Leitsatz (amtlich)
Ein Landwirt, der in zulässiger Weise auf Aktivierung seiner Feldbestände verzichtet hat, kann im Falle der Verpachtung seines Betriebes auch von einer Aktivierung der auf Rückgabe seiner Feldbestände gerichteten Sachwertforderung absehen.
Orientierungssatz
1. Das Aktivierungswahlrecht eines Landwirts hinsichtlich seiner Feldbestände beruht auf § 148 AO 1977, Abschn. 131 Abs. 2 Satz 3 EStR (Vereinfachungsregelung, Buchführungserleichterung). Der Landwirt ist bei Betriebsverpachtung ohne erklärte Betriebsaufgabe an das ausgeübte Wahlrecht (hier Nichtaktivierung) gebunden, so daß er auch eine entsprechende Sachwertforderung gegenüber dem Pächter nicht zu aktivieren braucht.
2. Nach ständiger BFH-Rechtsprechung liegt eine Übertragung zumindest des wirtschaftlichen Eigentums auf den Pächter aufgrund einer darlehensähnlichen Vereinbarung vor, wenn der Verpächter dem Pächter eines landwirtschaftlichen Betriebs Umlaufvermögen mit der Verpflichtung überläßt, bei Pachtende einen gleichwertigen Bestand zurückzugeben (sog. eiserne Verpachtung).
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, § 13; AO 1977 § 148; BGB §§ 586, 591; EStR Abschn. 131 Abs. 2 S. 3; BGB § 607
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die bis zum 30.Juni 1976 als Eigentümer einen etwa 23 ha großen landwirtschaftlichen Betrieb gemeinsam bewirtschafteten. Die Kläger waren buchführungspflichtig und ermittelten ihren Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft für das Wirtschaftsjahr vom 1.Juli bis 30.Juni nach § 4 Abs.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Dabei hatten die Kläger auf eine Aktivierung ihres Feldinventars und der stehenden Ernte verzichtet.
Mit Vertrag vom 6.Mai 1976 verpachteten die Kläger den Hof mit Wirkung vom 1.Juli 1976 bis zum 30.Juni 1990 an ihren Sohn, ohne die Betriebsaufgabe zu erklären. Der Pachtvertrag sah u.a. vor, daß das in einer Anlage aufgeführte und bewertete lebende und tote Inventar eisern verpachtet werde und nach Ablauf des Vertrags zu dem der Inventaraufstellung zu entnehmenden Wert zurückzugeben sei. Im übrigen werde auf die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) verwiesen.
Da der Pachtvertrag keine Vereinbarung zur stehenden Ernte enthielt, vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) nach einer Außenprüfung zunächst die Auffassung, die Übergabe des Feldinventars und der stehenden Ernte an den Pächter sei als Entnahme anzusehen, die mit 68 000 DM zu bewerten sei. Dieser Entnahmewert wurde jeweils zur Hälfte den Veranlagungszeiträumen 1975 und 1976 zugerechnet und den geänderten Bescheiden über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte 1975 und 1976 zugrunde gelegt.
Der dagegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg. Im anschließenden Klageverfahren vertrat das FA die Auffassung, bei einer eisernen Verpachtung sei die das Feldinventar betreffende Rückgabeforderung zu aktivieren. Dies ergebe sich aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16.November 1978 IV R 160/74 (BFHE 126, 429, BStBl II 1979, 138), wonach der Pächter den Wert des Feldinventars und der stehenden Ernte zu aktivieren und die entsprechende Rückgabeverpflichtung zu passivieren habe.
