Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 127
Zu einer Rückkehr zur transparenten Besteuerung führt auch das Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters aus der Gesellschaft. Die fiktive Kapitalgesellschaft kann keine Ein-Mann-Gesellschaft sein. Soll diese Wirkung bei Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters vermieden werden, ist vor diesem Ausscheiden die Gesellschaft durch Eintritt einer GmbH in eine GmbH & Co. zu verwandeln. Im Einzelnen unterscheidet die gesetzliche Regelung danach, ob der verbleibende Gesellschafter die Voraussetzungen eines übernehmenden Rechtsträgers bei einer Umwandlung einer Kapitalgesellschaft nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 4 UmwStG erfüllt, oder ob das nicht der Fall ist. Im ersten Fall wird der Vorgang als Verschmelzung auf den verbleibenden Gesellschafter behandelt, im zweiten Fall als Liquidation der Gesellschaft entsprechend § 11 KStG. In beiden Fällen gilt die Gesellschaft als aufgelöst.
Rz. 128
Als Grundsatz bestimmt Abs. 4 S. 5, dass die fiktive Kapitalgesellschaft unmittelbar nach dem Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters als aufgelöst gilt. Die Auflösung hat selbst noch keine steuerlichen Rechtsfolgen. Diese ergeben sich erst aus der daran anschließenden fiktiven Verschmelzung nach S. 5 oder der fiktiven Liquidation nach S. 6. Hält die optierende Gesellschaft Grundstücke, unterliegt der Vorgang nach § 6 Abs. 2 S. 2, Abs. 1 S. 2 GrESt nicht der GrESt, soweit der verbleibende Gesellschafter an der Mitunternehmerschaft beteiligt ist. In Höhe der Beteiligungsquote des oder der ausscheidenden Gesellschafter entsteht GrESt. Die Ausnahmevorschrift des § 6 Abs. 4 GrEStG ist zu beachten.
Rz. 129
Der verbleibende Gesellschafter muss die Voraussetzungen eines übernehmenden Rechtsträgers nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 4 UmwStG erfüllen. Das Gesetz normiert damit nur Voraussetzungen für den verbleibenden Gesellschafter als übernehmenden Rechtsträger, nicht dagegen für die fiktive Kapitalgesellschaft als übertragenden Rechtsträger. In Bezug genommen wird die Umwandlung nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 4 UmwG. Da als Rechtsfolge die einer fiktiven Verschmelzung bzw. einer fiktiven Vermögensübertragung bestimmt sind, kann sich diese Verweisung nur auf die Verschmelzung, § 2 UmwG, und die verschmelzungsähnliche Vermögensübertragung, § 174 Abs. 1 UmwG, gemeint sein. Nicht in Betracht kommt die Spaltung, § 123 UmwG, und die spaltungsähnliche Vermögensübertragung, § 174 Abs. 2 UmwG.
Rz. 130
Ist der verbleibende Gesellschafter eine Körperschaft, enthält § 1 UmwStG keine einschränkenden Bestimmungen. Steuerrechtlich ist also kein Inlands- oder EU-/EWR-Bezug erforderlich. Die bisher in § 1 Abs. 2 UmwStG enthaltene Regelung, die einen solchen Bezug erforderte, ist durch das Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts ersatzlos aufgehoben worden. Der Bezug auf EU-/EWR-Fälle ergibt sich aber aus dem UmwG, auf das § 1 Abs. 1 UmwStG verweist. Der Gesellschafter als übernehmender Rechtsträger muss nach § 1 Abs. 1 UmwG ein Rechtsträger mit Sitz im Inland sein. Durch die Verwendung des Wortes "Sitz" wird deutlich, dass sich diese Regelung nur auf Körperschaften bezieht. Ist also der verbleibende Gesellschafter eine Körperschaft, insbesondere eine Kapitalgesellschaft, muss er seinen Sitz im Inland haben. Ausgedehnt wird diese Regelung durch § 122a UmwG auf Verschmelzungen von Kapitalgesellschaften, die nach dem Recht eines EU- oder EWR-Staates gegründet wurden und die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung bzw. Hauptniederlassung in einen EU- oder EWR-Staat haben. Ist der verbleibende Gesellschafter eine Kapitalgesellschaft, ist S. 5 mit der Anordnung der verschmelzungsähnlichen Folgen daher nur anwendbar, wenn es sich um eine EU- oder EWR-Gesellschaft in diesem Sinne handelt. Handelt es sich um eine Vermögensübertragung i. S. d. § 174 UmwG nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 UmwStG, kommt nur der Fall des § 175 Nr. 2a UmwG in Betracht, nämlich die Vermögensübertragung von einer Versicherungs-Aktiengesellschaft auf einen VVaG.
Rz. 131
Für eine natürliche Person als verbleibenden Gesellschafter gelten keine besonderen Voraussetzungen. § 1 Abs. 1 UmwG ist auf natürliche Personen nicht anwendbar, weil diese keinen "Sitz" haben. Die entsprechende Regelung war steuerlich bisher in § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG enthalten, wonach die natürliche Person Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem EU- oder EWR-Staat haben musste. Nachdem diese Regelung durch das Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts ersatzlos aufgehoben worden ist, bestehen keine persönlichen Voraussetzungen für natürliche Personen mehr. Sie können daher auch in einem Drittstaat ansässig sein.
Rz. 132
In den Fällen, in denen der verbleibende Gesellschafter die in Rz. 129f. genannten Voraussetzungen erfüllt, hat die Auflösung der Gesellschaft durch Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters die Verschmelzung der fiktiven Körperschaft auf eine Körperschaft oder natürliche Person zur Folge. Die steuerlichen Folgen mit der Ermittlung von Übernahmegew...