Leitsatz
Auf Grund eines Verzichts auf Pflichtteilsrechte geleistete monatliche Zahlungen stellen eine nach § 22 Nr. 1 S. 2 EStG nicht steuerbare Unterhaltsrente dar. Es handelt sich weder um eine Versorgungsrente noch um Einkünfte aus Kapitalvermögen noch um Einkünfte aus sonstigen Leistungen nach § 22 Nr. 3 EStG.
Sachverhalt
Die ledige Klägerin ist seh- und körperbehindert und leidet an starken Allergien und Asthma. Sie hat keine Berufsausbildung abgeschlossen. Mit notariellem Vertrag verzichtete sie auf ihre Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche beim Tod ihrer Eltern, nicht aber auf das gesetzliche Erbrecht. Als Gegenleistung hierfür erhielt sie eine Einmalzahlung und eine monatliche, an die Beamtenversorgung angelehnte Zahlung. Das FA unterwarf die Einmalzahlung und den Kapitalwert der lebenslangen monatlichen Zahlungen der Schenkungssteuer.
In ihrer Einkommensteuererklärung gab die Kl. lediglich ihre Einkünfte aus Kapitalvermögen an. Nachdem das FA später Kenntnis von der notariellen Vereinbarung erhielt, änderte es den bestandskräftig gewordenen Einkommensteuerbescheid nach § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO ab und beurteilte die monatlichen Zahlungen als steuerpflichtige Rente nach § 22 Nr. 1 S. 3 EStG.
Entscheidung
Die Klage ist begründet. Es handelt sich bei den monatlichen Zahlungen um eine nach § 22 Nr. 1 S. 1 EStG nicht steuerbare Unterhaltsrente.
Die Zahlung der Leibrente an die Kl. beruht auf einer freiwillig eingegangen Verpflichtung ihrer unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Eltern und dient in erster Linie dem Unterhalt. Der Pflichtteilsanspruch ist mit großer Wahrscheinlichkeit höher als der Wert der Gegenleistung für den Verzicht. Es liegen daher weder steuerbare wiederkehrende Leistungen vor noch bei den Eltern abzugsfähige Sonderausgaben, §§ 12 Nr. 2, 22 Nr. 1 S. 2 EStG.
Ebensowenig handelt es sich um eine Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen, da die Eltern weder ihre Unternehmen noch andere existenzsichernde Wirtschaftseinheiten übertragen haben. Die Eltern, deren Unternehmensnachfolge noch ungeregelt ist, erwirtschaften sämtliche Erträgnisse nach wie vor selbst.
Die monatlichen Rentenzahlungen sind auch keine Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Nach der Rspr. des VIII. Senates des BFH liegt regelmäßig kein entgeltliches Geschäft vor, wenn die Hingabe des Pflichtteilsanspruchs für die rentenmäßige Abfindung nur die Aufgabe einer ungesicherten Erwerbschance bedeutet, die vor Eintritt des Erbfalls weder übertrag- noch pfändbar ist. Zudem fehlt es hier an der Überlassung einer Kapitalforderung, deren Einnahmen genutzt werden. Die Kl. hat keinen Vermögensgegenstand erhalten, den sie veräußern und dessen Kaufpreis sie verrenten könnte.
Die Kl. hat auch keine sonstige Leistung i.S.d. § 22 Nr. 3 EStG erbracht, da sie endgültig auf ihre Chance, einen Pflichtteilsanspruch zu erlangen, verzichtet hat. Da die Rechtsposition nicht in ihrer Substanz erhalten geblieben ist, liegt ein nicht steuerbarer Vermögensabfluss vor.
Link zur Entscheidung
FG Nürnberg, Urteil vom 04.04.2006, I 370/2004