Leitsatz

Die Stundung der Erbschaftsteuer auf nießbrauchsbelastetes Vermögen ist auch zu gewähren, wenn zwar nicht der Erwerb, aber der Vorerwerb (§ 14 ErbStG) zugunsten des Ehegatten des Erblassers belastet ist.

 

Sachverhalt

Die Steuerpflichtigen sind Vermächtnisnehmer ihres verstorbenen Vaters. Im Testament der Ehegatten wurden den Steuerpflichitgen Geldvermächtnisse mit jeweils 400000 DM zugewandt. Durch notariellen Vertrag wurde ihnen zu je ½ das Eigentum an dem Grundstück X (Einheitswert 143200 DM) und an dem Grundstück Y (Einheitswert 44200 DM) gegen Einräumung eines lebenslänglichen Nießbrauchsrechts übertragen. Laut Übertragungsvertrag sollte das Nießbrauchsrecht nach dem Tode des Zuerstversterbenden der Berechtigten dem Überlebenden ganz und uneingeschränkt zustehen. Gegen die Erbschaftsteuerscheide legten die Steuerpflichtigen Einspruch ein und beantragten, wegen der Nießbrauchsbelastung des Vorerwerbs die Erbschaftsteuer zu stunden.

Die Erbschaftsteuerbescheide sind rechtswidrig und verletzen die Steuerpflichtigen in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das Finanzamt hat die Erbschaftsteuer zu Unrecht nicht nach § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG bis zum Wegfall des hinsichtlich der Grundstücke X und Y bestehenden Nießbrauchsrechts zinslos gestundet.

Diese Rechtsfrage wird in der FG-Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt. Das FG Rheinland-Pfalz hat bei einem Sachverhalt, in dem sowohl der Vor- als auch der Nacherwerb mit Nießbrauchsrechten i.S. des § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG belastet waren, entschieden, dass bei der Berechnung des Stundungsbetrags für den Nacherwerb auch die Belastung des Vorerwerbs zu berücksichtigen ist (Urteil v. 19. 91996, 4 K 2761/95, ZEV 1996 S. 439).

Dem hat das FG München – unter Hinweis auf das BFH-Urteil v. 7.10.1998 – widersprochen, in dem nur derVorerwerb, nicht aber der Nacherwerb mit einem Nießbrauchsrecht zugunsten des Schenkers belastet war. Auch für das FG München war ausschlaggebend, dass der BFH für die Zusammenrechnung nach § 14 ErbStG eine Zusammenfassung von Vor- und Nacherwerb zu einem einheitlichen Erwerb ablehnt hat (Urteil v. 27.10.2004, 4 K 1798/02, EFG 2005 S. 620). Demgegenüber schlägt nach Ansicht des FG Nürnberg eine im Zeitpunkt des Nacherwerbs weiterhin bestehende Nießbrauchsbelastung des Vorerwerbs auf die Berechnung des Steuer- und Stundungsbetrags für den Nacherwerb durch. Im Gegensatz dazu sieht das FG Nürnberg hierin gerade keinen Verstoß gegen die durch § 14 ErbStG vorgeschriebene Selbständigkeit von Vor- und Nacherwerb (Urteil v. 28.10.2004, IV 440/2003, EFG 2005 S. 621).

Schließlich hat das Schleswig-Holsteinische FG entscheiden, dass bei der Berechnung der zu stundenden Steuer der Vorerwerb jedenfalls dann mit dem Nettowert in die Berechnung einzubeziehen ist, wenn zwischen Vor- und Nacherwerb kein Steuerklassenwechsel eingetreten ist, durch den Nacherwerb auch bei Ansatz der Bruttowerte kein Steuersatzsprung ausgelöst würde und sich der persönliche Freibetrag bei der Besteuerung des Vorerwerbs nicht in voller Höhe ausgewirkt hat (Urteil v. 20. 122004, 3 K 218/02, StE 2005 S. 186). Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist die Revision zum BFH. zugelassen worden.

 

Link zur Entscheidung

FG Köln, Urteil vom 05.04.2005, 9 K 6814/01Az. des BFH: noch nicht bekannt.

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