Entscheidungsstichwort (Thema)
Überquotal übernommene Aufwendungen eines Gesellschafters einer GbR als Werbungskosten des Gesellschafters
Leitsatz (amtlich)
Trägt der Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts deren Werbungskosten über den seiner Beteiligung entsprechenden Anteil hinaus, sind ihm diese Aufwendungen im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung der Gesellschaft ausnahmsweise dann allein zuzurechnen, wenn insoweit weder eine Zuwendung an Mitgesellschafter beabsichtigt ist noch gegen diese ein durchsetzbarer Ausgleichsanspruch besteht (Anschluss an BFH-Urteil vom 5. Februar 1965 VI 234/63 U, BFHE 82, 25, BStBl III 1965, 256). Auf die Kenntnis der Umstände, aus denen sich die fehlende Durchsetzbarkeit des Ausgleichsanspruchs ergibt, kommt es dabei nicht an.
Normenkette
EStG §§ 9, 21 Abs. 1; AO 1977 § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a; BGB §§ 426, 722, 743, 748
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erwarb zusammen mit ihrer Mutter in den Jahren 1983 und 1987 jeweils eine Eigentumswohnung, die anschließend vermietet wurde. Ihr Anteil an beiden Wohnungen betrug 70 v.H., der ihrer Mutter 30 v.H. Die Darlehensverträge für beide Objekte hatten sie und ihre Mutter gemeinsam abgeschlossen.
Die Vermietungstätigkeit übten die Klägerin und ihre Mutter in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) aus, deren Gewinn und Verlust auf die Gesellschafterinnen im Verhältnis ihrer Eigentumsanteile aufzuteilen waren. Nach persönlichen Differenzen zwischen den Gesellschafterinnen kündigte die Klägerin die Gesellschaft zum 31. Dezember 1992, stellte für beide Objekte im Jahre 1993 einen Antrag auf Teilungsversteigerung und erhielt für beide Wohnungen im Streitjahr 1995 den Zuschlag.
Seit Kündigung der Gesellschaft verweigerte die ―nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) im Streitjahr 1995 überschuldete und im Jahre 1999 verstorbene― Mutter eine Beteiligung an den laufenden Aufwendungen für die beiden Mietobjekte; sie wurden insbesondere im Streitjahr allein von der Klägerin getragen.
In der für das Streitjahr abgegebenen Erklärung der GbR über die einheitliche und gesonderte Feststellung ermittelte die Klägerin für die beiden Wohnungen einen Einnahmenüberschuss in Höhe von 3 902 DM und verteilte diesen im Verhältnis 70 : 30 auf die beiden Gesellschafterinnen. Dabei setzte sie bei den Werbungskosten lediglich die Absetzung für Abnutzung (AfA) der Wohnungen an; sämtliche laufenden Aufwendungen (insgesamt: 32 392 DM) ―insbesondere Zinszahlungen― wurden als Sonderwerbungskosten erklärt und bei der Verteilung der Einkünfte allein der Klägerin zugerechnet.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) stellte die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zunächst erklärungsgemäß unter Vorbehalt der Nachprüfung fest. Auf den Einspruch der Mutter der Klägerin teilte er in der Einspruchsentscheidung die Einnahmen und Ausgaben für beide Mietobjekte ―nach Hinzuziehung der Klägerin zum Einspruchsverfahren― im Verhältnis der Beteiligung der Gesellschafterinnen (Klägerin 70 v.H. = ./. 19 943 DM; Mutter 30 v.H. = ./. 8 547 DM) der gesamten Einkünfte auf und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
Die dagegen erhobene Klage wies das FG mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 1606 veröffentlichten Urteil ab.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verfahrensmängel und Verletzung materiellen Rechts.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil des FG aufzuheben und den Feststellungsbescheid des FA für 1995 in Gestalt der Einspruchsentscheidung in der Weise zu ändern, dass ihr unter Ansatz der streitigen Aufwendungen in Höhe von 32 392 DM (= 16 561,77 €) die Einkünfte der GbR in Höhe von ./. 29 661 DM (./. 15 165,43 €) zugerechnet werden.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Es trägt im Wesentlichen vor:
Die tatsächliche Würdigung des FG, die vom Gericht als erforderlich angesehene Kenntnis von der Vermögenslosigkeit ihrer Mutter habe die Klägerin erst 1996 erlangt, sei durchaus möglich. Im Übrigen seien die entsprechenden Ausführungen des FG lediglich Bestandteil seiner Hilfsbegründung und damit nicht entscheidungserheblich.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet; das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
1. Gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO 1977) sind Einkünfte i.S. von § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) einheitlich und gesondert festzustellen, wenn daran mehrere Personen beteiligt und die Einkünfte diesen zuzurechnen sind. Dies ist bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dann der Fall, wenn mehrere Personen gemeinschaftlich ―wie im Streitfall nach den Feststellungen des FG die Klägerin und ihre Mutter in der Rechtsform der GbR― den Tatbestand der Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) verwirklichen und dadurch Einkünfte erzielen (Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 27. Juni 1978 VIII R 168/73, BFHE 125, 532, BStBl II 1978, 674; vom 7. April 1987 IX R 103/85, BFHE 150, 124, BStBl II 1987, 707, mit weiteren Nachweisen).
