Bilanzielle Beurteilung von Pfandgeldern
Praxis-Hinweis: Wahlrecht – Beibehaltung einer Rückstellung oder Auflösung bis 2029
Am 09.01.2013 (I R 33/11, BStBl. II 2019, S. 150) hat der BFH entschieden, wie bilanzsteuerrechtlich hinsichtlich der Beurteilung vereinnahmter und verauslagter Pfandgelder zu verfahren ist. Die Entscheidung ist dabei im Einzelnen recht komplex. Sie widerspricht dabei insbesondere im Hinblick auf bestimmte Arten von Leergut der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung.
Die Finanzverwaltung hat sich die Auffassung des BFH mit Schreiben vom 19.2.2019 (ZV C 6 – S 2133/13/10002, BStBl. I 2019, S. 210) zunächst in vollem Umfang zu eigen gemacht und die vorherige Auffassung der Finanzverwaltung widerrufen. Das BMF-Schreiben (BMF, Schreiben v. 8.12.2020, IV C 6 – S 2133/19/10002:013) eröffnet dabei nunmehr doch die Möglichkeit, weiterhin wie bisher, also abweichend von der Auffassung des BFH, zu verfahren.
Etwaige Rückstellungen, die nach der alten Auffassung der Finanzverwaltung für die Verpflichtung zur Rückgabe von Pfandgeld zu bilden waren, können damit beibehalten werden. Sofern der Steuerpflichtige die Rückstellung nicht beibehält, besteht für ihn zudem die Möglichkeit, diese Rückstellung auf einen Zeitraum bis spätestens 31.12.2029 zu verteilen. Der steuerpflichtige Ertrag aus der Auflösung der Rückstellung kommt somit nicht zusammengeballt in einem Jahr. Diese Rückstellung ist also maximal bis Ende 2029 aufzulösen, wobei mindestens 1/10 des jeweiligen Betrages im Zeitraum 2020 bis 2029 aufzulösen ist. An die Wahlrechtausübung ist der Steuerpflichtige allerdings dann gebunden.
Auch kann das Wahlrecht nur einheitlich für den gesamten Betrieb ausgeübt werden. Wer über einen wesentlichen Bestand an Leergut verfügt – dies werden vor allem Getränkehersteller, aber auch Getränkehändler sein – sollte überprüfen, ob es sich im jeweiligen Einzelfall lohnt, von den Regelung des BMF-Schreibens Gebrauch zu machen.
Gesetzliche Grundlagen
Die steuerrechtliche Behandlung von Pfandgeldern ist nicht explizit geregelt. Allerdings hat der BFH in seinem Urteil vom 9.1.2013, welches allerdings erst im Jahr 2019 im Bundessteuerblatt veröffentlicht wurde, hierzu ausführlich Stellung genommen.
Zentrale Bedeutung kommt hierbei dem wirtschaftlichen Eigentum an dem Leergut zu. Allerdings ist immer danach zu differenzieren, um welche Art von Leergut es sich handelt. Einheitsleergut ist anders zu behandeln als Individualleergut, das als Eigentum eines bestimmten Herstellers gekennzeichnet ist. Schließlich gibt es auch sog. Brunneneinheitsflaschen.
Beim Einheitsleergut ist es so, dass nicht nur das Eigentum an den Getränken, sondern auch an dem Leergut übergeht. Deshalb hat der Käufer das Einheitsleergut mit den Anschaffungskosten in der Höhe des Pfandgeldes zu aktivieren. Es handelt sich hierbei um Umlaufvermögen.
Bei Individualleergut geht das Eigentum hingegen nicht über. Das Pfandgeld stellt in diesem Fall eine Sicherheitsleistung dar, die bei demjenigen der das Pfandgeld gezahlt hat, zu aktivieren ist. Dies geschieht entweder
- als sonstige Ausleihung im Anlagevermögen oder
- als sonstiger Vermögensgegenstand im Umlaufvermögen.
Auf der anderen Seite geht das Pfandgeld in das Eigentum des Abfüllers über, der das Leergut abgibt. Er hat eine Verbindlichkeit zu passivieren.
Die Entscheidung vom 09.01.2013 betraf vor allem das Brunneneinheitsleergut von Abfüllbetrieben, das auch als Poolleergut bezeichnet wird. Der BFH wendet dabei auf diese Art von Leergut grundsätzlich die Regelungen für Individualleergut an. Die Finanzverwaltung hatte dies zuvor abweichend gesehen und insbesondere eine Rückstellungsbildung für erforderlich erachtet. Eine besondere Regelung hat der BFH dabei vor allem für die Fälle von Mehrrücknahmen als erforderlich angesehen. Alles in allem waren aber seinerzeit noch einige Fragen zu klären, so dass der BFH der Vorinstanz für den zweiten Rechtszug noch einige Hausaufgaben auferlegt hatte. Dies erklärt vielleicht auch, warum das Urteil erst im Jahr 2019 veröffentlicht worden ist.
Grundzüge des BMF-Schreibens
Die bilanzsteuerrechtliche Beurteilung von Individual, Einheits- und Poolleergut richtet sich grundsätzlich nach dem Urteil des BFH vom 09.01.2013 sowie vorhergehenden Entscheidungen des Gerichts (insbesondere Urteil vom 06.10.2009 - I R 36/07, BStBl. II 2010, S. 232). Bei Einheitsleergut geht das Eigentum auch an dem Leergut über, so dass das Pfandgeld Kaufpreis des Leerguts darstellt. Der Käufer hat das Einheitsleergut zu aktivieren, der Verkäufer hat einen Veräußerungserlös.
Bei Individualleergut geht das Eigentum hingegen nicht über. Das Pfandgeld ist eine Sicherheitsleistung, die bei Rückgabe des Leerguts fällig wird. Für die Verpflichtung zur Rückgabe ist auf der Gegenseite eine Rückstellung zu bilden. Die Entscheidung vom 9.1.2013 betraf nunmehr sog. Poolleergut, bei dem mehrere Brunnen ein einheitliches Leergut haben. Sie vereinbaren hierbei, dass die am Pool beteiligten Abfüllbetriebe die Flaschen unabhängig von den Eigentumsverhältnissen zurücknehmen. Die Finanzverwaltung eröffnet nunmehr folgende Möglichkeiten:
- Aus Vereinfachungsgründen ist es allerdings nicht zu beanstanden, wenn Einheitsleergut wie Individualleergut in der Steuerbilanz abgebildet wird – also weiterhin eine Rückstellung für die Verpflichtung zur Rückgabe des Leerguts gebildet wird.
- Ein Steuerpflichtiger, der nach der Veröffentlichung des BMF-Schreibens auf dieses Wahlrecht verzichtet, ist allerdings für die Zukunft an die Wahlrechtausübung gebunden.
- Die Entscheidung ist einheitlich für den gesamten Betrieb zu treffen.
- Macht ein Steuerpflichtiger von der Anwendung der Vereinfachungsregelung keinen Gebrauch, kann er den Gewinn aus der Auflösung der nach der bisherigen Verwaltungsauffassung zu bildenden Rückstellung auf den Zeitraum bis Ende 2029 verteilen. Die Auflösung hat mindestens mit dem Teil zu erfolgen, der sich bei einer gleichmäßigen Verteilung des entstandenen Buchgewinns über den Auflösungszeitraum ergibt.
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