Zusammenfassung
Der Beitrag untersucht die Verbreitung und Anwendung agiler Methoden zur Durchführung von Projekten in der öffentlichen Verwaltung. Zunächst werden die Rahmenbedingungen und 3 verschiedene agile Methoden und Werkzeuge beschrieben: Scrum, Kanban und Design-Thinking. Danach wird eine Studie zu dem Thema in deutschen Großstadtverwaltungen vorgestellt.
Bislang haben nur wenige Studien die Verbreitung und Anwendung agiler Methoden und Werkzeuge in Deutschland zum Gegenstand. Insbesondere gibt es keine aussagekräftigen wissenschaftlichen Erkenntnisse in Bezug auf agile Arbeitsweisen in deutschen Großstadtverwaltungen. Dem Beitrag liegt eine Datenerhebung in deutschen Großstadtverwaltungen zugrunde, die den gegenwärtigen Stand der Verbreitung agiler Methoden zeigt. Am Beispiel der befragten Verwaltungen konnte gezeigt werden, dass die Anwendung agiler Methoden und Werkzeuge bei der Planung und Durchführung stadtweiter Projekte bereits weit verbreitet ist.
1 Stärkere Kundenorientierung kommunaler Leistungen
Die öffentliche Verwaltung in Deutschland sieht sich mit zunehmender Komplexität der Aufgaben und steigenden Anforderungen der Bürgerinnen und Bürger konfrontiert. Dazu kommen Megatrends wie Digitalisierung, E-Government oder Künstliche Intelligenz. Der demografische Wandel ist kein Mythos, sondern trifft die öffentlichen Verwaltungen, sodass Personalgewinnung und -entwicklung einen hohen Stellenwert einnehmen. Transparenz- und Beteiligungsbegehren der Bürgerinnen und Bürger ebenso wie deren steigende Serviceerwartungen – getrieben durch die User Experience beim Interneteinkauf – zwingen zu noch stärkerer Kundenorientierung der kommunalen Leistungen. Durch hohe Fluktuation muss die öffentliche Verwaltung dynamischer auf ihr Umfeld reagieren können und erfolgskritisches Wissen gesichert werden. All dies ist nur mit einer Steigerung der Agilität in der öffentlichen Verwaltung möglich. Auch in Krisenzeiten ist eine gesteigerte Agilität von Vorteil, um auf die sich schnell ändernde Umwelt zu reagieren und das Handeln der Verwaltung anzupassen.
2 Theoretische Hintergründe
2.1 Rahmenbedingungen für die öffentliche Verwaltung
Aufgrund zunehmender Komplexität und ständiger Veränderung der Aufgaben in der Verwaltung werden flexible Strukturen immer wichtiger. Die Primärstrukturen der Verwaltung weisen in der Regel eine hohe Hierarchie und Arbeitsteiligkeit auf. Dadurch wird sichergestellt, dass routinemäßige Aufgaben ordnungsgemäß, verlässlich und effizient bewältigt werden können. Diese Primärstrukturen sind für komplexe und schwierige Aufgaben, die zeitlich begrenzt, einmalig von interdisziplinären Teams zu bewältigen sind und ein hohes Maß an Innovation erfordern, eher hinderlich und nicht geeignet. In modernen Organisationen nimmt die Anzahl der einmalig zu erledigenden und komplexen Aufgaben stetig zu. Die Umwelt der Verwaltung hat sich in den letzten Jahren jedoch so stark geändert, dass aktuelle Herausforderungen mit klassischen politisch-administrativen Logiken und stark ausgeprägten Hierarchien nicht mehr bewältigt werden können. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit zur Ausprägung neuer Fähigkeiten wie innovativem Arbeiten oder der Umgang mit Veränderung, Komplexität, Unsicherheit und Mehrdeutigkeit als Kernaufgaben des Verwaltungsmanagements.
Gesetzliche Rahmenbedingungen
Die Verwaltung ist bekanntermaßen an Gesetz und Recht gebunden. Dieser Grundsatz ergibt sich aus dem Grundgesetz (Art. 20 Abs. 3). Gesetzesvorrang und Gesetzesvorbehalt sichern die demokratische Legitimation und rechtsstaatliche Vorhersehbarkeit des Verwaltungshandelns. In deutschen Verwaltungen herrscht daher vorwiegend eine legalistische Verwaltungskultur, die das Denken und Handeln der Bediensteten maßgeblich prägt und ihren Fokus auf Rechtssicherheit und Verlässlichkeit der Entscheidungen legt.
Mit zunehmender Komplexität und volatiler Lebensverhältnisse sowie überraschender Ereignisse sind jedoch auch neue Handlungsweisen gefragt, die ein agiles Verwaltungshandeln notwendig machen. Dazu werden zunehmend neue Formate wie Innovationslabore, Experimentierräume und Reallabore situativ und experimentell eingesetzt, um die Zukunft zu erproben. Die dafür notwendigen rechtlichen Experimentierklauseln wurden z. B. in den Landeshaushaltsordnungen und Gemeindeordnungen der Länder übernommen.
Eine besondere Rolle zur Entwicklung von agilem Verwaltungshandeln spielt neben den Aspekten Weiterqualifizierung der Mitarbeitenden, Vertrauen und Wertschätzung auch die Ermächtigung zum eigenverantwortlichen Handeln. Der Wandel hin zu einer agilen Verwaltungskultur kann jedoch nur gelingen, wenn sich eine positive Fehlerkultur etabliert und agiles Verwaltungshandeln zur Bewältigung komplexer und unsicherer Herausforderungen für angemessen und notwendig erachtet wird.
2.2 Agilität
Der Begriff Agilität ist sehr weit gefasst und wird je nach Organisation und Ausbildungshintergrund verschieden verstanden und interpretiert. Ausgehend vom Agilen Manifest sind sich Praktiker und Wissenschaftler einig, dass Agilität in seinem Kern die...