Hierbei ist grundsätzlich das zivilrechtliche Beteiligungsverhältnis (§ 722 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ―BGB―) auch Maßstab für die anteilige steuerrechtliche Zurechnung der Einkünfte, solange die Miteigentümer keine abweichende, auch steuerrechtlich zu berücksichtigende Vereinbarung getroffen haben (vgl. BFH-Urteile vom 5. Februar 1965 VI 234/63 U, BFHE 82, 25, BStBl III 1965, 256; vom 31. März 1992 IX R 245/87, BFHE 168, 248, BStBl II 1992, 890; vom 11. Mai 1993 IX R 124/89, BFH/NV 1994, 25; vom 17. Dezember 2002 IX R 11/99, BFH/NV 2003, 748).
Übernimmt aber einer von mehreren Miteigentümern ―ohne ausdrückliche Vereinbarung― einen höheren Anteil an den Kosten für die Unterhaltung des gemeinschaftlichen Vermietungsobjekts, so kann der Grundsatz der anteiligen steuerrechtlichen Zurechnung der Einkünfte unter bestimmten Voraussetzungen eine Einschränkung erfahren:
Zunächst setzt eine von dem quotalen Maßstab abweichende Zurechnung voraus, dass mit der überquotalen Kostentragung ―wie auch im Streitfall― keine Zuwendung ―z.B. im familiären Bereich― an die anderen Miteigentümer beabsichtigt ist.
Ferner darf sich die den Miteigentumsanteil übersteigende Übernahme der Aufwendungen nicht lediglich als eine vorläufige Kostentragung des Miteigentümers darstellen, die dieser gegenüber den anderen Miteigentümern im Wege einer Kreditgewährung übernimmt. Hiervon ist aber z.B. dann auszugehen, wenn die Erfüllung des Ausgleichsanspruchs, der dem überquotal (vor-)leistenden Mitgesellschafter gegen die anderen Gesellschafter gemäß § 426 BGB zusteht, bis zu einem späteren Zeitpunkt (beispielsweise der Veräußerung des Objekts) hinausgeschoben wird; in diesem Fall bleibt der Ausgleichsanspruch des überquotal leistenden Mitgesellschafters unberührt, so dass es bei der Ermittlung des Gewinns der Gesellschaft und dessen Verteilung regelmäßig unberücksichtigt bleiben kann, welcher der Gesellschafter jeweils Aufwendungen für die Gesellschaft getragen hat (vgl. BFH-Urteil vom 30. Juni 1999 IX R 83/95, BFHE 190, 82).
Anders liegt es aber nach der Rechtsprechung des BFH, wenn der Leistende von vornherein keinen Anspruch auf Ersatz gegen seine Miteigentümer hat oder diese ihm tatsächlich später keinen Ersatz leisten, der zahlende Miteigentümer also mit seinem Ersatzanspruch ausfällt. In diesen Fällen ist es gerechtfertigt, allein dem Leistenden die Kosten als Werbungskosten zuzurechnen; dies gilt grundsätzlich auch für ausfallende Ersatzansprüche gegen nahe Familienangehörige (vgl. BFH-Urteil in BFHE 82, 25, BStBl II 1965, 256; ebenso zum Ausfall von Ausgleichsansprüchen Paus, Die Information über Steuer und Wirtschaft 2002, 235; Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 21 Rz. B 215).
