Dr. Hanspeter Knirsch, Henning Overkamp
Das Spannungsfeld zwischen den Rechten und Pflichten des Bürgermeisters und denen des Rats wird bislang kaum als Handlungsfeld für Compliance-Management angesehen, obwohl es bei Störungen und Konflikten zur Lähmung einer ganzen Verwaltung und damit zu erheblichen Schäden für das Gemeinwohl und für die handelnden Personen kommen kann. Solche Störungen sind meist auf mangelnde Regelkonformität zurückzuführen.
Die Rechte und Pflichten des Bürgermeisters stehen in einem gesetzlich vorgegebenen Spannungsfeld zu den Rechten und Pflichten des Rats. Beide Organe sind durch Wahlen gleichermaßen demokratisch legitimiert. Scheinbar formale Konflikte können schnell eskalieren und genießen hohe Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Compliance kann in diesem Zusammenhang helfen, mögliche Konflikte rechtzeitig zu erkennen, sie – wenn möglich – zu vermeiden oder auf der Basis des geltenden Rechts zur Deeskalation beizutragen.
Im Kern geht es meist um die Abgrenzung der Organisationshoheit des Bürgermeisters gem. § 62 Abs. 1 GO NRW von der Allzuständigkeit des Rats gem. § 41 Abs. 1 GO NRW. Dies spielt auch eine Rolle bei der Zulässigkeit von Bürgerbegehren. Gem. § 26 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 GO NRW sind Bürgerbegehren unzulässig, wenn sie die innere Organisation der Gemeindeverwaltung betreffen, die in die Organkompetenz des Bürgermeisters fällt.
Vom Rat zulässigerweise gem. § 41 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a GO NRW beschlossene allgemeine Grundsätze, nach denen die Verwaltung geführt werden soll, dürfen letztlich nicht die Substanz der Organisationshoheit des Bürgermeisters nach § 62 Abs. 1 Satz 2 GO NRW berühren. Zur Organisationshoheit des Bürgermeisters gehört auch das Recht, Dienst- und Geschäftsanweisungen zu erlassen. Hier kann es Überschneidungen mit den allgemeinen Grundsätzen nach § 41 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a GO NRW geben, für deren Festlegung der Rat zuständig ist. Compliance-Management sollte frühzeitig darauf achten und das Bewusstsein für Grenzkonflikte schärfen.
Die Organisationshoheit des Bürgermeisters umfasst nicht Entscheidungen im Zusammenhang mit der organisatorischen oder rechtlichen Verselbstständigung der Wahrnehmung gemeindlicher Aufgaben. Für die Gründung eines Eigenbetriebs, einer Eigengesellschaft oder einer Anstalt bedarf es einer Ratsentscheidung. Der direkte Einfluss des Bürgermeisters auf solche verselbstständigten Einheiten wird über die Verpflichtung sichergestellt, den Bürgermeister in Aufsichtsgremien zu entsenden, wenn die Gemeinde mit mehr als einem Mitglied vertreten ist. Hier liegt ein besonderes Betätigungsfeld für Compliance-Management darin, in den verselbstständigten Einheiten die gleichen Compliance-Grundsätze zur Geltung zu bringen wie in der Kernverwaltung.
Dort ist die Abgrenzung der sog. laufenden Geschäfte der Verwaltung von den Angelegenheiten, die dem Rat vorbehalten sind oder die der Rat sich, einer Bezirksvertretung oder einem Ausschuss für einen bestimmten Kreis von Geschäften oder für einen Einzelfall vorbehalten hat, ein beliebtes Konfliktfeld. Die Ausübung des sog. Rückholrechts durch den Rat ist i. d. R. Ausdruck eines Kompetenzstreits.
Gleiches gilt für alle Entscheidungen im Zusammenhang mit Personalfragen. Der Bürgermeister trifft gem. § 73 Abs. 3 GO NRW die dienst- und arbeitsrechtlichen Entscheidungen, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, etwa die Wahl der Beigeordneten gem. § 71 Abs. 1 Satz 3 GO NRW. Für Bedienstete in Führungsfunktionen können in der Hauptsatzung Sonderregelungen getroffen werden, die die Rechte des Bürgermeisters auf die Herstellung des Einvernehmens beschränken, dessen Nichtzustandekommen mit einer 2/3-Mehrheit des Rates überstimmt werden kann. Bei allen personellen Entscheidungen ist der Bürgermeister an den vom Rat als Anlage zum Haushaltsplan zu beschließenden Stellenplan gebunden. Andererseits kann der Rat die Besetzung einer im Stellenplan ausgewiesenen Stelle nicht gegen den Willen des Bürgermeisters erzwingen. Auf diesem Feld ist es die vornehmste Aufgabe von Compliance-Management durch Transparenz gegenseitige Blockaden zum Schaden der Gemeinde zu verhindern.
Dies gilt auch für mögliche Konflikte im Rahmen von Haushaltskonsolidierungsverfahren. Der Haushaltsplan als Grundlage der Haushaltswirtschaft der Gemeinde wird vom Rat als Anlage zur Haushaltssatzung beschlossen. Im Haushaltsplan festgesetzte Aufwendungen und Auszahlungen darf der Bürgermeister nicht überschreiten, soweit nicht ausnahmsweise über- oder außerplanmäßige Ausgaben gem. § 83 GO NRW zulässig sind. Eine rechtlich durchsetzbare Verpflichtung des Bürgermeisters, im Haushaltsplan vorgesehene Aufwendungen und Auszahlungen auch tatsächlich umzusetzen, gibt es nicht. Dem Kämmerer steht kein eigenständiges Recht zu, im Haushaltsplan vorgesehene Aufwendungen und Auszahlungen zu blockieren.
Die Festlegung und Änderung des Geschäftskreises von Beigeordneten im Einvernehmen mit dem Bürgermeister kann sich der Rat gem. § 73 Abs. 1 Satz 1 GO NRW vorbehalten. Kommt ein Einve...