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, im Zuge der Betriebsverpachtung sei die Übergabe des Feldinventars weder als Entnahme zu werten noch sei eine Rückgabeforderung zu aktivieren.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage gegen die Bescheide über die
gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Land- und
Forstwirtschaft 1975 und 1976 abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Mit der Vorentscheidung geht der Senat davon aus, daß die Kläger auf Aktivierung einer Rückgabeforderung aus der Überlassung ihrer Feldbestände im Zuge der Verpachtung ihres landwirtschaftlichen Betriebes verzichten konnten, nachdem sie zuvor das ihnen eingeräumte Bilanzierungswahlrecht für Feldinventar und stehende Ernte in Anspruch genommen und sich stets für die Nichtaktivierung der Feldbestände entschieden hatten.
1. a) Überläßt der Verpächter dem Pächter eines landwirtschaftlichen Betriebes neben dem Anlagevermögen auch Umlaufvermögen mit der Verpflichtung, bei Pachtende einen gleichwertigen Bestand zurückzugeben (sog. eiserne Verpachtung), so hat der BFH diesen Vorgang in ständiger Rechtsprechung als Übertragung zumindest des wirtschaftlichen Eigentums auf den Pächter aufgrund einer darlehensähnlichen Vereinbarung beurteilt (Urteile vom 2.November 1965 I 51/61 S, BFHE 84, 171, BStBl III 1966, 61; vom 30.November 1965 I 70/60 S, BFHE 84, 138, BStBl III 1966, 51; vom 5.Mai 1976 I R 166/74, BFHE 119, 478, BStBl II 1976, 717; vom 16.November 1978 IV R 160/74, BFHE 126, 429, BStBl II 1979, 138, und vom 6.Dezember 1984 IV R 212/82, BFHE 143, 233, BStBl II 1985, 391). Dabei folgt der darlehensartige Charakter einer solchen Vereinbarung aus der Überlassung des Umlaufvermögens zum Verbrauch durch den Pächter und dessen Verpflichtung zur Rückgabe gleichartiger und gleichwertiger Wirtschaftsgüter (§ 607 BGB).
b) Die dem Pächter aufgrund des Pachtvertrages überlassenen Feldbestände (Feldinventar und stehende Ernte) gehörten zum Umlaufvermögen des verpachteten Betriebes. Nach der Rechtsprechung des BFH handelt es sich dabei, abweichend vom Zivilrecht, steuerrechtlich nicht um Bestandteile des Grund und Bodens, sondern um selbständige, bewertungsfähige Wirtschaftsgüter (vgl. Urteile vom 14.März 1961 I 17/60 S, BFHE 73, 359, BStBl III 1961, 398, und in BFHE 126, 429, BStBl II 1979, 138), die dem Pächter als wirtschaftlichem Eigentümer zuzurechnen sind und die er zu aktivieren hat, wenn er nicht seinerseits von seinem Aktivierungswahlrecht Gebrauch macht. Dem Verpächter steht demgegenüber ein Rückgabeanspruch zu, der nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung in aller Regel ebenfalls zu aktivieren ist.
c) Die die eiserne Verpachtung betreffenden Bestimmungen des Pachtvertrages beziehen sich im Streitfall zwar nicht ausdrücklich auf das Feldinventar und die stehende Ernte, die im übrigen auch nicht in der als Anlage dem Pachtvertrag beigefügten "Inventaraufstellung" verzeichnet sind. Der zivilrechtliche Inventarbegriff umfaßt jedoch grundsätzlich auch die Feldbestände (Emmerich in Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 12.Aufl., 1982, Vorbem.5 zu §§ 586 bis 590), so daß insbesondere Aussaat und Dünger ebenso wie die noch nicht abgeernteten Früchte zum Inventar i.S. des § 586 BGB zählen (Urteil des Oberlandesgerichts --OLG-- Celle vom 16.Oktober 1958 7 U 31/58, Recht der Landwirtschaft --RdL-- 1960, 209, 211).