2. Diesen Grundsätzen entspricht das angefochtene Urteil nicht (a). Es ist deshalb aufzuheben, weil es auf diesem Rechtsmangel beruht; denn die Entscheidung erweist sich auch nicht aufgrund der weiteren (Alternativ-)Begründung des FG als materiell- rechtlich richtig (b).
a) Zu Unrecht hat das FG den Abzug der streitigen Aufwendungen bei der Klägerin mit der Begründung abgelehnt, es handele sich nicht um Sonderwerbungskosten, sondern um das Gesellschaftsverhältnis betreffende Aufwendungen. Sie lässt unberücksichtigt, dass die Abziehbarkeit entsprechender Aufwendungen in der Person des leistenden Gesellschafters nicht voraussetzt, dass es sich insoweit um Sonderwerbungskosten (Aufwendungen auf den eigenen Anteil des Gesellschafters) handelt. Vielmehr lässt die Rechtsprechung einen solchen gesellschafterbezogenen Abzug für Werbungskosten ausnahmsweise unter der Voraussetzung zu, dass ein bürgerlich-rechtlicher Ausgleichsanspruch gegen Mitgesellschafter nach § 426 BGB (vgl. dazu Grunewald, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., Tübingen 2000, Rz. 141) tatsächlich nicht durchgesetzt werden kann (vgl. BFH-Urteil in BFHE 82, 25, BStBl II 1965, 256). Entgegen der Ansicht des FG kommt es danach nicht darauf an, dass der leistende Gesellschafter Kenntnis von der konkreten Vermögenssituation des ausgleichspflichtigen Mitgesellschafters hat. Vielmehr stellt der BFH insoweit nur auf die objektive Unmöglichkeit ab, den Ausgleichsanspruch durchzusetzen. Diese lässt sich stets anhand objektiver Umstände belegen oder ggf. ―aus der Sicht des FA― widerlegen.
b) Auch die Alternativbegründung des FG trägt die angefochtene Entscheidung nicht.
Seine Auffassung, "die Vermögenslosigkeit der Mutter" sei "durch deren Tod und die Annahme der Erbschaft durch die Schwester der Klägerin als Alleinerbin überholt", rechtfertigt allein die Klageabweisung nicht.
So kann die Durchsetzbarkeit eines Ausgleichsanspruchs nach § 426 BGB zwischen den Gesellschaftern einer GbR nur nach der Sach- und Rechtslage im Streitzeitraum beurteilt werden. Selbst wenn man in diesem Zeitraum auch eine Prognose hinsichtlich einer Durchsetzbarkeit des Anspruchs in Folgejahren anstellen müsste, könnte der erst im Jahre 1999 eingetretene Tod der Mutter der Klägerin nicht zu den in eine Prognose einzustellenden Umständen gerechnet werden.
3. Die Sache ist spruchreif.
Nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG war die Mutter der Klägerin im Streitjahr 1995 überschuldet. Bei dieser Sachlage ist davon auszugehen, dass der Ausgleichsanspruch der Klägerin gegen die Mutter nicht durchsetzbar war. Die geltend gemachten Aufwendungen sind daher bei der Klägerin als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Fundstellen
Haufe-Index 1311023 |
BFH/NV 2005, 442 |
BStBl II 2005, 454 |
BFHE 2005, 203 |
BFHE 208, 203 |
BB 2005, 420 |
DB 2005, 426 |
DStR 2005, 288 |
DStRE 2005, 304 |
DStZ 2005, 134 |
HFR 2005, 424 |
WPg 2005, 576 |
FR 2005, 540 |
NJW 2005, 2944 |
Inf 2005, 208 |
GStB 2005, 18 |
KFR 2005, 227 |
NWB 2005, 472 |
NWB 2006, 4492 |
EStB 2005, 88 |
NZM 2005, 635 |
StuB 2005, 232 |
ZEV 2005, 362 |
KÖSDI 2005, 14549 |
RdW 2005, 292 |
StBW 2005, 2 |
BBV 2005, 4 |
SJ 2005, 4 |
StB 2005, 121 |
stak 2005, 0 |