Leitsatz
Die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Begünstigungszeitraums und das Überschreiten des gesetzlichen Grenzbetrags sind in zwei Schritten unabhängig voneinander zu prüfen. Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit durch das Kind führt, unabhängig von der Höhe der eigenen Einkünfte und Bezüge, nicht zur Annahme von Kürzungsmonaten.
Sachverhalt
Die Steuerpflichtige erhielt für ihren Sohn Kindergeld für 2005. Im März 2005 legte der Sohn sein Examen ab und begann ein Promotionsstudium. Zur Finanzierung dieser weiteren Ausbildung nahm er eine Teilzeitstelle an der Universität an. Nachdem die Steuerpflichtige der Familienkasse den Sachverhalt angezeigt und um Einstellung der Kindergeldzahlungen ab 1.4.2005 gebeten hatte, hat die Familienkasse das Kindergeld für das ganze Jahr 2005 aufgehoben, da der Sohn ganzjährig in Ausbildung gewesen sei und die Einkünfte und Bezüge den Grenzbetrag überschritten hätten. Die Steuerpflichtige macht geltend, dass ihr Kindergeld bis zum 31.3.2005 zustehe, weil in diesem Zeitraum der anteilige Jahresgrenzbetrag nicht überschritten sei. Danach hätten die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Nr. 2a (Berufsausbildung) nicht mehr vorgelegen, da der Sohn sich nicht ernsthaft und nachhaltig auf das Doktorexamen hätte vorbereiten können.
Nach Auffassung des FG ist zunächst zu prüfen, ob ein Tatbestand nach § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG gegeben ist. Erst dann ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob die eigenen Einkünfte und Bezüge des Jahresgrenzbetrag überschreiten. Hier kommt das FG zu dem Ergebnis, dass der Sohn sich im ganzen Jahr 2005 in Berufsausbildung befunden hat, weil er im Anschluss an das Studium tatsächlich an dem Promotionsthema gearbeitet, Fortschritte erzielt und sich regelmäßig mit seinem Doktorvater ausgetauscht hat. Da Kürzungsmonate nach § 32 Abs. 4 Satz 7 EStG nicht zu beachten sind, und die 2005 erzielten Einkünfte und Bezüge den Grenzbetrag von 7680 EUR überschreiten, liegen die Voraussetzungen für die Gewährung des Kindergeldes für das ganze Jahr 2005 nicht vor.
Hinweis
Da gegen das Urteil Revision eingelegt wurde muss sich der BFH erneut mit der Frage Vollzeiterwerbstätigkeit und Berufsausbildung beschäftigen. Die neue Rechtsprechung des BFH (Urteil v. 16.11.2006, III R 15/06) ist nicht eindeutig. So ist nicht geklärt, ob jede Vollzeittätigkeit den Begünstigungstatbestand ausschließt oder ob es darauf ankommt, ob die daraus erzielten Einkünfte unterhalb oder oberhalb des Jahresgrenzbetrags liegen. Es ist m.E. eine Günstigerprüfung vorzunehmen, bei der festgestellt werden muss, ob der anteilige Jahresgrenzbetrag für die Zeiträume vor und nach Beginn der Erwerbstätigkeit überschritten ist.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Urteil vom 29.01.2008, 12 K 69/06; Az. des BFH: III R 29/08.