In Pachtverträgen über landwirtschaftliche Betriebe pflegen die Beteiligten das tote Inventar zwar häufig in zwei Gruppen einzuteilen und das Feld- und Wieseninventar von dem übrigen toten Inventar zu trennen; diese Unterscheidung erweist sich jedoch nur dann als sinnvoll, wenn nach dem Pachtvertrag für beide Inventargruppen unterschiedliche Rechtsfolgen gelten sollen, sei es, daß ein Teil des Inventars veräußert, der andere Teil jedoch eisern verpachtet werden soll (vgl. OLG-Urteil in RdL 1960, 210). Nach den Feststellungen des FG, an die der Senat gebunden ist, ergeben sich aus dem Pachtvertrag keine Anhaltspunkte dafür, daß eine solche unterschiedliche Behandlung der Feldbestände und des übrigen toten Inventars von den Beteiligten beabsichtigt war. Die Vorentscheidung ist daher zutreffend davon ausgegangen, daß die Feldbestände, entgegen der bis zum Klageverfahren vertretenen Ansicht des FA, dem Pächter auch nicht im Wege einer Schenkung überlassen worden sind und daß aus diesem Grunde eine Entnahme dieser Wirtschaftsgüter im Zeitpunkt der Verpachtung ausscheidet.
d) Selbst wenn man jedoch mit der Vorinstanz das Feldinventar und die stehende Ernte von dem sonstigen toten Inventar unterschiede, wäre die Überlassung dieser Feldbestände bei Verpachtung im Streitfall ebenso wie im Falle einer eisernen Verpachtung als darlehensähnlicher Vorgang zu werten. Wie die Vorentscheidung zutreffend ausgeführt hat, wären in diesem Falle nach dem Pachtvertrag die Bestimmungen des BGB und damit § 591 BGB anzuwenden. Nach dieser Vorschrift ist der Pächter eines landwirtschaftlichen Grundstücks verpflichtet, das Grundstück nach Beendigung der Pacht in dem Zustande zurückzugewähren, der sich bei einer während der Pachtzeit bis zur Rückgewähr fortgesetzten ordnungsmäßigen Bewirtschaftung ergibt (§ 591 Satz 1 BGB); nach § 591 Satz 2 BGB gilt dies insbesondere auch für die Bestellung, d.h. für das Feldinventar (Sonnenschein in Staudinger, a.a.O., § 591 Anm.2). Auch nach § 591 BGB stehen dem Verpächter daher die Feldbestände betreffende Rückgewähransprüche und gegebenenfalls Schadensersatzforderungen gegen den Pächter des landwirtschaftlichen Betriebes zu, die er in seiner im Zeitpunkt der Verpachtung aufzustellenden Bilanz zu dem Wert aktivieren muß, der dem jeweiligen Aktivposten für die übergebenen Feldbestände entspricht (vgl. BFH-Urteile vom 13.Januar 1959 I 44/57 U, BFHE 68, 515, BStBl III 1959, 197; in BFHE 119, 478, BStBl II 1976, 717, und in BFHE 143, 233, BStBl II 1985, 391, m.w.N.).
2. a) Wie der BFH in seinem Urteil in BFHE 143, 233, BStBl II 1985, 391 entschieden hat, setzt die Aktivierung einer auf Rückgabe überlassenen Umlaufvermögens gerichteten Sachwertforderung jedoch voraus, daß der Verpächter dieses Umlaufvermögen vor der Verpachtung auch tatsächlich aktiviert und nicht von einem auf Nichtaktivierung gerichteten Wahlrecht Gebrauch gemacht hat. Aus der Bindung an ein einmal ausgeübtes Wahlrecht hat der BFH in diesem Falle gefolgert, daß ein Verpächter dann auf Aktivierung einer Sachwertforderung verzichten kann, wenn er zuvor auch das Umlaufvermögen, dessen Überlassung zur Entstehung der Sachwertforderung geführt hat, in zulässiger Weise nicht aktiviert hat.
