Leitsatz
Das Recht des Finanzamts zur Nutzung digitalisierter Daten gemäß § 147 Abs. 6 AO besteht nur im Umfang einer Aufzeichnungspflicht des Steuerpflichtigen.
Kommentar
Sachverhalt
Eine Wirtschaftsprüfer-, Steuerberater- und Rechtsanwaltssozietät berechnet die Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten und ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung.
Zur Erfüllung der steuerlichen Aufzeichnungspflichten werden im Büro der Sozietät die Ausgangs- und Eingangsrechnungen in zeitlicher Reihenfolge gemeinsam mit den dazugehörigen Kontoauszügen der Bank gesammelt. Darüber hinaus bedient sich die Sozietät eines automatisierten Verfahrens. Hierzu verwendet sie das Kanzlei-Rechnungswesen-Programm von A (RA) als sog. "Inhome"-Lösung, d. h. auf einem in der Kanzlei befindlichen büroeigenen Rechner. Die Kanzleidaten werden zunächst auf einer Festplatte am Arbeitsplatz des Gesellschafters W gespeichert. Die Auswertung und Aufbewahrung nebst Datensicherung und Instandhaltung wird im Büro eigenverantwortlich vorgenommen.
Die vereinnahmten Entgelte ebenso wie die zum Vorsteuerabzug berechtigenden Eingangsleistungen werden geordnet nach Jahren und Voranmeldungszeiträumen und unter Ausweis der Art des Umsatzes bzw. des Namens des Kunden, der Bemessungsgrundlage und der Steuer in einer Excel-Datei erfasst, indem die entsprechenden Daten aus dem RA-Programm extrahiert werden. Die geschuldete Umsatzsteuer und die abziehbaren Vorsteuerbeträge werden mit Hilfe des RA-Programms ermittelt.
Zur Aufbewahrung der erfassten Kanzleidaten wird zudem am Ende des Kalenderjahres ein Datentransport der auf der Festplatte des Gesellschafters W befindlichen RA-Aufzeichnungen in eine Word-Datei durchgeführt.
Das Finanzamt forderte im Rahmen der angeordneten Betriebsprüfung die Überlassung der maschinell erstellten Daten im Rahmen der Datenträgerüberlassung (Z3-Zugriff) an. Die Überlassung der Daten wurde u. a. mit dem Hinweis verweigert, dass es sich bei den digitalen Daten um freiwillige Aufzeichnungen handelt, die nicht zwingend für die Erfüllung der Aufzeichnungspflichten erforderlich sind.
Entscheidung
Die Aufforderung des Finanzamts, den Datenzugriff zu dulden und durch Übergabe des Datenträgers hieran mitzuwirken, ist ein Verwaltungsakt, der durch Einspruch angefochten werden kann. Das Finanzamt kann die Übergabe eines auswertbaren Datenbestands auf Datenträger – auch mit dem Ziel der Nutzung durch die Betriebsprüfung an Amtsstelle – nur insoweit verlangen wie die Aufzeichnungspflicht der Sozietät reicht. Geht die Aufforderung wie im vorliegenden Fall darüber hinaus, so liegt eine Ermessensüberschreitung vor. Der Verwaltungsakt ist daher aufzuheben.
Es ist zwar grundsätzlich möglich die Befugnisse des § 147 Abs. 6 AO auch gegenüber Steuerpflichtigen in Anspruch zu nehmen, die zutreffend ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermitteln. Den Steuerpflichtigen trifft eine Aufzeichnungspflicht und in diesem Rahmen eine Aufbewahrungs- und Vorlagepflicht. Es besteht zwar keine Verpflichtung, die aufzeichnungspflichtigen Gegenstände digital zu erfassen. Soweit eine solche Erfassung allerdings vorhanden ist, unterliegt sie den Zugriffsrechten des Finanzamts gem. § 147 Abs. 6 AO. Dies gilt auch, wenn und soweit parallel anderweitige, nicht digitale Aufzeichnungen geführt werden.
Auch die Entschließung, überhaupt einen Datenzugriff i. S. des § 147 Abs. 6 AO durchführen zu wollen, wurde ermessensfehlerfrei ausgeübt. Dies gilt auch für die Entscheidung, die Rechte gem. der dritten Alternative des § 147 Abs. 6 AO in der Form der Übergabe der Daten auf einem maschinell auswertbaren Datenträger auch zur Mitnahme an Amtsstelle in Anspruch nehmen zu wollen.
Das Ermessen durch das Finanzamt wurde aber insoweit fehlerhaft ausgeübt, als es Daten erfasst, die über die Aufzeichnungspflichten der Sozietät hinausgehen. Die Rechte gem. § 147 Abs. 6 AO stehen dem Finanzamt im Streitfall nur im Rahmen des Umfangs der Aufzeichnungspflichten gem. § 22 UStG i. V. mit §§ 63ff. UStDV zu. Dies ist Folge der Akzessorietät der Aufbewahrungspflicht zur Aufzeichnungspflicht, die nach Ansicht des Finanzgerichts auch für die Pflichten gem. § 147 Abs. 6 AO gilt. Sofern der Steuerpflichtige freiwillige Aufzeichnungen führt, fallen diese lediglich unter die Regelung des § 146 Abs. 6 AO. Die Erstreckung der Ordnungsvorschriften auf freiwillige Aufzeichnungen in § 146 Abs. 5 AO bezieht sich nach der Systematik des Gesetzes auf die in den voranstehenden Absätzen geregelten Ordnungsvorschriften für die Aufzeichnungen; demgegenüber enthält § 147 AOeigenständige Ordnungsvorschriften für die Aufbewahrung, ohne diese entsprechend § 146 Abs. 6 AO für freiwillige Aufzeichnungen für anwendbar zu erklären.
Wie bereits das FG Rheinland-Pfalz im Urteil v. 3.6. 2006 (1 K 1743/05) setzt sich auch das FG Hamburg mit den Grenzen des Datenzugriff auseinander. Dabei stellte das Finanzgericht eindeutig klar, dass der Datenzugriff sich auch auf die Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschu...