Dipl.-Finanzwirt (FH) Jürgen Feißt
Leitsatz
Der sachliche Umfang einer Außenprüfung wird durch die Möglichkeit des Datenzugriffs ab 1.1.2002 nicht erweitert.
Sachverhalt
Bei einer Betriebsprüfung für die Jahre 1999 bis 2002 wurde den Prüfern der Zugriff auf das Datenverarbeitungssystem von SAP für den Bereich der Finanzbuchhaltung gewährt. Die Prüfer begehrten daneben den Zugriff auch auf die Daten der Kostenstellenrechnung. Der umfassende Zugriff wurde verweigert. Lediglich der Kostenstellenplan, 3 Kostenstellen für den Bereich Beteiligungen sowie die Kostenstelle für die Warenbewertung wurden vorgelegt.
Das Finanzamt forderte die Firma auf "über den bisher ermöglichten Umfang hinaus Datenzugriff im SAP-System auf alle Kostenstellen zu gewähren, die sofort abziehbare Betriebsausgaben zuordnen und deren Daten ebenfalls in der Finanzbuchhaltung erfasst sind". Der Zugriff sollte sich ausdrücklich nicht auf unternehmensinterne Kostenstellen erstrecken, die innerbetriebliche Planungen und Berechnungen enthalten, wie z. B. Budgetierung, Planung oder kalkulatorische Kosten.
Die Finanzverwaltung hat ein Zugriffsrecht auf die mit Hilfe eines Datenverarbeitungssystems erstellte Buchführung eines Steuerpflichtigen. Der Zugriff kann dabei in Form des "Nur-Lesezugriffes", des "mittelbaren Zugriffes" oder dadurch erfolgen, dass der Steuerpflichtige der Finanzbehörde die gespeicherten Daten auf einem maschinell verwertbaren Datenträger (CD-ROM) zur Verfügung stellt. Der Umfang des Datenzugriffs richtet sich nur auf die aufbewahrungspflichtigen Unterlagen. Der sachliche Umfang der Außenprüfung wird nicht erweitert. Ein umfassender Zugriff auf alle gespeicherten Daten eines Unternehmens ist auch nach § 147 Abs. 6 AO nicht zulässig. Der Einsatz der Software IDEA ermöglicht den Import, die Selektion und die Analyse größerer Datenmengen. Insoweit hat sich die Art des Zugriffsgeändert. Der Zugriff der Finanzbehörde umfasst nur steuerlich relevante Daten. Hierzu zählen insbesondere die Daten der Finanz-, der Anlagen- und der Lohnbuchhaltung.
Im Hinblick auf die steuerliche Relevanz der in einem EDV-System eines Betriebs implementierten Kostenrechnung kommt dieser insofern eine besondere Stellung zu, als sie zum einen steuerlich relevante Daten, zum anderen aber auch eine Fülle von Zahlenmaterial enthält, das ausschließlich der Unternehmensführung und -kontrolle dient und der Betriebsprüfung nicht vorzuzeigen ist. In der Rechtsprechung und auch in der Literatur ist weitgehend anerkannt, dass Kostenstellen dem Zugriff der Finanzbehörde nur unterliegen, soweit sie für die Bewertung von Wirtschaftsgütern oder Passiva von Bedeutung sind. So werden Kostenstellen, die Beteiligungen, die Bewertung von Vermögensgegenständen oder Rückstellungen zum Gegenstand haben, ebenso als aufbewahrungs- und vorlagepflichtig eingeordnet wie solche, die die Grundlagen für die Bemessung von Verrechnungspreisen enthalten.
Ob und in welcher Form die Betriebsprüfung einen Steuerpflichtigen in Anspruch nimmt, liegt im Ermessen der Finanzbehörde. Dabei hat sie den betriebsinternen Charakter von Kostenstellenrechnungen ebenso zu berücksichtigen wie die mögliche Steuerrelevanz. Der Datenzugriff und die Mitwirkung des Steuerpflichtigen darf nur verlangt werden, soweit dies zur Feststellung des steuerlich erheblichen Sachverhalts notwendig, verhältnismäßig, erfüllbar und zumutbar ist. Im vorliegenden Fall sah das FG das Ermessen als überschritten an. So ist, auch nach der eigenen Darstellung des Finanzamts, die Gewährung des Datenzugriffs auf die Kostenstellen für die steuerliche Aufklärung nicht notwendig. Denn die Daten zu den sofort abziehbaren Betriebsausgaben lassen sich bereits aus der Finanzbuchhaltung gewinnen.
Das FG setzt sich in dem Urteil sehr intensiv und ausführlich mit den Grenzen des Datenzugriffs im Bereich der Kostenstellen auseinander. Es stellt klar, dass eine sachliche Erweiterung der Betriebsprüfung durch den Datenzugriff nicht erfolgt ist. Somit ist auch dem Datenzugriff durch die Betriebsprüfung Grenzen gesetzt. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung hat das FG Revision zugelassen. Es darf mit Spannung erwartet werden, wo der BFH die Grenzen der steuerlich relevanten Daten zieht.
Link zur Entscheidung
FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.06.2006, 1 K 1743/05; Az. des BFH: noch nicht bekannt.