Leitsatz (amtlich)
Zur Nichtigkeit von Jahresabschluss und Gewinnverwendungsbe- schluss einer Aktiengesellschaft wegen Überbewertung von Bilanzposten, wenn im Jahresabschluss
a) eine aus einem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit einer Tochtergesellschaft resultierende Verlustausgleichsverpflichtung nur in Höhe des im Jahresabschluss der Tochtergesellschaft festgestellten Jahresfehlbetrages passiviert worden ist, obwohl der Jahresfehlbetrag wegen einer Aktivierung von nicht existierenden Forderungen aus fingierten Rechnungen objektiv zu niedrig ausgewiesen ist;
b) eine Forderung aus dem Verkauf der Anteile der Tochtergesellschaft aktiviert worden ist, obwohl dem Anteilskäufer ein Rücktrittsrecht zustand, mit dessen Ausübung spätestens zum Zeitpunkt der Feststellung des Jahresabschlusses zu rechnen war.
Normenkette
AktG §§ 253, 256 Abs. 5 Nr. 1, § 302; HGB § 252 Abs. 1 Nr. 4
Verfahrensgang
LG Zwickau (Urteil vom 25.08.2004; Aktenzeichen 1 HKO 116/03) |
Tenor
1. Die von ihren Streithelfern zu 1), zu 2) und zu 4) gegen das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Zwickau vom 25.8.2004 - 1 HKO 116/03 - geführte Berufung der Beklagten zu 1) wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte zu 1) trägt im erstinstanzlichen Verfahren ihre außergerichtlichen Kosten sowie jeweils die Hälfte der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten des Klägers. Den Streithelfern zu 1), zu 2) und zu 4) werden jeweils gesamtschuldnerisch die Hälfte der im Berufungsverfahren angefallenen außergerichtlichen Kosten des Klägers sowie 7/8 der im Berufungsrechtszug entstandenen Gerichtskosten auferlegt. Die Streithelfer zu 1), zu 2) und zu 4) haben des Weiteren ihre im Berufungsverfahren angefallenen außergerichtlichen Kosten zu tragen. Sämtlichen Streithelfern fallen die Kosten ihrer jeweiligen erstinstanzlichen Nebenintervention zur Last. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden dem Kläger auferlegt.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 703.526,97 EUR.
Gründe
A. Der Kläger, Verwalter in dem vom AG C. am 1.9.2002 über das Vermögen der Beklagten zu 1) eröffneten Insolvenzverfahren, begehrt, den Jahresabschluss der Beklagten zu 1) zum 31.12.1999 und den Gewinnverwendungsbeschluss der Hauptversammlung der Beklagten zu 1) vom 15.6.2000 als nichtig festzustellen. Dieses Begehren stützt der Kläger auf eine aus seiner Sicht im Jahresabschluss der Beklagten zu 1) zu gering festgestellte Verlustausgleichsverpflichtung ggü. der Tochtergesellschaft SF GmbH und auf die nach seiner Meinung bilanzrechtswidrige Aktivierung einer Kaufpreisforderung von DM 48 Mio. aus der Veräußerung der von der Beklagten zu 1) an der S. M. GmbH gehaltenen Geschäftsanteile.
I. Im Einzelnen:
1. Die Beklagte zu 1) hatte mit der SF GmbH am 16.12.1999 mit wirtschaftlicher Wirkung zum 1.1.1999 einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag geschlossen, aufgrund dessen sie den Jahresfehlbetrag der SF GmbH auszugleichen hatte. Diese Verlustausgleichsverpflichtung der Beklagten zu 1) wurde in der Gewinn- und Verlustrechnung des festgestellten Jahresabschlusses zum 31.12.1999 - korrespondierend mit dem im festgestellten Jahresabschluss 1999 der SF GmbH ausgewiesenen Fehlbetrag - mit 10.838.735,22 DM als "Aufwendungen aus Verlustübernahme" verbucht. In der Bilanz zum 31.12.1999 sind bestehende Verlustausgleichsverpflichtungen ggü. der SF GmbH nicht passiviert. Im Rahmen des Jahresabschlusses 1999 der SF GmbH waren gem. den von der Beklagten zu 1) und der SF GmbH gelegten Rechnungen Ansprüche gegen Unternehmen aus dem Konzernverbund der V. AG über insgesamt 12.798.118 DM berücksichtigt, die nach Darlegung des Klägers nicht bestanden. Ohne eine Aktivierung dieser behaupteten Forderungen hätte sich der Jahresfehlbetrag der SF GmbH auf 23.636.853,22 DM belaufen, so dass nach Meinung des Klägers der Differenzbetrag zu den bereits ausgeglichenen 10.838.735,22 DM, mithin 12.798.118 DM, als Verlustausgleichsverpflichtung in den Jahresabschluss 1999 der Beklagten zu 1) hätte eingehen müssen.
2. Des Weiteren ist aus der Sicht des Klägers im Jahresabschluss 1999 der Beklagten zu 1) eine Kaufpreisforderung aus einem am 23.12.1999 mit der J. AG geschlossenen Vertrag über die Veräußerung der von der Beklagten zu 1) an der SM GmbH gehaltenen Geschäftsanteile zu Unrecht aktiviert. Der Kläger verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass der J. AG in der Vertragsurkunde vom 23.12.1999 ein Rücktrittsrecht gewährt worden sei, mit dessen Ausübung habe gerechnet werden müssen. Sei aber der Bestand der Kaufpreisforderung nicht gesichert gewesen, hätte diese im Jahresabschluss nicht aktiviert werden dürfen.
II. Der vom Aufsichtsrat festgestellte Jahresabschluss der Beklagten zu 1) zum 31.12.1999 wies - ohne Passivierung einer Verlustausgleichsverpflichtung ggü. der SF GmbH und unter Aktivierung einer Kaufpreisforderung von DM 48.000.000 aus der Veräußerung der Geschäftsanteile an der SM GmbH - einen Bilanzgewinn von 5.797.397 DM aus. Auf der Grundlage dieses Jahresabschlusses fasste d...