Zusammenfassung
Nach einem langen und steinigen Vorlauf wurde im März 2018 die internationale Norm für Arbeitsschutz-Managementsysteme (AMS), die ISO 45.001:2018 "Occupational health and safety management systems – Requirements with guidance for use" sowie (zeitversetzt) die übersetzte Fassung als DIN ISO 45.001:2018 "Managementsysteme für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit – Anforderungen mit Leitlinien zur Anwendung" veröffentlicht. Die Internationale Organisation für Normung (ISO) startet damit ihre neue 45.000-Serie (Familie), die sich mit der systematischen Anwendung von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit beschäftigt.
Mit der ISO 45.001 steht erstmals eine internationale AMS-Norm für den Aufbau, die systematische Anwendung, die Weiterentwicklung sowie die interne Begutachtung (Bestandsaufnahme, interne Audits etc.) und die prinzipiell freiwillige externe Bewertung (Zertifizierung) betrieblicher Managementsysteme für die Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit zur Verfügung. Erstmals liegt damit auch ein AMS-Standard vor, der den Anforderungen der ISO an Managementsystemnormen, der sog. "High Level Structure", entspricht und damit eine Einbindung in andere Managementsysteme, wie das Qualitäts- und Umweltmanagement vereinfacht. Anwendbar ist die ISO 45.001 für jede Organisation (jedes Unternehmen), unabhängig von Größe, Art und Tätigkeit.
In Deutschland sind Arbeitsschutz-Managementsysteme (AMS) rechtlich nicht gefordert und werden auch nicht von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung verlangt. Gefordert wird aber – insbesondere durch das Arbeitsschutzgesetz – eine geeignete Systematik (Regelung und Organisation) zur wirksamen und nachweisbaren Umsetzung der gesetzlichen und der öffentlich-rechtlichen Forderungen an den betrieblichen Arbeitsschutz. Zu beachten ist auch, dass bei einer rechtlichen Auseinandersetzung ein Unternehmen, das ein AMS anwendet, durch die Nachweisbarkeit seines AMS, sehr gut aufgestellt ist. Darüber hinaus wünschen, fordern bzw. honorieren teilweise Kunden, der Markt, Geschäftspartner sowie Versicherer die nachweisbare Anwendung eines AMS.
1 Der steinige Weg zur ISO 45.001
Die Idee der Entwicklung einer internationalen Norm für Arbeitsschutz-Managementsysteme entstand bereits in den 1980er-Jahren. Auslöser waren insbesondere Untersuchungen großer Havarien, die organisatorische Missstände und Managementfehler als entscheidende Unfallursachen aufzeigten und Organisationsverschulden leitender Personen nahelegen, sowie die steigende praktische Relevanz normorientierter Managementsysteme, wie v. a. das Qualitätsmanagement gem. der QM-Norm ISO 9001. Befürworter einer AMS-Norm, wie einige internationale Großbetriebe, einige Normungsinstitute (z. B. BSI) und einige international tätige Zertifizierungsgesellschaften, konnten sich lange Zeit nicht durchsetzen. Die "Gegner" befürchteten einen Bedeutungsverlust der nationalen, gesetzlichen Vorgaben (in Deutschland auch der Vorgaben der Unfallversicherungen), Konflikte bzw. eine Konkurrenz zwischen Forderungen aus Gesetzen und Verordnungen und einer AMS-Norm, eine Harmonisierung auf einem tieferen Sicherheitsniveau sowie einen steigenden Zertifizierungsdruck, verbunden mit nicht unerheblichen Kosten. Ganz unbegründet waren und sind diese Bedenken und Vorbehalte nicht und sie wurden auch nicht durch die Informationspolitik der Befürworter und von der ISO ausgeräumt.
Wesentliche Meilensteine auf dem Weg zur ISO 45.001
1. Organisationsverschulden führt zu Organisationshaftung
Unternehmen sind sich zunehmend über den Zusammenhang zwischen Organisationsverschulden und Organisationshaftung bewusst. Sie schließen daraus, dass sie sich verstärkt um die Wirksamkeit des Arbeitsschutzes in ihren Unternehmen sowie die Organisation der Ermittlung der Wirksamkeit kümmern müssen. Die verstärkte Fokussierung auf die Wirksamkeit des Arbeitsschutzes sowie dessen Organisation und Maßnahmen geht einher mit einem Paradigmenwechsel bei Anwendung des Arbeitsschutzes: Weg vom "bloßen" Abhaken von Forderungen und hin zu einem zielorientierten Verbesserungsprozess, der die Kompetenzen und das "Wollen" und "Sollen" fördert und damit den Reifegrad des "Betreibens" (Managen) des betrieblichen Arbeitsschutzes steigert. Beigetragen haben hierzu auch die weitgehend positiven Erfahrungen mit der Anwendung der bereits vorhandenen AMS-Standards, wie der Nationale Leitfaden für AMS, der Grundlage für die AMS-Handlungshilfen der Unfallversicherungsträger ist, sowie die v. a. auf Baustellen weit verbreiteten AMS-Standards SCC/SCP (seit 2021: SCC-VAZ).
2. Entwicklung des internationalen AMS-Standards OHSAS "Occupational Health and Safety Assessment Series"
In Kürze: Angeregt insbesondere durch das britische Normungsinstitut (BSI) startete die International Organization for Standardization (ISO) 1996 den 1. Versuch, eine AMS-Norm zu entwickeln. Die Mehrheit der Mitglieder der ISO lehnte dieses Vorhaben jedoch ab. Als Folge entwickelten interessierte Gruppen (die spät...