Der Staat hat den Auftrag, "die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern" zu fördern und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken (vgl. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG). Konkretisiert und erweitert wird dieser Auftrag im baden-württembergischen Landesrecht: Nach § 11 Abs. 1 Chancengleichheitsgesetz BW (ChancenG BW)
- hat die Dienststelle in Bereichen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind,
- unter Wahrung des Vorrangs von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung nach Artikel 33 Abs. 2 GG sowie
- nach Maßgabe der Zielvorgaben des Chancengleichheitsplans und entsprechender Personalplanung
- bei der Besetzung von Stellen, auch mit Vorgesetzten- und Leitungsaufgaben sowie von Stellen für die Berufsausbildung und bei der Beförderung,
- deren Anteil deutlich zu erhöhen (§ 10 Abs. 1 Chancengleichheitsgesetz BW, ChancenG BW).
Frauen bei der Besetzung von Stellen, insbesondere mit Vorgesetzten- und Leitungsaufgaben sowie von Stellen für die Berufsausbildung und bei der Beförderung, vorrangig zu berücksichtigen, soweit nicht in der Person des Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen).
Bevorzugte Beförderung von Frauen ist zulässiges Auswahlkriterium
Die in diesen Normen vorgesehene bevorzugte Beförderung von Frauen zur Herstellung von Chancengleichheit ist ein grundsätzlich zulässiges Auswahlkriterium. Dies gilt jedenfalls dann, wenn hierdurch die vorbehaltlose Geltung des Leistungsgrundsatzes nach Art. 33 Abs. 2 GG nicht beschränkt wird. Der Verfassungsgrundsatz der Förderung der Gleichberechtigung (Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG) ist aber gerade nicht darauf gerichtet, die Geltung des Leistungsgrundsatzes nach Art. 33 Abs. 2 GG für die Stellenvergabe generell einzuschränken. Die bevorzugte Berücksichtigung von Frauen ist nach § 11 Abs. 1 und 3 ChancenG BW ausdrücklich auf die Fälle gleicher Qualifikation beschränkt.
Chancengesetz EU-konform?
Durch die in § 11 Abs. 1 ChancenG BW aufgenommene Einschränkung der bevorzugten Berücksichtigung weiblicher Bewerber für den Fall, dass in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen, wird das Gesetz nunmehr (seit seiner Novellierung mit Wirkung zum 27.2.2016) der vom EuGH an die Frauenförderung im öffentlichen Dienst gesetzten Anforderungen nicht gerecht. Danach sind in Bereichen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, zwar Fördermaßnahmen zulässig. Diese dürfen aber einerseits bei gleicher Qualifikation nicht automatisch und bedingungslos Frauen bevorzugen und müssen andererseits sicherstellen, dass alle Bewerbungen objektiv beurteilt werden und die jeweilige persönliche Situation des Bewerbers berücksichtigt wird. Für die Vereinbarkeit einer Quotenregelung mit dem EU-Recht (Gender-Richtlinie 2006/54/EG) ist nach der Rechtsprechung des EuGH deshalb das Bestehen einer Öffnungsklausel zu Gunsten der männlichen Bewerber unabdingbare Voraussetzung. Diese Öffnungsklausel muss garantieren, dass Bewerbungen von Männern Gegenstand einer objektiven Beurteilung sind, bei der alle die Person der Bewerber betreffenden Kriterien berücksichtigt werden und der den weiblichen Bewerberinnen eingeräumte Vorrang entfällt, wenn eines oder mehrere dieser Kriterien zugunsten des männlichen Bewerbers überwiegen. Diese Kriterien dürfen ihrerseits gegenüber den weiblichen Bewerbern keine diskriminierende Wirkung haben. Dem wird § 11 ChancenG BW gerecht. Neben der Einschränkung in seinem Absatz 1 ist seinem Absatz 3 festgehalten, dass "bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung" Frauenförderung als zusätzliches Hilfskriterium berücksichtigt werden darf. Klargestellt wird darin ferner, dass bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung, geringere Dienst- oder Beschäftigungszeiten, Inanspruchnahme von Elternzeit, Familienpflegezeit, Pflegezeit, Telearbeit und flexiblen Arbeitszeitmodellen sowie die Reduzierungen der Arbeitszeit, Beurlaubungen oder Verzögerungen beim Abschluss einzelner Ausbildungsabschnitte auf Grund der Betreuung von Kindern oder pflegebedürftiger Personen nicht berücksichtigt werden dürfen. Dadurch wird der Forderung des EuGH Rechnung getragen, dass die Hilfskriterien ihrerseits gegenüber den weiblichen (oder schwerbehinderten Bewerbern) keine diskriminierende Wirkung haben dürfen.
Prüfungsschema
- In erster Linie sind entscheidend: Eignung, Befähigung und fachliche Leistung
- Nur bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung darf bei Unterrepräsentanz das soziale Hilfskriterium "Frau" berücksichtigt werden.
- Dann muss geprüft werden, ob nicht im Einzelfall in der Person eines männlichen Mitbewerbers liegende überwiegende Gründe der Ernennung der weiblichen Bewerberin entgegenstehen.
- Nur unter diesen Prämissen steht das Verbot der Differenzierung nach dem Geschlecht (§ 9 BeamtStG) einer Frauenförderung nicht entgegen.
Frauenförderung in Kommunen
§ 11 ChancenG BW gilt nicht für Kommunen (vgl. § 3 Abs. 2 ChancenG BW). Das Verfassungsgebot des Art. 3 Abs. 2 GG sowie § 23 Abs. 1 ChancenG BW verpflichten diese jedoch genau...