Leitsatz
Gegenstand des Verfahrens war die Kindergeldberechtigung der Klägerin in dem Zeitraum von August 2002 bis September 2004. Die zwischenzeitlich geschiedene Klägerin hatte bis Juli 2002 mit ihrem früheren Ehemann und dem im Dezember 1992 geborenen gemeinsamen Sohn in einer Wohnung gelebt. Sie bezog das staatliche Kindergeld für den Sohn. Im Juli 2002 zog sie aus der Ehewohnung aus und bezog eine im gleichen Haus gelegene Mansardenwohnung, die ihr bisher als Arbeitszimmer gedient hatte. Der Sohn M. blieb in der Wohnung seines Vaters. Im November 2003 zog die Klägerin auch aus der Mansardenwohnung aus und bezog eine andere Wohnung außerhalb des Hauses. Ihr Ehemann beantragte daraufhin im September 2004 die Gewährung des staatlichen Kindergeldes für den gemeinsamen Sohn an sich rückwirkend ab August 2002.
Mit Weiterleitungsbestätigung vom 3. November 2004 - bei der Behörde eingegangen am 5. November 2004 - bestätigte er, dass seine Ehefrau das Kindergeld für den streitbefangenen Zeitraum (August 2002 - September 2004) an ihn weitergeleitet habe und er seinen Anspruch auf staatliches Kindergeld für den vorgenannten Zeitraum als erfüllt ansehe.
Mit Telefax vom 10. November 2004 bat der Vater die Behörde, die Erklärung über die Weiterleitung als gegenstandslos zu betrachten. Aufgrund von Falschinformationen habe er die von ihm abgegebene Klärung als Voraussetzung für den rückwirkenden Erhalt des Kindergeldes angesehen.
Mit Bescheid vom 11. November 2004 hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung für den Sohn ab August 2002 auf und forderte von der Ehefrau das an sie in dem Zeitraum von August 2002 bis September 2004 gezahlte Kindergeld zurück. Der hiergegen von der Ehefrau eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg.
Die Ehefrau erhob daraufhin Klage und trug vor, sie habe ihren Sohn auch nach ihrem Auszug aus der ehelichen Wohnung versorgt. Im Hinblick auf die von ihr erbrachten Leistungen - die weit höher gewesen seien als das ihr geleistete staatliche Kindergeld - habe sie letztendlich die ihr insgesamt zugeflossenen Beträge weitergeleitet.
Die Klägerin beantragte, unter Aufhebung der angefochtenen Billigkeitsentscheidungen in dem Bescheid vom 11. November 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. März 2205 die beklagte Familienkasse zu verpflichten, auf die Rückforderung des Kindergeldes für die Zeitraum von August 2002 bis einschließlich September 2004 aus Billigkeitsgründen zu verzichten.
Das FG hielt ihre Klage für begründet.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Nach Rücknahme der von der Klägerin zunächst auch erhobenen Klage gegen die im Bescheid vom 11. November 2004 enthaltene Aufhebung der Kindergeldfestsetzung ihr gegenüber war nach Auffassung des FG nur noch über die Rechtmäßigkeit der Billigkeitsentscheidung zu entscheiden, nachdem die beklagte Familienkasse auf die Rückforderung des zu Unrecht gezahlten Kindergeldes nicht verzichtet hatte.
Nach Auffassung des FG hatte der Beklagte unter Berufung des von dem Ehemann erklärten Widerrufs der von ihm abgegebenen Weiterleitungsbestätigung es zu Unrecht abgelehnt, auf die Rückzahlung des überzahlten Kindergeldes zu verzichten.
Das Gericht verwies in seiner Entscheidung insoweit auf 64.4 Abs. 4 ff. der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienlastenausgleichs (BStBl-I 2004, 742), wonach sich der nach Aufhebung der Kindergeldfestsetzung nach § 37 Abs. 2 AO ergebende Rückforderungsanspruch gegenüber dem nachrangig Berechtigten als erloschen behandelt werden kann, wenn Letzterer bescheinigt, das Kindergeld durch Weiterleitung erhalten zu haben und er seinen Anspruch auf Auszahlung von Kindergeld insoweit als erfüllt anerkennt.
Diese Entscheidung stelle eine Billigkeitsmaßnahme der Verwaltung dar, die als Ermessensentscheidung gem. § 102 Finanzgerichtsordnung (FGO) nur eingeschränkt der gerichtlichen Kontrolle unterliege.
Die von dem Beklagten getroffene Entscheidung erweise sich als ermessensfehlerhaft, da er zu Unrecht angenommen habe, der Kindesvater habe die Weiterleitungsbestätigung vom 3. November 2004 wirksam widerrufen bzw. für ungültig erklärt.
Bei der Weiterleitungsbestätigung handele es sich um eine außerprozessuale Verfahrenserklärung, die weder widerrufen noch zurückgenommen werden könne. Hierauf sei der Kindesvater in dem von ihm unterzeichneten Formblatt ausdrücklich hingewiesen worden.
Nach der Rechtsprechung sei eine Verfahrenserklärung nur dann als unwirksam zu werten, wenn der Erklärende nicht handlungsfähig gewesen sei oder die Behörde ihn durch unlautere Mittel zur Abgabe der Erklärung veranlasst habe.
All diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor.
Da der Beklagte von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen sei, sei die Entscheidung ermessensfehlerhaft und aufzuheben. Im Hinblick auf die noch fehlende höchstrichterliche Klärung der Frage der Rechtsnatur der Weiterleitungsentscheidung wurde die Revision zugelassen.
Link zur Entscheidung
FG München, Urteil vom 15.02.2006, 9 K 1525/05