Rz. 106

Nach S. 5 gelten Gewinnausschüttungen der optierenden Gesellschaft erst dann den Gesellschaftern als zugeflossen, wenn sie entnommen werden oder wenn ihre Auszahlung verlangt werden kann. Erst in diesem Zeitpunkt hat der Gesellschafter Einkünfte aus Kapitalvermögen zu versteuern. Auch entsteht erst in diesem Zeitpunkt KESt. Die Einkünfte der optierenden Gesellschaft werden den Gesellschaftern also nicht mehr im Wege der transparenten Besteuerung unmittelbar zugerechnet. Der im Gesetz verwendete Ausdruck der Ausschüttung bezieht sich auf eine fiktive Ausschüttung, da die Gesellschaft zivilrechtlich eine Personengesellschaft bleibt, bei der es keine Ausschüttungen gibt, sondern nur Entnahmen. Es sind also die Regeln einer fiktiven Gewinnausschüttung anzuwenden, nicht mehr die Regeln über die Entnahme. Die fiktive Gewinnausschüttung unterliegt der KESt nach §§ 43ff. EStG. Problematisch ist der Zeitpunkt der Gewinnausschüttung. Bei realen Kapitalgesellschaften gilt der Grundsatz, dass beherrschende Gesellschafter die Gewinnausschüttung als Einnahmen aus Kapitalvermögen zu versteuern haben, wenn es nur an ihnen liegt, den Anspruch auf die Gewinnausschüttung zu realisieren. Es wird daher ein Zufluss in dem Zeitpunkt der Fassung des Gewinnverwendungsbeschlusses angenommen, wenn der Anspruch auf die Gewinnausschüttung entstanden, unbestritten, fällig und die Kapitalgesellschaft zahlungsfähig ist.[1]

Für die fiktive Ausschüttung der optierenden Gesellschaft bezieht sich Abs. 3 S. 5 auf diese Regelung, indem Zufluss angenommen wird, wenn der beherrschende oder nicht beherrschende Gesellschafter die Auszahlung "verlangen kann". Zufluss liegt daher, außer bei einer realen Entnahme, vor, wenn der Gewinnanteil auf einem Privat- oder Darlehenskonto der optierenden Gesellschaft gutgeschrieben wird. Ein Zufluss kann daher nur vermieden werden, wenn der Gewinn dem Eigenkapital zugeschlagen, etwa in Rücklagen eingestellt wird.[2]

 

Rz. 107

Im Fall der Option zur KSt bereitet diese Bestimmung des Zuflusszeitpunkts Probleme. Eindeutig ist nur, dass ein Zufluss vorliegt, wenn der Gesellschafter seinen Gewinnanteil entnimmt (Abs. 3 S. 5 Altern. 1). Unklar ist aber, wann ein Zufluss auch ohne reale Entnahme vorliegen kann. Es gibt keinen Gewinnverwendungsbeschluss, dessen Fassung zur Bestimmung der Fälligkeit der Gewinnausschüttung herangezogen werden könnte. Zwar können die Gesellschafter einen solchen Beschluss fassen, müssen es aber nicht. Abstellen kann man auf das Entnahmerecht nach dem Gesellschaftsvertrag. Da die Gesellschafter aber, unabhängig von der Höhe ihrer Beteiligung, ihren Gewinnanteil regelmäßig entnehmen können, es also nur an ihnen liegt, sich den Gewinnanteil auszahlen zu lassen, würde die Anwendung der Regelung über die beherrschenden Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft zum sofortigen Zufluss des gesamten Gewinnanteils führen, auch wenn dieser tatsächlich nicht entnommen wird. Das würde auch für nicht beherrschende Gesellschafter gelten, weil auch diese die Auszahlung verlangen können. Im Ergebnis würde es statt der gewollten intransparenten Besteuerung bei der transparenten Besteuerung der Gesellschafter verbleiben, wobei erschwerend die KESt-Belastung hinzukäme. Das Gesetz beschränkt diese Folge jedoch auf den Fall, dass die Auszahlung "verlangt werden kann". Damit soll den Gesellschaftern die Thesaurierung von Gewinnen ermöglicht werden.[3] M. E. muss den Gesellschaftern gestattet werden, einen dem Gewinnverwendungsbeschluss ähnlichen Beschluss zu fassen, aus dem sich der entnahmefähige und der zu thesaurierende Teil des Gewinns ergibt. Zufluss läge dann nur bei dem entnahmefähigen Gewinn vor. Entsprechend kann auch auf das im Gesellschaftsvertrag enthaltene Entnahmerecht abgestellt werden. Gesellschaftsvertragliche Entnahmebeschränkungen schließen damit den Zufluss aus. Man könnte auch an die tatsächlichen Buchungen in der Gesellschaft anknüpfen, also neben dem tatsächlich entnommenen Gewinn nur denjenigen Gewinnanteil als zugeflossen ansehen, der auf Privat- oder Darlehenskonto gebucht worden ist. Entnahmen aus diesen Konten dürfen dann aber nicht nochmals zum Zufluss von Kapitalerträgen führen.

[2] Hierzu Schiffers/Jacobsen, DStZ 2021, 348, 354f.
[3] BR-Drs. 244/21, 21.

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