Entscheidungsstichwort (Thema)
Kapitalauszahlung einer Pensionskassenversicherung bei von Anfang an vereinbartem Wahlrecht zwischen laufender monatlicher Rente und Einmalauszahlung nicht tarifermäßigt zu besteuern
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Einmalauszahlung des Rückkaufswertes einer nach § 3 Nr. 63 EStG geförderten Pensionskassenversicherung stellt einen im Rahmen der Einkunftsart erzielten Vorteil dar, da § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG sämtliche Leistungen aus Direktversicherungen, Pensionskassen und Pensionsfonds unabhängig davon erfasst, ob es sich um einmalige oder laufende Zahlungen handelt (vgl. BFH, Urteil v. 5.11.2019, X R 38/18, BFH/NV 2020 S. 673).
2. Ist bei einer nach § 3 Nr. 63 EStG geförderten Pensionskassenversicherung bereits von Anfang an eine Wahl zwischen einer laufenden monatlichen Rente und einer Einmalzahlung vertraglich vorgesehen und wird zum vereinbarten Laufzeitende vom Wahlrecht zur Einmalauszahlung Gebrauch gemacht, so ist diese Einmalauszahlung des Rückkaufswertes nicht als „außerordentlich” bzw. atypisch anzusehen und daher nicht nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG tarifbegünstigt (Anschluss an FG Münster, Urteil v. 24.10.2023, 1 K 1990/22 E).
Normenkette
EStG § 3 Nr. 63, § 22 Nr. 5 S. 1, § 34 Abs. 1, 2 Nrn. 2, 4
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Strittig ist die ermäßigte Besteuerung einer Kapitalauszahlung einer Rente nach § 34 des Einkommensteuergesetzes – EStG –.
Die Kläger wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielten sonstige Einkünfte aus Leibrenten und Einkünfte aus Kapitalvermögen.
Die Klägerin vereinbarte mit ihrem damaligen Arbeitgeber, der A GmbH, dass ein Teil ihres Gehaltes in Höhe von monatlich 180,00 Euro ab 01.12.2002 in Versorgungsleistungen i. S. d. § 1 Abs. 2 BetrAVG umgewandelt wird. Die Umwandlung erfolgte aus Entgeltansprüchen (Bruttoeinkommen) nach § 3 Nr. 63 EStG in Form von Beiträgen an die B Pensionskasse AG. Der Vertrag sah eine Wahl zwischen einer laufenden monatlichen Rente und einer Einmalzahlung vor. Diese Vereinbarung wurde tatsächlich durchgeführt. Mit Schreiben vom 15.05.2015 beantragte die Klägerin die Auszahlung eines einmaligen Kapitalbetrages in Höhe von … Euro von der B Pensionskasse AG. Diese zahlte der Klägerin im Streitjahr 2015 einen Gesamterstattungsbetrag aus obiger Versicherung in Höhe von … Euro (Rückkaufswert: … Euro; Überschüsse … Euro) aus.
Mit Bescheid vom 01.02.2017 setzte der Beklagte gegenüber den Klägern eine Einkommensteuer in Höhe von … Euro fest. Der Beklagte unterwarf den von der B Pensionskasse an die Klägerin ausgezahlten Betrag in Höhe von … Euro der vollen Versteuerung (§ 22 Nr. 5 EStG) und nicht der Steuerermäßigung nach § 34 Abs. 1 EStG.
Den gegen obigen Einkommensteuerbescheid eingelegten Einspruch wies das beklagte Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 22.08.2017 zurück. Zur Begründung führte es u. a. aus:
„Die Einmalzahlung der Pensionskasse ist nicht nach § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 EStG ermäßigt zu besteuern.
§ 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG ist grundsätzlich auf alle Einkunftsarten anwendbar, sofern die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind und im Einzelfall keine Gründe für eine einschränkende Auslegung gegeben sind. Weder dem Wortlaut noch der Systematik nach dem Zweck der Norm lässt sich eine Beschränkung ihres Anwendungsbereichs auf bestimmte Einkunftsarten entnehmen (BFH-Urteil vom 20. September 2016, X R 23/15, BFHE 255, 209, BStBl II 2017, 347, Rn. 20). Auch stellt die Kapitalabfindung eine „Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten dar. Als „Vergütung” in diesem Sinne kommen alle Vorteile von wirtschaftlichem Wert in Betracht, die der Steuerpflichtige im Rahmen der jeweiligen Einkunftsart erzielt (BFH-Urteil in BFHE 245, BStBl II 2014, 668, Rz. 47f.). Die „Tätigkeit” besteht bei Alterseinkünften in der früheren Leistung von Beiträgen (BFH-Urteil in BFHE 243, 287, BStBl II 2014, Rz. 70).
Es fehlt jedoch an der „Außerordentlichkeit” dieser Einkünfte.
Dieses Erfordernis wird sowohl vom Wortlaut des § 34 Abs. 1 EStG als auch von dem des Einleitungssatzes des § 34 Abs. 2 EStG vorausgesetzt. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung dient es der Einschränkung des eher weit geratenen Wortlauts des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG. Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten sind nur dann außerordentlich, wenn die Zusammenballung der Einkünfte nicht in dem vertragsgemäßen oder typischen Ablauf der jeweiligen Einkünfteerzielung entspricht (BFH-Urteil vom 20. September 2016, X R 23/15, BFHE 255, 209, BStBl II 2017, 347, Rn. 23).
Vorliegend beruht die Geltendmachung der Kapitalabfindung auf der Kündigung des Vertrages zum 01.04.2015. Es handelt sich um eine im Vertrag vorgesehene Leistung. Die Einkünfte aus dem Zufluss dieser Einmalzahlung sind nicht außerordentlich, wenn bereits im Zeitpunkt der Zusage der betrieblichen Altersversorgung das Kapitalwahlrecht vereinbart worden ist.”
II.
Mit ihrer Klage ...