b) An diesen, zur Buchführungserleichterung bei selbstgeschaffenen Vorräten entwickelten Grundsätzen hält der Senat auch im Streitfall fest. Unter der Voraussetzung, daß es sich um einen landwirtschaftlichen Betrieb mit jährlicher Fruchtfolge handelte, konnten die Kläger vor der Verpachtung ihres Hofes von der Aktivierung ihrer Feldbestände (Feldinventar und stehende Ernte) absehen. Diese auf § 148 der Abgabenordnung (AO 1977) beruhende Vereinfachungsregelung ist ebenso wie die zum selbstgeschaffenen Vorratsvermögen ergangene Buchführungserleichterung (Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 15.Dezember 1981, BStBl I 1981, 878, 880 zu 3.1.3.) von der Finanzverwaltung in Abschn.131 Abs.2 Satz 3 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) unter der Annahme zugelassen worden, daß die Nichtbilanzierung durch die annähernd gleichbleibende Höhe der anzusetzenden Beträge zu Beginn und am Ende eines Wirtschaftsjahres ohne Gewinnauswirkung bleibt (BFHE 126, 429, 435, BStBl II 1979, 138, 141; BFHE 143, 233, BStBl II 1985, 391). Wie die Vorentscheidung zutreffend dargelegt hat, führt das durch Abschn.131 Abs.2 Satz 3 EStR eingeräumte Aktivierungswahlrecht allenfalls zu geringfügigen Gewinnverlagerungen, die wegen ihres neutralisierenden Wiederholungseffektes ohne Einfluß auf den gesamten über eine längere Periode erzielten Gewinn (Totalgewinn) aus der Führung eines landwirtschaftlichen Betriebes bleiben.
3. a) Demgegenüber würde die vom FA geforderte Aktivierung einer Sachwertforderung im Zeitpunkt der Verpachtung dem auch § 148 AO 1977 zu entnehmenden Zweck der Vereinfachungsregelung widersprechen, wonach auch bei Einräumung einer Buchführungserleichterung eine periodengerechte Gewinnermittlung gewährleistet sein muß. Die Aktivierung einer Sachwertforderung nämlich würde zu einer Besteuerung stiller Reserven führen, die nach dem erkennbaren Ziel der Vereinfachungsregelung erst bei Verwirklichung eines Gewinnrealisierungstatbestandes, der Veräußerung der Ernte, zu erfassen wären. Die Verpachtung des landwirtschaftlichen Betriebes kann nicht zu einer Aufdeckung dieser stillen Reserven führen, wenn der Land- und Forstwirt --wie im Streitfall die Kläger-- darauf verzichtet hat, die Betriebsaufgabe zu erklären, und die durch das einmal ausgeübte Wahlrecht entstandenen stillen Reserven --wie das FA selbst einräumt-- nicht endgültig der Besteuerung entzogen werden.
b) Nach alledem geht es im Streitfall nicht um eine entsprechende Anwendung des in Abschn.131 Abs.2 Satz 3 EStR enthaltenen Aktivierungswahlrechts auf die bei Verpachtung entstandene Sachwertforderung und damit um die erneute Ausübung eines solchen Wahlrechts, sondern wie der Senat in seiner Entscheidung in BFHE 143, 223, BStBl II 1985, 391 ausgeführt hat, allein um die Frage, für welchen Zeitraum der Land- und Forstwirt an ein einmal ausgeübtes Wahlrecht gebunden ist. Entgegen der Auffassung des FA hat die Vorinstanz daher mit Stattgabe der Klage nicht erneut eine eigene Billigkeitsmaßnahme getroffen, die nach § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO) unzulässig wäre, sondern lediglich die Rechtsfolgen aus der einmal von den Klägern in Anspruch genommenen Vereinfachungsregelung bestätigt.
Fundstellen
Haufe-Index 61183 |
BStBl II 1986, 399 |
BFHE 146, 72 |
BFHE 1986, 72 |
DB 1986, 1754-1755 (ST) |
DStR 1986, 336-336 (S) |
HFR 1986, 289-290 (ST) |