Leitsatz
Ein Arbeitnehmer, der nachweislich berufsbedingt unter Mobbing leidet, kann Beiträge zu einer Anti-Mobbing-Selbsthilfegruppe sowie Aufwendungen für Fahrten mit dem Pkw zu Sitzungen solcher Selbsthilfegruppen nach Dienstreisegrundsätzen als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit absetzen. Dem steht das Abzugsverbot des § 12 EStG nicht entgegen.
Kommentar
Sachverhalt
Ein Beamter im höheren technischen Verwaltungsdienst einer Stadt wurde infolge von Umstrukturierungsmaßnahmen auf eine neue Position mit geändertem Aufgabenbereich versetzt. Er klagte darauf auf angemessene Beschäftigung. Im Jahr 2000 ließ die Stadt die Dienstfähigkeit des Beamten amtsärztlich untersuchen, allerdings ohne einen Befund, der dessen Eignung als Amtsleiter infrage gestellt hätte. Weiter stritten die Parteien über den Inhalt von Personalakten. Schließlich verklagte der Beamte die Stadt wegen fortgesetzter Verletzung seines Persönlichkeitsrechts auf Schadensersatz.
In seiner Einkommensteuererklärung machte der Beamte den Beitrag zu einer Anti-Mobbing-Selbsthilfegruppe von 24 DM sowie Aufwendungen für Fahrten zu Rechtsanwälten, zum Landgericht, zu zwei Selbsthilfegruppen in 110 km bzw. 210 km entfernt liegenden Orten und zwei Tagungen von insgesamt 5.104 km als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt lehnte den Abzug des Beitrags und der Kosten für insgesamt 24 Fahrten zu den Selbsthilfegruppen sowie zu einer Tagung ab, da diese sowohl die private Lebensführung als auch die Einkünfteerzielung beträfen, somit nach § 12 Satz 1 Nr. 2 EStG vom Werbungskostenabzug ausgenommen seien.
Entscheidung
Das Finanzgericht erkannte lediglich die Kosten für die Fahrten zu den Tagungen, die sich allgemeinpolitischen Fragen des Mobbings widmeten, nicht an. Es räumt zwar ein, dass die zum Teil von Fachleuten geleiteten Sitzungen der beiden Selbsthilfegruppen auch zur Bewältigung privater Probleme beitragen können, sieht den Besuch der Selbsthilfegruppen aber angesichts der Arbeitssituation als weitaus überwiegend beruflich veranlasst an. Der Beamte habe die Sitzungen besucht, um sein Dienstverhältnis trotz der damit verbundenen Belastung fortführen zu können. Hierfür spricht auch, dass sämtliche Teilnehmer der Gruppenabende unter beruflichem Mobbing litten, die Gespräche also der Bewältigung beruflicher Probleme dienten. Dass die Teilnehmer nicht der selben Berufsgruppe angehörten, sei bedeutungslos.
Betroffenen ist in einer vergleichbaren Situation zu empfehlen, zunächst Nachweise dafür zu sammeln, dass sie gemobbt werden. Dazu sind z. B. ärztliche Gutachten, Schriftsätze von Rechtsanwälten und Bescheinigungen von Betriebsräten geeignet. Weiterhin ist der Besuch von Selbsthilfegruppen zumindest glaubhaft zu machen. Dazu gehören die Schilderung solcher Treffen – unter Wahrung der Anonymität der Teilnehmer – und die Vorlage von Informationsmaterial der Selbsthilfegruppe, außerdem eine Aufstellung der Termine der Sitzungen und der damit verbundenen Fahrten. Es können auch Rechtsberatungs- und Gerichtskosten infolge von Mobbing abgesetzt werden.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Urteil vom 08.06.2006, 14 K 57/03, Rev. eingelegt, Az. des BFH: VI B 92/06.