1 Allgemeines
Art. 16 OECD-MA: Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen
Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen und ähnliche Zahlungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person in ihrer Eigenschaft als Mitglied des Aufsichts- oder Verwaltungsrats einer Gesellschaft bezieht, die im anderen Vertragsstaat ansässig ist, können im anderen Staat besteuert werden.
Zur Aufteilung von Besteuerungsrechten bei grenzüberschreitenden Sachverhalten hat die Bundesrepublik Deutschland bilaterale Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, sog. Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit ca. 100 Nationen abgeschlossen. Bei Zahlungen an im Ausland ansässige Mitglieder eines Aufsichtsrats oder anderer mit der Überwachung der Geschäftsführung von inländischen Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen beauftragten Personen ergibt sich eine Begrenzung des deutschen Besteuerungsrechts aus Art. 16 des OECD-Musterabkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (OECD-MA). Danach steht das Besteuerungsrecht für Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen und ähnliche Zahlungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person in ihrer Eigenschaft als Mitglied des Aufsichts- oder Verwaltungsrats einer Gesellschaft bezieht, die im anderen Vertragsstaat ansässig, dem Staat zu, in dem die Gesellschaft ansässig ist, deren Geschäftsführung überwacht wird.
Beispiel
Die Hauptversammlung einer deutschen AG mit Sitz in München bestellt Frau X, eine Rechtsanwältin, die in den Niederlanden ansässig ist, als Mitglied des Aufsichtsrats für die Dauer von vier Jahren. In ihrer Funktion als Aufsichtsratsmitglied ist Frau X dazu beauftragt, die Arbeit des Vorstands der deutschen AG zu überwachen. Für ihre Tätigkeiten erhält Frau X eine Vergütung i. H. v. 10.000 EUR.
Lösung
Ertragsteuerrechtliche Würdigung
Frau X ist gem. § 1 Abs. 4 EStG i. V. m. § 49 EStG in Deutschland beschränkt steuerpflichtig. Bei den für die Überwachung des Vorstands der deutschen AG gewährten Vergütungen handelt es sich um inländische Einkünfte i. S. d. § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG (i. V. m. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG). Die Einkommensteuer wird gem. § 50a Abs. 1 Nr. 4 EStG (i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG) im Wege des Steuerabzugs erhoben. Der Steuersatz beträgt grundsätzlich 30 % der Einnahmen (§ 50a Abs. 2 Satz 1 EStG) zuzüglich 5,5 % Solidaritätszuschlag darauf.
Abkommensrechtliche Würdigung
Der persönliche Anwendungsbereich des DBA zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande (DBA Niederlande) ist eröffnet, da es sich sowohl bei Frau X als auch bei der deutschen AG um in einem der Vertragsstaaten (hier: Deutschland und Niederlande) ansässige Personen i. S. d. Art. 4 Abs. 1 DBA Niederlande handelt (Art. 1 DBA Niederlande).
Weiterhin ist der sachliche Anwendungsbereich eröffnet: bei der deutschen Einkommen-steuer handelt es sich um eine Steuer, für die gem. Art. 2 Abs. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa DBA Niederlande das Abkommen gilt.
Nach Art. 15 Abs. 1 DBA Niederlande können Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen und sonstige Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person (hier: Niederlande) in ihrer Eigenschaft als Mitglied des Aufsichts- oder Verwaltungsrats einer Gesellschaft bezieht, die im anderen Vertragsstaat ansässig ist (hier: Deutschland), im anderen Staat besteuert werden (hier: Deutschland). Art. 15 DBA Niederlande räumt damit Deutschland das Besteuerungsrecht ein. Zur Vermeidung der Doppelbesteuerung rechnen die Niederlande die deutsche Einkommensteuer an (Art. 22 Abs. 2 DBA Niederlande).
2 Abkommensrechtliche Besonderheiten
2.1 Vereinigte Staaten von Amerika
Entsprechend der Regelung in Art. 16 OECD-MA weisen fast alle zurzeit geltenden DBA das Besteuerungsrecht für Aufsichts- und Verwaltungsratsvergütungen dem Staat zu, in dem die zahlende / überwachte Gesellschaft ansässig ist. Einige DBA entsprechen jedoch nicht dem OECD-MA und beinhalten vereinzelt Abweichungen.
Beispielsweise enthält das DBA zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 04.06.2008 (DBA USA) eine Abweichung zu Art. 16 OECD-MA. Nach Art. 16 DBA USA können Aufsichtsrats- oder Verwaltungsratsvergütungen und ähnliche Zahlungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person für Dienste bezieht, die sie im anderen Vertragsstaat in ihrer Eigenschaft als Mitglied des Aufsichts- oder Verwaltungsrats einer im anderen Vertragsstaat ansässigen Gesellschaft leistet, im anderen Vertragsstaat besteuert werden. Entgegen Art. 16 OECD-MA hat der Quellenstaat hiernach kein umfassendes Besteuerungsrecht an den Vergütungen für die Tätigkeit als Aufsichts- oder Verwaltungsrat; er darf nur insoweit besteuern, als der Steuerpflichtige die als Aufsichts- oder Verwaltungsrat tatsächlich im Quellenstaat ausübt.
2.2 Republik Frankreich
Hinsichtlich der Zuweisung des Besteuerungsrechts für Aufsichts- und Verwaltungsratsvergütungen weicht das DBA zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik vom 21.07.1959 (DBA Frankreich) ebenfalls von Art. 16 OE...