Einkommensteuerfestsetzung für die Streitjahre unbekannt geblieben seien. Die Kläger hätten diesen Umstand, der ihnen mög...